Auf "Die Wanderhure" folgt "Die Ketzerbraut": Sat.1 hat erneut eine Romanvorlage von Iny Lorentz verfilmt. Das Historiendrama übertreibt es aber mit der Schwarz-Weiß-Malerei und überzeichnet die Charaktere. Trotz vieler Schwächen macht "Die Ketzerbraut" dennoch nicht alles falsch.

Andreas Maciejewski
Eine Kritik
von Andreas Maciejewski
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Sat.1 und Verfilmungen historischer Romane: Diese Kombo ging in der Vergangenheit schon häufiger auf. Mit "Die Wanderhure" (2009) begann die Erfolgsgeschichte. 9,75 Millionen Zuschauer wollten den Historienfilm mit Alexandra Neldel in der Hauptrolle sehen. Auch die zwei Fortsetzungen "Die Rache der Wanderhure" (2012) und "Das Vermächtnis der Wanderhure" (2012) waren erfolgreich.

Die drei Filme basieren auf den Romanvorlagen von Iny Lorentz. Hinter diesem Pseudonym stecken die Autoren Iny Klocke und Elmar Wohlrath. Nun setzt der Sender bereits zum vierten Mal eine Geschichte des Schriftstellerehepaars fürs Fernsehen um: "Die Ketzerbraut" mit Nachwuchs-Star Ruby O. Fee in der Hauptrolle läuft am 14. Februar um 20:15 Uhr auf Sat.1. Auch der Regisseur der "Wanderhure"-Reihe, Hansjörg Thun, ist wieder mit an Bord. Da kann doch nichts schiefgehen, oder?

Ruby O. Fee ist "Die Ketzerbraut"

Die Kaufmannstochter Veva (Ruby O. Fee) wächst 1518 wohlbehütet in München auf – bis ihre Familie ermordet und sie selbst von mehreren Männern vergewaltigt wird. Erst verdächtigt Veva die sogenannten Ketzer, so bezeichnet die Kirche eine rebellische Gruppe rund um Martin Luther. Dessen kirchenkritische Thesen sind den Katholiken – allen voran Pater Johann von Perlach (Paulus Manker) – ein Dorn im Auge. Doch der Pater ist selbst eine zwielichtige Gestalt.

Wem kann Veva jetzt vertrauen? Auch ihr Jugendfreund Ernst Rickinger (Christoph Letkowski) scheint nicht die Person zu sein, die sie vorgibt.

"Die Ketzerbraut" unterteilt die Darsteller von Anfang an unmissverständlich in Gut und Böse. Vor allem die Bösewichte überzeichnet der Film. Pater von Perlach wird meist bei Nacht oder in dunklen Räumen gezeigt. Er schreit, schimpft und zetert. Ein Widerling vor dem Herrn. Selbst als er um sein Leben rennen muss, läuft er mit einer schweren Schatztruhe in den Händen vor einem wütenden Mob davon. So habgierig ist er.

Der Typ da ist übrigens ein ganz Böser!

Und taucht ein neuer zwielichtiger Charakter auf, macht der Film sofort klar: Der Typ da ist übrigens ein ganz Böser! So nehmen Veva und ihr Bruder Bartel (Manuel Mairhofer) einen Pilger mit auf eine Reise. Übertrieben schicksalhafte Musik ertönt. Damit auch wirklich jeder versteht: Das war keine gute Idee! Und siehe da: Wenig später bringt er Vevas Bruder und die restlichen Mitreisenden um.

Durch diese Schwarz-Weiß-Malerei verschenkt der Film viel Potenzial für Spannung. Was verbirgt Ernst? Und kann Veva Walpurga (Elena Uhlig), der Frau des Ritters von Gigging, trauen? Der Hauptfigur erschließen sich deren Geheimnisse erst nach und nach. Doch der Zuschauer erfährt bereits vorher, dass sie Ernst vertrauen kann. Und dass Walpurga versucht, Veva reinzulegen. Ein wenig mehr Geheimniskrämerei hätte "Der Ketzerbraut" gutgetan. So bleibt die Geschichte leider vorhersehbar.

Schade eigentlich, da die Atmosphäre der Historienverfilmung sonst stimmig ist. Die historischen Städte München und Augsburg versprühen Authentizität, obwohl der Film an ganz anderen Orten in Deutschland, Österreich und Tschechien gedreht wurde. Die Orte sind jedoch liebevoll ausgewählt und übermitteln mittelalterlichen Charme.

Eine glaubwürdige Darstellung der Hauptfigur Veva

"Die Ketzerbraut" überzeugt auch durch die Hauptdarsteller Ruby O. Fee und Christoph Letkowski. Allen voran der Nachwuchs-Schauspielerin nimmt man die Wandlung vom gottesfürchtigen Fräulein zur rebellischen Rächerin ab. Ausdrucksstark vermittelt sie Vevas Schmerz, ihre Familie verloren zu haben. Vor allem eine Szene im Kerker bleibt hängen, in der sie gegen ihre Peiniger mit purer Verachtung wütet.

Mit den Folgen der Vergewaltigung hat Veva spürbar zu kämpfen. "Jetzt bin ich die Eine, deren Körper mehr Dreck an sich hat, als das niederste Vieh im Stall", zischt sie Ernst zu, während sie sich sträubt und windet, als er sie berühren will. Eine glaubwürdige Darstellung.

Es menschelt statt kitschig zu werden

Trotz aller Schwächen: "Die Ketzerbraut" gehört im Wust vieler mäßiger TV-Produktionen dennoch zu den gelungeneren. Bei historischen Fernsehfilmen ist die Gefahr oft hoch, ins Kitschige abzudriften. Mit diesem Problem hat "Die Ketzerbraut" nicht zu kämpfen. Die wenigen romantischen Momente sind wirkungsvoll dosiert. Sie erfüllen ihren Zweck, die Hauptdarsteller noch menschlicher erscheinen zu lassen.

Für Ruby O. Fee ist es die zweite große TV-Hauptrolle in einem Historienfilm nach "Das Geheimnis der Hebamme" (2016). Es wird nicht die letzte der erst 21 Jahre alten Schauspielerin sein.

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