Mit ihrem Achtzigerjahre-Charme liegt die Netflix-Serie "Stranger Things" voll im Trend. Das Bedürfnis, in der Vergangenheit zu schwelgen, ist heute größer denn je. Kann das gut sein?

Anja Delastik
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Anja Delastik dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Haben Sie die nächsten Abende schon was vor? Wie wäre es mit einem nostalgischen Ausflug in die Achtziger: Ab 4. Juli streamt die dritte Staffel der kultigen Mysterie-Serie "Stranger Things” auf Netflix – und führt ihre Zuschauer zurück ihre Jugend und Popkultur-Sozialisation; in eine Zeit, in der sich Grusel noch wohlig anfühlte und das Böse noch besiegbar war.

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"Stranger Things": Alles, was das Retro-Herz begehrt

Die Serie fährt auf, was das Retro-Herz begehrt: monsterjagende Kids mit BMX-Rädern und Walkie-Talkies, ein Mädchen mit telekinetischen Fähigkeiten, eine gruselige Parallelwelt. Dazu jede Menge Referenzen an Mystery-Klassiker, High-School-Klamauks und Teenie-Slasher der Achtziger: "E.T.", "Stand By Me", "Ghostbusters", "Die Goonies", "Carrie", “Poltergeist”, “Nightmare On Elm Street”... Stephen King, John Carpenter und Steven Spielberg lassen grüßen. Obendrein: ein kultiger Synthie-Soundtrack und Winona Ryder. Hach!

Mit seinem Achtzigerjahre-Charme ist “Stranger Things” mittlerweile selbst Teil der modernen Popkultur geworden. Bereits letztes Jahr widmete die Luxusmarke Louis Vuitton der Serie ein T-Shirt, aktuell warten das Jeans-Label Levi's und der Sportswear-Hersteller Nike gar mit kompletten “Stranger Things”-Kollektionen auf. Dabei ist die Serie nur eines von vielen Zeugnissen des Nostalgie-Trends in Mode, Film, TV und Musik. Begriffe wie Vintage, Old School oder Retro sorgen rundum für Extra-Coolness, Glücksgefühle und klingelnde Kassen.

Das Unbehagen an der Gegenwart

Warum hat Nostalgisches gerade jetzt Hochkonjunktur? Und was macht das Schwelgen in verklärten Erinnerungen so verlockend? Per Definition wird Nostalgie von einem “Unbehagen an der Gegenwart” ausgelöst – und in seinem Buch “Die guten alten Zeiten: Warum Nostalgie uns glücklich macht” erklärt Autor Daniel Rettig: “Nostalgie gibt dem eigenen Leben einen Sinn, verleiht ein Gefühl von Sicherheit.”

Tatsächlich ist das gegenwärtige Unbehagen ziemlich groß. Wir leben in einer Zeit, die sich mit rasanter Geschwindigkeit wandelt – und das bringt Verunsicherung und Ängste mit sich. Eine Serie wie “Stranger Things” hingegen beschwört die “gute alte Zeit”; eine Zeit der Unschuld, in der künstliche Intelligenz (“Nummer 5 lebt!”) keine Bedrohung ist, die Gemeinschaft wichtiger als der Einzelne, Gutes gut und Böses böse. Für eine Weile darin abzutauchen, der Realität zu entfliehen, tut gut und sorgt für Halt und Balance.

"Stranger Things": Nostalgie als Angstlöser

Demnach wirkt Nostalgie korrektiv, als eine Art Angstlöser. Psychologische Studien belegen sogar, dass ein gesundes Maß die Grundstimmung heben und positive Effekte auf das Selbstwert- und Gemeinschaftsgefühl haben kann. Und sogar auf den Körper: Chinesische Forscher haben in Kälte-Experimenten herausgefunden, dass nostalgische Erinnerungen sowohl das mit Kälte verknüpfte Unbehagen erhöhen, als auch die Toleranz ihr gegenüber.

Anders ausgedrückt: Wer nostalgisch ist, dem wird warm ums Herz. Angesichts so manches alltäglichen Schreckens und unserer real existierenden Parallelwelten, kann das doch nur gut sein.

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