Götz George spielt seinen eigenen Vater, den großen Schauspieler Heinrich George - und scheitert an der Rolle. Das Problem dabei: Wenn der Hauptdarsteller versagt, dann ist der Film selbst auch kaum mehr zu retten. Trotz einiger guter Ansätze und einer zweifellos hochinteressanten Geschichte, die er zu erzählen hat.

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Bereits vor der Ausstrahlung von "George" am 22. Juli bei Arte und am 24. Juli in der ARD sorgte der Film für eine ganze Reihe von Diskussionen: Der Filmproduzent Artur Brauner findet, Götz George glorifizierte seinen Vater darin und versuche, die Rolle, die Heinrich George zur Zeit der Nazi-Herrschaft gespielt hat, zu verklären.

Götz George selbst kritisierte die Ausstrahlung des Films im Hochsommer und im Spätprogramm: "Im Sommer wird es kein Mensch sehen wollen."

Genug PR also, um dem Film eine große Bühne zu bereiten. Und es klingt ja auch vielversprechend: Götz George spielt seinen Vater Heinrich in dessen letzten Jahren ab der Machtergreifung der Nationalsozialisten bis zu seinem Tod im sowjetischen Straflager Sachsenhausen. Die Spielszenen werden ergänzt durch alte Aufnahmen Georges und Interviews mit Zeitzeugen, Freunden und Bekannten Heinrich Georges.

Ein Verhör durch einen sowjetischen Offizier bietet den Rahmen für "George". Hier versucht sich der Schauspieler dafür zu rechtfertigen, dass er in einer Reihe nationalsozialistischer Propagandawerke wie "Jud Süß", "Hitlerjunge Quex" oder "Kolberg" mitwirkte: Die Schauspielerei sei eben sein Leben gewesen - und wenn das die einzige Möglichkeit war, diesem Beruf nachzugehen, dann hatte er eben keine andere Wahl.

Tatsächlich versammelte Heinrich George am Schillertheater in Berlin - zu dessen Intendant ihn Reichspropagandaminister Goebbels höchstpersönlich ernannt hatte - eine ganze Reihe Schauspieler und Theatermacher, die jüdische Vorfahren besaßen und hier ihre womöglich einzige Chance auf Arbeit fanden. