"Verstehen Sie die Béliers?" will vieles auf einmal sein: lustig und ernst, gesellschaftlich und irgendwie auch politisch relevant, gefühlig, aber nicht kitschig. Eine ganze Zeitlang hat man den Eindruck, dass sich da jemand mächtig in eine Idee verrannt hat. Aber am Ende funktioniert's dann doch.

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Samba

Clip aus "Heute bin ich Samba"

"Heute bin ich Samba" läuft ab dem 26. Februar im Kino.


Dass Franzosen und insbesondere ihr Humor gern mal ins Frivole abdriften, gehört zu einem beliebten und immer wieder gern zitierten Klischee. Tot zu kriegen ist es nicht. Dafür wird es zu liebevoll gehegt und gepflegt. Aktuell zum Beispiel in der Coming-of-Age-Komödie "Verstehen Sie die Béliers?". Das Witzniveau des französischen Kassenerfolgs bewegt sich oft im Zotenbereich und balanciert stellenweise am Rande des Unerträglichen – und trifft damit dennoch ins Schwarze. Schließlich gehört das Ausloten von Toleranzgrenzen, häufiges Entnervtsein und ein ewiges Auf und Ab der Gefühle zu den dominierenden Emotionen pubertierender Teenager. Und um genau so einen geht es in "Verstehen Sie die Béliers?".

Wobei Paula (Louane Emera) definitiv kein normaler Teenager ist. Die 16-jährige Tochter einer Milchbauernfamilie ist in vielerlei Hinsicht weitaus erwachsener als man es in ihrem Alter eigentlich sein sollte. Das liegt zum einen daran, dass sie neben der Schule voll in den elterlichen Betrieb integriert ist. Das liegt vor allem aber daran, dass sie die einzige in ihrer Familie ist, die nicht taubstumm ist. Während ihre Eltern und ihr kleiner Bruder nur mittels Gebärdensprache kommunizieren können, kümmert sich Paula um die Kundengespräche am Marktstand, verhandelt vor dem Unterricht mit Futterlieferanten am Telefon und ist bei Arztbesuchen das Sprachrohr zwischen dem Doktor und ihren Eltern. Denen sie dann etwa erklären muss, dass es besser wäre, wenn sie in den kommenden drei Monaten auf Sex verzichten würden, damit der Ausschlag im Genitalbereich der Mutter eine Chance zum Abheilen hat. Für das hormonell komplett übersteuerte Ehepaar ist dieser ärztliche Ratschlag natürlich ein No-Go – was sie dann auch relativ schnell und unmissverständlich klarmachen.

Paula nimmt's mit Humor. Schließlich war ihre Familie schon immer speziell. Schwieriger wird die Sache, als sich Paula verliebt. Denn einem Fremden sind die Schrullen der Familie nicht so einfach zu erklären. Und wenn eine überdrehte Mutter am Tag der ersten Periode ihrer Tochter mit einer blutbefleckten Jeans durchs Haus rennt und deren irritiertem Loveinterest eben diese Trophäe unter die Nase reibt, möchte man am liebsten zusammen mit Paula in Grund und Boden versinken.

Wirklich dramatisch wird es jedoch, als Paula die Chance bekommt, dem familiären Chaos Adieu zu sagen. Denn ihr Chorleiter, ein Gainsbourg-Verschnitt, der von seinen Gesangsschülern Wollust und Leidenschaft hören möchte, will sie nach Paris auf eine Musikschule schicken. Dort soll sie ihr außergewöhnliches Gesangstalent schulen. Nur: Was macht dann ihre Familie? Schließlich funktioniert vieles nur, weil Paula da ist.

Und ab diesem Zeitpunkt funktioniert auch endlich "Verstehen Sie die Béliers?". Denn die komödiantischen Aspekte, die in der ersten Hälfte nicht nur dominieren, sondern oft überstrapaziert werden, rücken in der zweiten Hälfte zugunsten der klassischen Coming-of-Age-Thematik in den Hintergrund. Es geht um Abnabelungsprozesse und um zwischenmenschliche Barrieren, die lange Zeit unsichtbar waren. Die aber nicht unüberwindbar sind. Und die von Regisseur Eric Lartigau mit sehr viel Feingefühl inszeniert werden.

Denn in der Pubertät geht es ja auch darum, dass sich Eltern und ihre Kinder nicht verstehen und keine Ausdrucksmöglichkeiten für ihre Gefühle finden. Oft ist Musik ein Kanal, um Unaussprechliches zu artikulieren. Wie aber soll das funktionieren, wenn die Gabe zum Hören nicht vorhanden ist? Mit einer einerseits simplen, andererseits fast schon genialen Lösung gelingt es Lartigau, die gravierenden Unterschiede zwischen den taubstummen Eltern und ihrer singenden Tochter für das Kinopublikum spürbar zu machen. Und wenn in einer finalen Szene an der Musikschule ein dramatischer Kniff angewendet wird, der eigentlich vollkommen logisch ist, dann werden die Tränendrüsen beim Betrachter wie von selbst aktiviert. Kitschig ist das in keinem Moment. Sondern einfach nur gut.

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