Fummeln, Rammeln und Kandidaten mit dem Sprachschatz von Grundschülern: Drei Wochen lang suchten die Bewohner der "Love Island" nach der großen Liebe. Die Zuschauer fanden vor allem das große Fremdschämen.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Felix Reek dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Wahrscheinlich lässt sich "Love Island" auf RTL2 im Nachhinein am besten mit einem Dialog aus der Show selbst beschreiben. Stellen Sie sich zwei eingeölte Männer vor, mehr Tattoos als Verstand, gewandet in Badehosen, die sie offensichtlich aus der Kinderabteilung eines H&M entwendet haben.

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Sie unterhalten sich über Frauen, was sonst. Einer von ihnen ist "verliebt". "Findst du sie denn körperlich attraktiv?", fragt Muskelmännchen Nummer eins. Die Antwort von Muskelmännchen Nummer zwei: "Ja voll. Sie ist halt dünn."

Zack, das war's. Nicht: "Ich mag ihre Art. Ihren Humor. Wie sie sich bewegt." Nein, einfach nur: "Sie ist dünn." Wer braucht schon innere Werte, wenn die Olle im Stretchmini geil aussieht.

In dieser Hinsicht war "Love Island" wohl die ehrlichste Dating-Show der letzten Jahre. Das Format aus England versuchte erst gar nicht so zu tun, als ginge es um die große Liebe oder irgendwelche Werte.

Hauptsache die Kandidaten landeten möglichst schnell in der Kiste. Eine Art "Der Bachelor" trifft "Big Brother" und zusammengedampft auf rudimentäre Triebe.

Bikinis statt Kleidung

Es begann damit, dass die Kandidatinnen sich in Folge eins erst gar nicht in billige Kleidchen aus dem schlampigen Brautjungfer-Fundus warfen, sondern gleich im Bikini, gerne auch G-String, aufliefen.

Die Herren: auch nicht viel besser. Die eine Hälfte schob sich schwerfällig herein, als habe sie sich ein paar Kürbisse in die viel zu enge Mikrobadeshorts geschoben, die andere war vornehmlich mit der Frisur über dem Stirnband beschäftigt.

Viele von ihnen Profis, die sich bereits in "Curvy Supermodel", "Der Bachelor" und "Die Bachelorette" versucht hatten. Ausgestattet mit jenem überbordenden Selbstbewusstsein, das jenen zu eigen ist, denen die eigenen Gehirnaktivitäten nicht im Weg stehen.

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    Schrecklich, einfach nur schrecklich.

Drei Wochen eingesperrt in einen Luxusknast mit gemischtem Schlafsaal, sollten sie, wie im englischen Original, schnellstmöglich zur Sache kommen.

Die Zutaten dazu: keine Bekleidung, die über Unterwäsche hinausgeht, ausschließlich Doppelbetten und Partyspiele aus dem FSK18-Giftschrank von "Geld oder Liebe". Flaschendrehen. Rudelknutschen. Den Penis des Partners aus Lehm formen.

Die schlüpfrige Zweitbesetzung von "Berlin Tag & Nacht"

Das ist selbst für RTL2 ein Tiefpunkt. Den Sender, der in den letzten Jahren versuchte, mit dem Einkauf von Serien wie "The Walking Dead" oder "Game of Thrones" ein seriöseres Profil zu gewinnen, kehrt mit seinem aktuellen Programm zu seiner schmuddeligen "Biker, Busen, Büchsenbier"-Vergangenheit zurück.

In "Undressed" treffen sich Unbekannte, ziehen sich aus und legen sich zusammen ins Bett. In "Naked Attraction" begutachten Singles die Geschlechtsorgane der anderen Teilnehmer.

Und in "Love Island" fallen Menschen, für die ein Instagram-Account mit dreistelligen Followerzahlen das Lebensziel ist, übereinander her.

Indes: Die schlüpfrige Zweitbesetzung von "Berlin Tag & Nacht" wollte zunächst nicht so recht. Eine Woche lang tat sie das, was Menschen in Reality-Shows mit 24-Stunden-Kameraüberwachung eben so tun. Reden. Rumliegen. Bräunen. Den Zuschauer langweilen.

Erst ab Woche zwei fiel den Kandidaten offenbar ein, wofür sie RTL2 eingekauft hatte. Die Erkenntnis daraus wiederum: Kein Zuschauer will zwei Wochen lang täglich auf sich hebende und senkende Bettdecken stieren.

Oder sich mit der Kamera zwischen sich verrenkende Leiber schieben.

Ein Finale, um möglichst viele Telefongebühren zu kassieren

Die Bewohner der Trieb-Insel hielt das nicht ab. Sie rotierten zwei Wochen lang durch, bis schließlich die letzten Paare am Montagabend ins große Finale eingezogen sind.

Doch statt die Fleischbeschau so zu Ende zu bringen wie die vergangenen Wochen, also wie das Drehbuch eines Amateurpornos, fanden sich die Zuschauer in einer zweistündigen Wiederauflage des "Bachelor"-Finales wieder.

Auftritt in schlechter Abendgarderobe zu scheußlicher Musik an einem Pool. Liebesschwüre wie: "Ich hatte schon, als ich in New York war, ein Secret und zwar für dich von Victoria's Secret" und "Ich war wie der Blitz, nur ohne Donner".

Spiele wie aus dem Fernsehen der 50er-Jahre, in denen die Paare beweisen mussten, wie gut sie sich nach drei Wochen unter der Bettdecke kennen. Sprich: Ein Finale, das nur dazu diente, die Sendezeit zu füllen, damit die Zuschauer möglichst lang abstimmen konnten.

Wenig überraschend fiel deren Wahl dann nicht etwa auf den selbsternannten "King" Mike und seine Auserwählte mit dem Namen, den wohl nur sie aussprechen kann: Chethrin. Oder die laufende Föhnfrisur Jan und seine Pornokrankenschwester Stephie.

Nein, die Zuschauer wählten das Paar mit der geringsten Halbwertszeit, das sich bereits in der Show mehrmals trennte und wieder versöhnte: Vollkontakt-Tattoo-Werbefläche Jan, mit dem Hang dazu, jede Frau mit seinem endlosen Gerede zum Heulen zu bringen, und Elena, irre spanische Sexbombe, die bereits bei der Erwähnung ihres Namens in Rage geriet.

Ein dysfunktionales Paar für eine ziemlich dysfunktionale Fernsehshow. Dazu verdammt sich direkt nach der Show zu trennen und eine Doku-Soap für RTL2 zu drehen.

Oder im Dschungelcamp zu landen. Schwer zu sagen, was schlimmer ist. Für den Zuschauer im Zweifelsfall: beides.

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