• Die Mieten sind in den letzten Jahren stark gestiegen, vor allem in den großen Städten in Deutschland.
  • Dadurch leben nicht nur viele Menschen auf engerem Raum, als sie das eigentlich möchten, viele haben außerdem Angst, sich die Miete für ihre derzeitige Wohnung bald nicht mehr leisten zu können.
  • Was vor allem fehlt, ist sozialer Wohnungsbau - und das bei steigenden Baukosten für alle.

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Laetitia Raumer* wusste, dass die Suche nach einer neuen Wohnung in Berlin schwierig werden würde. Aber dass sie so schwierig werden würde, dachte sie nicht. Raumer und ihr Partner erwarten bald ihr erstes Kind und würden gerne aus ihrer 60-Quadratmeter-Zweiraum-Wohnung in eine Wohnung mit drei Zimmern umziehen.

Der Quadratmeterpreis, der ihnen vorschwebt, sind maximal 12 Euro - wie viele Menschen haben sie eigentlich nicht vor, mehr als ein Drittel ihres Einkommens für Wohnen auszugeben. Mittlerweile suchen sie seit anderthalb Jahren.

"Wir haben inzwischen festgestellt: Es ist nahezu unmöglich, so eine Wohnung zu finden. Die Preise gehen sehr viel häufiger in Richtung 17 Euro", sagt Raumer am Telefon. Ja, es gebe Wohnungen mit einem Quadratmeterpreis sogar von unter 10 Euro. "Aber diese Wohnungen sind des Öfteren stark renovierungsbedürftig und werden als 'Handwerker-Liebhaber-Objekte' beworben." Auf die Wohnungen, die infrage kommen, gibt es einen entsprechenden Run. "200 bis 300 Bewerber sind keine Seltenheit", erzählt die Berlinerin.

Wohnen in Berlin: Vielen haben Angst, ihre Miete nicht mehr bezahlen zu können

Und das, obwohl die Konditionen zum Teil happig sind: "In Anzeigen stehen häufig hohe Abschläge von 5.000 Euro oder mehr drin, viele Wohnungen sind schon möbliert oder es handelt sich um befristete Mietverträge", sagt Raumer.

Doch: So frustrierend die Wohnungssuche für sie sein mag - sie weiß, dass ihre Wohnsituation eigentlich okay ist. "Ich kenne Familien mit vier oder fünf Kindern in Zwei-Zimmer-Wohnungen, die befinden sich wirklich in einer Notlage." Auch hat Raumer keine Sorge, dass die Miete für ihre Wohnung demnächst in die Höhe schnellen wird - und hat auch damit ein Problem weniger als viele andere Mieter in Berlin, aber auch in Deutschland insgesamt.

Laut einer Zeit-Umfrage im vergangenen Jahr befürchtet jede dritte Person, dass sie sich ihre Miete in absehbarer Zeit nicht mehr leisten kann. Jede siebte hat in den vergangenen drei Jahren eine Mieterhöhung erlebt, fast jede zweite würde gerne umziehen, tut es aber aus Angst vor den Kosten nicht.

In Berlin haben sich die Mieten binnen zehn Jahren fast verdoppelt

Und so ist gerade wenig Bewegung auf dem Mietmarkt. Wer kann, bleibt einfach in seiner Wohnung und rührt sich nicht. Denn die Sorge, sich die Miete nicht mehr leisten zu können, ist nicht unbegründet: Deutschlandweit sind die Mieten laut Statista in den vergangenen zehn Jahren deutlich gestiegen - und zwar deutlicher als die Löhne im selben Zeitraum. Zu sehen ist das unter anderem am sogenannten Mietpreisindex, der sich in zehn Jahren deutschlandweit um 14 Prozent erhöht hat.

In Berlin und anderen Großstädten ist diese Kurve noch viel steiler: In der deutschen Hauptstadt haben sich die Mieten binnen zehn Jahren annähernd verdoppelt. Lag die durchschnittliche Miete 2012 noch bei 6,86 Euro, waren es 2021 schon 10,49 Euro. Der Quadratmeterpreis für eine Eigentumswohnung stieg binnen einem Jahr um mehr als elf Prozent auf knapp 4.900 Euro - im Schnitt.

Die Städte kommen mit dem Bauen nicht hinterher

In anderen Städten ist die Entwicklung noch rasanter. München hat mittlerweile einen durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 18,48 Euro für alles, was neuer als zehn Jahre, mittelgroß und gehoben ausgestattet ist. Auch Frankfurt am Main und Stuttgart sind teurer als Berlin.

Die Gründe dafür sind vielfältig: Ein Grund ist der starke Zuzug von Menschen aus anderen Regionen Deutschlands und der Welt. Berlin hat einen Zuzugssaldo, also ein Einwohnerwachstum, von 60.000 pro Jahr.

In München ist die Zahl der Einwohner in den letzten zehn, fünfzehn Jahren fast doppelt so stark gestiegen wie die Zahl der Wohnungen, wie "Zeit online" berichtet. Im gleichen Zeitraum sei die Zahl der Sozialwohnungen um die Hälfte auf 1,2 Millionen geschrumpft.

Berliner Mieterverein: "Es werden viele Wohnungen gebaut - aber die falschen"

Für den Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, ist dies das Hauptproblem. "2020 wurden in Berlin zwar 14.000 bis 15.000 neue Wohnungen gebaut, was eigentlich sehr viel ist", sagte er im Gespräch mit unserer Redaktion.

"Nur: Erstens bräuchten wir rechnerisch mindestens 20.000 und zweitens werden für Menschen mit niedrigem Einkommen nicht die richtigen Wohnungen gebaut." Bei den Neubauten handle es sich fast nur um Eigentumswohnungen oder hochpreisige Mietwohnungen.

