Zu viel gespart, zu lange bei neuen Bauvorhaben getrödelt. Deutschland bremst so nicht nur den eigenen Güterverkehr aus, sondern auch den der Nachbarn.
Gerne spricht man in Deutschland von der Verkehrswende, weg von fossilen Energieträgern und der Straße, rauf auf die Schienen dem Klima zuliebe. Doch laut Experten ist Deutschland schon seit den 1970ern längst kein Bahn- sondern ein Autoland.
Und das gilt besonders für den Güterverkehr. Dabei steigen die Zuschüsse vom Bund an die Bahn für den Netzausbau stetig. Dafür, dass es auf deutschen Schienen nicht läuft, gibt es mehrere Gründe.
Um zwei Prozent stieg der Personenschienenverkehr in 2019 im Vergleich zum Vorjahr, während der Flugverkehr um 1,5 Prozent sank. Ein Erfolg, den die Deutsche Bahn (DB) in ihren Wettbewerbszahlen für 2019 und 2020 hervorhebt. Nur lief 90 Prozent des Personenverkehrs in Deutschland vergangenes Jahr immer noch über die Straßen.
Wenn es um den Güterverkehr geht, sieht es nicht viel besser aus. Laut Statistischem Bundesamt wurden 2018 84 Prozent aller Güter in Deutschland auf LKW transportiert, nur neun Prozent auf Zügen, der Rest auf Binnenschiffen.
Seit knapp 20 Jahren bedient die Deutsche Bahn nicht den regionalen Güterverkehr
Ganz besonders auf Distanzen unter 400 Kilometern, dem regionalen Güterverkehr, würden immer noch 80 Prozent der Güter von LKW transportiert, sagte Verkehrsexperte Heiner Monheim gegenüber unserer Redaktion. "Dabei sind das sehr lukrative Geschäfte, die der Bahn da entgehen, Produkte aus dem Versandhandel, darunter sind zum Beispiel Amazon-Bestellungen für Endverbraucher", so der emeritierte Professor für Verkehrsgeographie.
Diese Lücke im Schienennetz auf kürzeren Strecken reiche zurück in die frühen 2000er Jahre. Unter der Führung des damaligen DB-Chefs Hartmut Mehdorn wurden knapp die Hälfte aller 2.100 Güterbahnhöfe in Deutschland geschlossen. Zu viel Verlust machte die Bahn laut eigenen Angaben mit der Logistik-Tochter DB Cargo über die regionalen Punkte bei gleichzeitig zu viel Aufwand und Kosten für Kunden mit wenig Transportvolumen.
Stattdessen habe die Bahn in Sachen Güterverkehr laut Monheim lieber auf große Geschäfte im internationalen Transport gesetzt mit Zügen zwischen zwei und drei Kilometern Länge. Dabei habe man sich von Kanada, Russland oder Australien inspirieren lassen, Länder, die flächenmäßig deutlich größer sind als Deutschland.
Nachbarland Schweiz ist weltweites Vorbild für Schienenverkehr - sowohl für Personen als auch Güter
Aber für ein gutes Vorbild hätte die DB gar nicht so weit schauen müssen. Laut Verkehrsexperte Monheim reiche in puncto Personenverkehr über die Schiene vielleicht noch Japan an die Schweiz heran. Beide Länder hätten ein sehr gut ausgebautes dezentrales Netz.
Im Güterverkehr sei die Schweiz aber weltweit führend auf der Schiene. "Das liegt daran, dass in der Schweiz in allen Regionen ins Netz investiert wird und man sich nicht nur auf Großprojekte konzentriert, wie das die Deutsche Bahn gerne macht." Und da ist da wie sooft das Geld, in der Schweiz werde laut Monheim dreimal so viel pro Einwohner in das Bahnnetz investiert wie in Deutschland.
Außerdem würden Züge in der Schweiz auch Personen und Güter gleichzeitig transportieren. Einen solchen gemischten Schienenverkehr gebe es in Deutschland dagegen nicht mehr, könne aber für regionale Träger, die sich auf öffentliche Ausschreibungen im Personenverkehr bewerben, durchaus attraktiv sein.
Deutschland blockiert Jahrhundertprojekt von der niederländischen Küste bis zum Mittelmeerhafen Genua
Aber ein entscheidender Faktor ist die Akzeptanz in der Bevölkerung. In Deutschland wehrten sich Bürgerinitiativen und Kommunen gegen den Schienenausbau, weil sie Lärm befürchten, so Heiner Monheim. "Dabei hätte die Bahn in Deutschland technisch viele kostengünstige Möglichkeiten, für Lärmschutz zu sorgen", nur komme sie über ihre Vorliebe für Großprojekte nicht hinweg. Etwa Lärmschutzwälle, die städtebaulich in vielen Gegenden unmöglich seien.
Und so kann es dann zu peinlichen Verzögerungen bei internationalen Projekten für den Güterverkehr kommen: Anfang September wurde in der Schweiz der 15 Kilometer lange Ceneri-Tunnel eröffnet, der die transeuropäische Güterverbindung von Amsterdam durch die Schweizer Alpen bis zum Mittelmeerhafen Genua ermöglicht.
Allerdings bisher nur theoretisch, denn die DB hat ihre Hausaufgaben seit 1996, dem Projektstart, nicht vollständig gemacht: Das Schienennetz in Deutschland zwischen den Niederlanden und der Schweiz ist nicht fertig. Daher erwägten die Schweizer nun eine Ausweichsroute über Frankreich, wie die Badische Zeitung berichtet.
Und wie sieht die Zukunft des deutschen Güterverkehrs auf der Schiene aus? Verkehrsexperte Monheim hält sich mit Erwartungen zurück. Es werde sich nicht groß etwas ändern. "Das liegt einfach daran, dass für das Bundesverkehrsministerium das Straßennetz Priorität hat."
Verwendete Quellen:
- Deutsche Bahn, Wettbewerbskennzahlen 2019/2020, Juni 2020
- Statistisches Bundesamt, Amtliche Güterkraftverkehrsstatistik 2018, Stand 19.05.2020
- Deutsche Bahn, Jahresreport 2001, 23.04.2002,
- Badische Zeitung, Mit der Eröffnung des Ceneri-Basistunnels vollendet die Schweiz die Gotthard-Schnellroute, 03.09.2020
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