Schon vor dem Start wurde "Maniac" als nächster Netflix-Erfolg gehandelt. Für die hochkarätig besetzte Miniserie über eine fragwürdige Medizinstudie, bei der psychische Krankheiten geheilt werden sollen, brauchen die Zuschauer allerdings viel Geduld.
Owen sitzt auf einer Parkbank in Manhattan und füttert Tauben, als ihn jemand von der Seite anspricht. "Owen, du bist ausgewählt worden, um die Welt zu retten", sagt der mysteriöse Mann. "Du wirst ein Held." Owen wird nervös. Außer ihm scheint niemand den Fremden zu bemerken. Plötzlich bebt der Boden. Es knallt. Owens Taubenfutter wird zu Popcorn. "Weißt du, was real ist?", hatte sein Vater gefragt und Owen war sich sicher: "Zu 100 Prozent."
Owen leidet an Schizophrenie und Verfolgungswahn. In der neuen Miniserie "Maniac" richten US-Regisseur Cary Joji Fukunaga ("True Detective") und Autor Patrick Somerville ("The Leftovers") den Blick auf psychische Krankheiten, allerdings nur sehr oberflächlich. Die Hollywood-Stars
Drei Pillen als Lösung
Drei Wunderpillen sollen alle psychischen Probleme beseitigen. Der intelligente Supercomputer GRTA versetzt die Teilnehmer in eine Art Tiefschlaf, in dem sie sich auf einen Erkundungstrip durch eigene Erinnerungen und kuriose Fantasien begeben. Durch einen technischen Fehler durchleben Owen und Annie dieselben Vorstellungen. Im Labor versucht das NPB-Personal, die Lage unter Kontrolle zu halten. Denn auch Supercomputer GRTA leidet unter emotionalen Schwankungen.
Die Geschichte spielt in New York in einer alternativen Gegenwart. In dieser von Fukunaga als "Was wäre wenn?"-Szenario bezeichneten Kulisse leuchten gigantische Reklameschilder wie in Ridley Scotts "Blade Runner". Das Testlabor erinnert an Stanley Kubricks "2001 - Odyssee im Weltraum" und den aufmüpfigen Computer HAL.
Kleine Roboter sammeln in den Straßen Hundekot auf. Wer knapp bei Kasse ist, kann werbefinanziert mit der U-Bahn fahren oder sein Mittagessen bezahlen. Ein "Ad Buddy" liest dann während der Fahrt oder im Restaurant unzählige Werbeanzeigen vor. Soweit, so modern. Doch die Technik ist aus der Zeit gefallen. Fernseher und Computer entstammen den 80er Jahren. Handys gibt es in dieser Welt nicht.
Herausforderung statt Unterhaltung
Die Idee zu "Maniac" basiert nur ganz entfernt auf der gleichnamigen norwegischen Serie. Die zehnteilige US-Show wird als nächster Netflix-Hit gehandelt und hat auch Kultpotenzial. Ob sie ein breites Publikum anspricht, ist trotzdem fraglich. Denn Regisseur Fukunaga verlangt den Zuschauern viel ab. Er bezeichnet "Maniac" selbst als "weird", also seltsam oder schräg. Stone nannte die Show in Interviews treffend "herausfordernd und anstrengend".
Die ständigen Sprünge zwischen Drama, Krimikomödie, Gangsterfilm oder Fantasy-Epos im Stil von "Herr der Ringe" erleben Zuschauer wie ein Zappen durch verschiedene Filmgenres. Die Fernbedienung hat Fukunaga. Genauso wechselhaft ist die Stimmung - einerseits unbehaglich, dank des grotesken Humors gleichzeitig amüsant. Das Erzähltempo der 25 bis 45 Minuten langen Episoden ist langsam und mitunter zäh.
Dafür punktet "Maniac" mit einer hochkarätigen Starbesetzung. Vor allem der wandlungsfähige Jonah Hill überzeugt - als sensibler Owen in der Realität genauso wie in der Fantasie als gutherziger Familienvater mit Vokuhila-Frisur oder als verdeckter Ermittler im Gangstermilieu. Neben Oscar-Gewinnerin Emma Stone, die 2007 mit Hill in der Komödie "Superbad" erstmals vor der Kamera stand, sind Justin Theroux ("Mulholland Drive"), Sally Field ("Forrest Gump") und Gabriel Byrne ("Die üblichen Verdächtigen") dabei.
Fukunaga lässt die Zuschauer lange im Dunkeln. Wer die Geduld dafür aufbringt, wird zwar belohnt, irgendwann setzen sich die ersten Puzzleteile zusammen. Um aber wirklich alle Details der raffinierten Geschichte mitzubekommen, muss man "Maniac" mindestens zweimal aufmerksam schauen. "Das ist zu viel, um es zu verarbeiten", sagt Jonah Hill in Gestalt des isländischen Alien-Entdeckers Snorri. Vielen Netflix-Nutzern könnte es beim Sehen ähnlich ergehen. © dpa
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