Sozialwohnungen fallen aber irgendwann aus der Preisbindung heraus und werden sie nicht "nachgebaut", geht immer mehr preisgünstiger Wohnraum verloren - also Wohnraum mit Quadratmeterpreisen von 6 bis 7 Euro. "Derzeit sind in Berlin 70 bis 80 Prozent der Wohnungen bei Wiedervermietung teurer als diese 6 bis 7 Euro. Das können wir auch durch noch mehr Neubau gar nicht auffangen", sagt Reiner Wild.

Berlin hatte ein Überangebot an Wohnungen - aber in Lagen, in die erst niemand wollte

Nun hat Berlin das spezielle Problem, dass die Stadt vor rund 20 Jahren viele ihrer städtischen Wohnungen an private Immobilienfirmen verkauft hat, weil sie sie nicht mehr halten konnte. Berlin hatte in den 1990ern ein Überangebot an Wohnungen produziert - und zwar in Lagen, in die niemand wollte.

Da es kein gutes Geschäft ist, Immobilien zu betreiben, in denen niemand wohnen möchte, wurden ganze landeseigene Gesellschaften an private Immobilienfirmen verkauft, unter anderem die Gemeinnützige Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft (GSW) an die Deutsche Wohnen, die aktuell Ziel eines Volksbegehrens ist, das die Wohnungen zurückholen möchte.

"Seit dem Verkauf, seit 2004, stieg das Mietniveau erst langsam an, danach rapide", sagt Wild. Inzwischen gibt es in Berlin weitere 14 sogenannte Entwicklungsgebiete, wo neue Wohnungen entstehen sollen.

Allerdings muss hier wirklich von Grund auf aufgebaut werden, denn in diesen Entwicklungsgebieten gibt es meist nicht viel vorhandene Infrastruktur. Oder besser gesagt: keine. Bis neben den Wohnhäusern auch die Infrastruktur mit Straßen, Kitas, Schulen errichtet ist, werde es noch viele Jahre dauern, sagt Wild.

Mietpreisbremse hilft nur bedingt

Das Problem mit dem sozialen Wohnungsbau hat Berlin aber nicht exklusiv. Steigende Baukosten und immer teurere Grundstücke sind für den sozialen Wohnungsbau besonders belastend. Derzeit liege etwa der Quadratmeter-Mietpreis für eine Sozialwohnung in Bayern bei 6,40 Euro, berichtet der Bayerische Rundfunk. Zum Teil seien es aber auch hier schon mehr als 10 Euro.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Um die Preissteigerungen einzudämmen, wurde vor einigen Jahren die Mietpreisbremse eingeführt, wonach bei der Wiedervermietung einer Wohnung maximal 10 Prozent auf die ortsübliche Vergleichsmiete (also den Durchschnitt von vergleichbaren Wohnungen in einem bestimmten Viertel) aufgeschlagen werden dürfen. Die Mietpreisbremse trägt offenbar tatsächlich ein wenig zu einer Verlangsamung der Preisanstiege bei, allerdings beklagt der Berliner Mietervereins-Geschäftsführer Wild:

"Von vielen Anbietern wird die Mietpreisbremse weiterhin ignoriert, indem sie zum Beispiel auf Ausnahmeregelungen abstellen." Zum Beispiel gilt die Bremse nicht, wenn die Wohnung modernisiert wird; dann dürfen Vermieter auf die Miete 10 Prozent Modernisierungszuschlag draufschlagen. Und sie gilt grundsätzlich nicht für Neubauwohnungen, die ab 1. Januar 2014 erstmalig bezogen wurden.

Tauschwohnungen und "Premium-Mitgliedschaften"

Für den Berliner Mieterverein ist deswegen klar, dass in erster Linie der Bau preisgünstiger Wohnungen helfen muss, die Not vieler Menschen zu erleichtern. Er unterstützt deswegen auch die Initiative "Deutsche Wohnen enteignen", von der Kritiker allerdings sagen, sie verkenne, dass es große Unternehmen mit ihrem großen Kapital brauche, um überhaupt Wohnungen zu bauen.

Nachdem Laetitia Raumer und ihr Partner es zwischendurch auch mit Tauschwohnungen versucht und keinen Erfolg hatten, versuchen sie es nun unter anderem mit einer Premium-Mitgliedschaft bei einem der Immobilienportale. Sie erhoffen sich dadurch andere und mehr Angebote.

"Aber ist es nicht eigentlich frech, dass man noch zusätzlich bezahlen soll, nur um die Angebote überhaupt zu sehen?" Die Familie mit den fünf Kindern in der Zwei-Raum-Wohnung kann sich die Gebühren wahrscheinlich gar nicht erst leisten.

Verwendete Quellen:

  • Telefongespräche mit einer Berliner Mieterin auf Wohnungssuche (* Name von der Redaktion geändert) und mit dem Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild
  • Statista: Entwicklung der Angebotsmieten für Wohnungen in Berlin von 2012 bis zum 2. Quartal 2021
  • Statista: Entwicklung des Mietpreisindex für Deutschland von 1995 bis 2020
  • Statista: Städte mit den höchsten Mietpreisen für Wohnungen in Deutschland im ersten Quartal 2021
  • Berliner Mieterverein
  • Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen: Mietspiegel-Tabelle
  • Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW): Pressemitteilung vom 14. Februar 2020
  • Zeit online: Der Mietenboom ist vorbei; Umfrage: Die jährliche Explosion
  • Bayerischer Rundfunk: Sozialer Wohnungsbau wird immer teurer - und seltener
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