"Mein Date, mein bester Freund & Ich" auf Sat.1 wirkt wie Worst-of bekannter Dating-Formate mit den immer selben stets paarungswilligen Kandidaten. Gut, dass die in einem gut geölten Wirbel aus Fitnessbuden-Muckis, Extensions und tätowierten Kalendersprüchen kaum auseinander zu halten sind.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Felix Reek dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Irgendwann kommt der Tag, da wird sich jedes Paar in einer Datingshow kennengelernt haben. Denn wo soll man sich heute schon begegnen? Tinder? Einer Bar? Beim zufälligen Berühren an der Gemüsetheke, als beide just in diesem Moment nach der fair gehandelten und garantiert klimaneutralen Avocado griffen? Pah, in welcher Welt leben Sie denn, verehrte Leserinnen und Leser? Nach Ansicht der ersten Folge von "Mein Date, mein bester Freund & Ich" auf Sat.1 hoffentlich in einer vollkommen anderen als die acht Kandidatinnen dieser neuen Influencer-Zweitverwertungsmaschinerie.

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Wer solche Freunde hat, dürfte bei einem Partner auch nicht wählerisch sein

Das Prozedere von "Mein Date, mein bester Freund & Ich" ist das Übliche wie in jeder Datingshow im "Bachelor"-Stil: Eine Horde Menschen mit voll verdientem Aufmerksamkeitsdefizit stürmt eine Ferienvilla in Bikini-tauglicher Umgebung. Sie kreischen, quietschen und sagen Dinge wie: "I like, I like", "Hier ist Make-up-Situation" und "Wowsen" (ja, echt jetzt). Dann wird anstandslos zur Druckbetankung übergegangen. Im Prinzip also wie "Die Bachelorette" auf "Love Island".

Der einzige Unterschied bei "Mein Date, mein bester Freund & Ich" ist: Die acht Frauen haben jeweils ihren besten schwulen Freund dabei. Was die da sollen? Unterstützen, aufbauen, in Liebesdingen helfen, am Ende dafür 50.000 Euro kassieren. Wie das klingt? Zum Beispiel wie bei Colleen und Gino, die mit präorgiastischem Stöhnen vorführen, wie sie auf den Anblick von ansprechendem Männern reagieren. Oder wie bei Pascal, der seine beste Freundin charmant so umschreibt: "So, wie sie aussieht, könnte man annehmen, sie wäre so eine richtige Nutte." Wer solche Freunde hat, dürfte bei einem Partner auch nicht wählerisch sein.

Verzweifelt auf der Suche nach einer Kamera

Passend dazu läuft in "Mein Date, mein bester Freund & Ich" das komplementäre Männermaterial auf. Heißt: Verzweifelt auf der Suche nach allem, was eine Kamera auf sie richtet. Micha kann im Einspieler die Finger kaum von sich selbst lassen, Kevin betatscht beim Kennenlernen seine zugeordnete bessere Hälfte und sagt: "Du bist mein Couple". Eine Redewendung, die sich offenbar seit "Love Island" in den Sprachgebrauch des Kandidaten-Klientels dieser Sendungen eingebrannt hat.

Es könnte aber auch daran liegen, dass die Teilnehmer von "Mein Date, mein bester Freund & Ich" sich auf der Suche nach der großen Liebe in den letzten Jahren vor allem durch diverse ähnlich gelagerte Shows gefummelt haben. Man kennt sich und weiß, was von einem erwartet wird. Alan war Bachelor in der Schweiz, Keno gewann 2019 "Die Bachelorette", Chethrin leidet fast schon an Schein-Prominenz-Tourette: Sie war "Bild"-Girl, bei "Curvy Supermodel", auf "Love Island" und im "Promi Big Brother"-Container. Da kommt es auf "Mein Date, mein bester Freund & Ich" nicht mehr an.

Knutschen, Brüste, Partnertausch

Der Vorteil des Publikums, dessen Gedächtnis glücklicherweise so lückenhaft ist, wie die Erinnerung an eine Nacht mit zwei bis acht Eimern Sangria: Die Kandidaten dieser Shows sind maximal austauschbar, alles geht in einem gut geölten Wirbel aus Fitnessbuden-Muckis, Extensions und tätowierten Kalendersprüchen unter.

Weshalb es die "Dramaturgie" richten muss. Schon in Folge eins wird geknutscht, Brüste springen aus Dekolletés von Kandidatinnen, denen ihre Mutter offenbar nicht erklärt hat, dass Oberbekleidung nicht dazu da ist, die Auslegeware bei jeder behutsamen Bewegung aus ihrem natürlichen Habitat zu entlassen. Dazu wird noch nominiert, Partner getauscht und natürlich gestritten.

Keno "sieht das nur als Bühne"

Für den obligatorischen Zwist sorgt "Bachelorette"-Gewinner Keno, der seine Colleen zur Begrüßung direkt stehen lässt und auch im Darauffolgenden kaum Interesse an ihr zeigt. Zu laut, zu klein, zu Alkohol-trunken ist ihm das alles hier und überhaupt: Er kennt sein "Couple" schon von Instagram. In dieser schnelllebigen Zeit muss das reichen.

Zu viel für David, der zwar nicht der schwule beste Freund von Colleen ist, aber weiß, dass der, der am meisten lästert, am längsten im Bild ist. Er hat ja auch recht: Ein Hetero, der sich nicht sofort vor Kameras auf die ihm zugeteilte Frau stürzt, mit dem kann etwas nicht stimmen! Sein Vorwurf: Alles sei nur Show, Keno "sieht das nur als Bühne." Was in etwa so ist, als werfe man Amazon-Chef Jeff Bezos vor, es ginge ihm nur ums Geld. Entsprechend überrascht reagiert Keno. Die beiden Widersacher einigen sich darauf, sich bereits nach einer Folge von "Mein Date, mein bester Freund & Ich" nichts mehr zu sagen zu haben. Leider gilt das nicht für den Rest der Belegschaft.

Schnell ineinander verknoten und ab zur nächsten Show

Viel zum Reden kommt der eh nicht. Die Kandidatinnen und Kandidaten von "Mein Date, mein bester Freund & Ich" sind glücklicherweise weitgehend damit beschäftigit, sich möglichst schnell ineinander zu verknoten. Wobei die Fluktuation durchaus hoch ist. Einziger schwachheller Lichtblick dieses Dating-Desasters ist, wie jedes Mal die zur Schau getragene Selbstverliebtheit der Kandidaten in sich zusammenfällt, wenn das nächste Männchen mit Käsereiben-Bauch und Oberbekleidungsallergie hineingeschneit kommt, um das Bett neben dem sicher geglaubten lomenschlichen Fernsehticket zu beanspruchen. So sieht wohl Feminismus in einer Datingshow aus.

Lang hält der Ego-Knick aber nicht an. Die einen sind zu solch einer aufwendigen Denkleistung gar nicht fähig, die anderen haben mit Sicherheit bereits den nächsten Vertrag für ein ähnlich gelagertes Format in einem Ferienresort unterschrieben. Auf dass der Dating-Horror niemals enden möge.

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