Am Montagabend gewann Kandidat Tobias bei der Neuauflage der Quizshow "Jeopardy!" 8.250 Euro. Tobias wird sich dementsprechend über die Rückkehr der Show gefreut haben – dürfte mit dieser Freude aber wahrscheinlich alleine sein. Denn "Jeopardy!" im Jahr 2023 ist Langeweile in Vollendung.

Christian Vock
Eine Kritik
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Wenn man über die Wiederauferstehung von "Jeopardy!" sprechen möchte, die Sat.1 am Montagabend feierte, dann sollte man zuerst über die jüngste Folge von "Wer stiehlt mir die Show?" bei Pro7 sprechen. Zum einen, weil beide Quizshows gerade einmal 24 Stunden auseinander lagen, zum anderen, weil beide Show dennoch nicht weiter von einander entfernt sein könnten.

Zur Erinnerung: Zum Auftakt der neuen Staffel "Wer stiehlt mir die Show?" stürzte sich Moderator Joko Winterscheidt mit ein paar Musikern aus einem Flugzeug und sang seinen Kandidaten Lieder vor, die diese erraten mussten. In einer anderen Spielrunde flatterten Hunderte kleiner Zettel von der Studiodecke, doch nur auf wenigen von ihnen stand die Frage, auf die die Kandidaten eine Antwort geben mussten.

Und in wieder einer anderen Runde mussten die Kandidaten im "Guitar Hero"-Stil Hupen bedienen und währenddessen das Lied erraten, das sie selbst gerade hupten. Am Ende der ganzen Raterei setzte sich die nicht-prominente Wildcard-Kandidatin in der Finalrunde gegen Winterscheidt durch und wird dafür nicht etwa mit einem Preisgeld belohnt, sondern mit der Moderation der kommenden Ausgabe und wird die, so ist es Tradition, mit allem Zipp und Zapp eröffnen.

"Jeopardy!": Hier stellen die Kandidaten die Fragen. Fertig.

Kurzum: Hinter "Wer stiehlt mir die Show?" steckt eine Redaktion, die mit Liebe zum Detail und Mut zum Ungewöhnlichen die kreativen Maßstäbe einer Quizshow neu definiert hat. Das Alleinstellungsmerkmal von "Jeopardy!" erklärt Moderatorin Ruth Moschner am Montagabend hingegen so: "Hier ist die einzige Quizshow, in der die Kandidaten die Fragen stellen. Hier ist 'Jeopardy!'"

Genau so war das bereits 1964, als die Show in den USA zum ersten Mal lief, so war es 1990, als RTL die Show unter dem Namen "Riskant!" nach Deutschland holte und so ist es nun auch 2023, als Sat.1 zum Abschluss der selbst ausgerufenen "Kult-Show-Wochen" "Jeopardy" wieder ins Programm holt. Das Gleiche hat man zuvor bereits mit "Die Pyramide" und "Dating Game" gemacht.

Nun also ist der Klassiker "Jeopardy" dran und wem das gar nichts sagt, hier kurz die Regeln. Gespielt wird mit Hilfe einer Videowand-Tabelle. In der ersten Zeile stehen die Quiz-Kategorien, in den jeweiligen Spalten darunter die Punktezahlen in aufsteigender Höhe. Die drei Kandidaten suchen sich Felder aus, die sie spielen wollen, wobei hinter jedem Feld die Umschreibung des Antwortbegriffs steckt. Nun müssen die Kandidaten schnell buzzern und – wir erinnern uns – die richtige Frage zur Antwort formulieren.

Kandidatin Tanja: "Steak it easy!"

Das klingt unnötig kompliziert, ist aber in der Realität einfach nur langweilig. Kandidat, Feld, Antwort, Frage, Kandidat, Feld, Antwort, Frage und so weiter. Kein Fallschirmsprung, kein Kartenregen, kein Hupkonzert. Moderatorin Ruth Moschner kann man dabei keinen Vorwurf machen, denn sie holt das Beste aus den Möglichkeiten, die man ihr gibt, heraus. Sie ist charmant, herzlich und plaudert mit ihren Kandidaten über Belanglosigkeiten.

Da erzählt dann etwa Kandidat Tobias, dass er einen Marathon gerne einmal unter vier Stunden laufen würde; sein Kandidatenkollege Alexis berichtet von einer App, die er entwickelt hat und die Chören das Leben erleichtern soll. Und Kandidatin Tanja erzählt, dass sie sich bei ihrer Arbeit in der Marketingabteilung einer Fleischerei Slogans wie "Steak it easy!" ausdenkt und wie sie sich bei einer Überquerung der Alpen einmal Blasen gelaufen hat.

Das bringt einem als Zuschauer die Kandidaten ein bisschen näher, doch das Problem daran ist: Das ist auch schon das Spannendste an der Show. Der Rest ist einfach nur das Abarbeiten von Fragen ohne jeglichen Unterhaltungswert. "Jeopardy!" 2023, das ist wie Ernährung mit Nahrungsergänzungsmitteln. Das Wichtigste ist drin, aber Spaß macht das nicht.

"Jeopardy!" 2023: wie ein Museumsbesuch

In der Praxis sieht das dann nämlich so aus: Kandidat Holger sucht sich das 150er-Feld der Kategorie "Pseudonyme" aus und Ruth Moschner liest folgende Antwort vor: "Egal ob als Bird- oder Batman: Der Schauspieler Michael John Douglas ist besser bekannt unter diesem Namen." Kandidat Alexis versucht sich als Erster mit einer dazugehörigen Frage und sagt: "Wer ist Kirk Douglas?" Das ist nachweislich falsch, weshalb Alexis nun 150 Minuspunkte auf dem Konto hat. Weil auch die beiden anderen Kandidaten keine Ahnung haben, dass nach Michael Keaton gefragt wurde, geht es mit der nächsten Frage weiter. Wenigstens gibt es da etwas zum Schmunzeln.

Die vorgegebene Antwort lautet hier "Ja, es schmerzt etwas, wenn es auf eine Wunde aufgetragen wird, trägt aber auch zur schnelleren Heilung bei." Kandidatin Dominique ist sich sicher, dass man Wunden nicht etwa mit Jod behandelt, sondern fragt stattdessen: "Was ist Salz?" Sollte man sich also in Dominiques Nähe verletzen, muss man entweder sehr viel Humor und ein geringes Schmerzempfinden besitzen oder sollte sich eine andere Ersthelferin suchen. Aber so eine Antwort kann im Eifer eines Quiz-Gefechts passieren und steigert immerhin den bisherigen Spaßanteil der Show um 100 Prozent.

Das bedeutet aber noch lange nicht, dass die Show unterhaltsam ist, ganz im Gegenteil. Sich 2023 eine Show wie "Jeopardy" anzusehen, ist wie der Kauf eines dieser Retro-C-64-Spiele, die man sich in einem Anfall von Nostalgie bestellt und genau einmal anschließt. Weil man beim Spielen sofort merkt, dass es einen guten Grund hat, warum es die Dinger nur noch im Museum gibt. Sollte bei "Jeopardy!" also einmal eine Frage "Was ist 'Jeopardy!'?" lauten, wäre die dazugehörige Antwort folgende: "Eine altbackene Quizshow aus einer Zeit, in der man noch nicht wusste, was Fernsehen alles kann."

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