35 Jahre "Verstehen Sie Spaß?" sind eigentlich ein Grund zum Feiern. Gerade in Zeiten von "Dschungelcamp" & Co. Doch statt die Champagner-Korken knallen zu lassen, schenkte die ARD gestern Abend nur stilles Wasser aus. Vielleicht traut man sich einfach nicht, auf die Zukunft anzustoßen.

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Es sind schon verrückte Zeiten für Fernsehzuschauer. Da scheinen die Sender ihre Programmplätze entweder mit den x-ten Serienwiederholungen aufzufüllen oder aber sie erklären den Zuschauer für hirntot und servieren ihm Shows, in denen sich wildfremde Menschen auf Südsee-Inseln ihre Genitalien zeigen oder mehr oder weniger prominente Leute in Kakerlaken baden und Tierhoden essen. Zugegeben, das war jetzt etwas überspitzt, aber völlig von der Hand zu weisen ist leider auch nicht. In diesen wirren Zeiten also steht eine Sendung wie ein Fels in der Brandung: "Verstehen Sie Spaß?" Und das seit 35 Jahren.

Der Patient ist schwach, aber stabil

Zwar nagt auch an diesem Format der Zahn der Zeit und musste sich vor kurzem Einschnitte gefallen lassen. So zieht man inzwischen nicht mehr durch die Hallen der Republik, sondern hat in München einen festen Produktionsstandort. Außerdem sind von den vier Shows im Jahr nur noch zwei davon live und die über 20 Millionen Zuschauer aus früheren Zeiten sind heute auf etwa fünf Millionen zusammengeschrumpft. Aber die Quoten sind stabil und immer noch besser als die vieler anderer Show.

Trotz all dieser Hindernisse also ist "Verstehen Sie Spaß?" immer noch eine der beliebtesten Samstagabendshows im deutschen Fernsehen. Irgendetwas funktioniert also an diesem Konzept, das aus einer Zeit stammt, in der man Promis entweder live oder einmal im Monat in einer Samstagabendshow sehen konnte. Als man noch nicht froh war, mal eine Show zu sehen, in der kein Promi vorkommt. Als man noch wusste, warum der Promi, den man gerade sieht, überhaupt berühmt ist.

Verstehen Sie "Verstehen Sie Spaß?"?

Warum aber funktioniert das Konzept von "Verstehen Sie Spaß?" auch noch nach 35 Jahren? Vielleicht, weil hier die Stars nur deshalb da sind, um in die Pfanne gehauen zu werden und nicht, um ihr neues Buch, ihren neuen Film oder ihre neue Pflegeserie vorzustellen. Denn wer bei "Verstehen Sie Spaß?" auftaucht, der weiß in der Regel erst hinterher, dass er dabei ist.

Ganz sicher aber funktioniert "Verstehen Sie Spaß?" auch heute noch, weil es auf dem universellen Prinzip der Schadenfreude basiert. Das ist für Sechsjährige genauso lustig wie für Achtzigjährige und da spielt es auch keine Rolle, ob nun Helene Fischer hereingelegt wird oder Fritz Müller. Es ist diese Mischung aus Schadenfreude, Erwartung der Auflösung und der Spannung, wie der Gefoppte wohl reagiert, die den TV-Dinosaurier heute noch attraktiv macht.

Feiern ist irgendwie anders

Grund genug eigentlich, den Jubilar einmal ordentlich zu feiern. Aber offenbar sitzt im öffentlich-rechtlichen Rundfunk das Geld auch nicht mehr so locker wie früher. Denn gestern Abend gab es keine riesengroße Geburtstagssause, sondern nur ein Ein-Mann-Geburtstagsständchen. Statt einer Live-Show, bei der man mit ehemaligen Hereingelegten über alte Zeiten plaudern könnte, stand Moderator Guido Cantz alleine vor einem Screen und sagte alte Streiche-Clips an. Das war, als hätte man bei einer Party statt eines exklusiven Banketts mit allem Zipp und Zapp nur eine Tüte Chips hingelegt.

Und auch bei den Präsenten für die Zuschauer zeigte sich die ARD geizig. Gerade einmal zwei Klassiker-Filme aus Kurt-Felix-Zeiten durfte man sehen. Zum Glück war einer davon der Streich mit Reinhold Messner aus dem Jahr 1988, als der bei einer Tour auf dem Matterhorn auf 4.000 Meter Höhe plötzlich auf ein Zeitschriften-Kiosk traf. Das hatte nicht nur etwas TV-Nostalgisches, sondern entführte in eine Zeit, in der so etwas tatsächlich unmöglich erschien. Inzwischen hat man sich daran gewöhnt, dass man immer und überall etwas kaufen kann. "Wer ist so dumm diesen ganzen Plunder, den sie hier haben, zu kaufen", fragt Messner voller Zorn. Heute würde er sicher nur noch mit dem Kopf schütteln.

Wozu noch Samstagabendshow?

Dass es daneben nur noch einen alten Kurt-Felix-Streich zu sehen gab, könnte durchaus als Fingerzeig verstanden werden: Wir wissen zwar, wo wir her kommen, aber wir wissen noch viel besser, wo wir nicht hinwollen: in den Sarg neben "Wetten, dass..?". Deswegen lieber die jungen Zuschauer mit den Stars von heute bei Laune halten als olle Kamellen zeigen. "Wer die Filme noch einmal sehen möchte, die gibt es auf unserem YouTube-Kanal", erklärt Guido Cantz dann am Ende noch ganz auf der Höhe der Zeit.

Den Zuschauern gefällt das YouTube-Angebot jedenfalls. Über 250.000 Abonnenten und 185 Millionen Aufrufe sprechen eine deutliche Sprache. Doch wenn der Zuschauer das Herzstück der Sendung, also die Streiche, gucken kann, wann und wo er will und noch dazu kostenlos, warum sollte man dann überhaupt noch eine teure Samstagabendshow drum herum produzieren? Wenn man das bei der ARD merkt, dann könnte das sogar "Verstehen sie Spaß?" das Genick brechen.

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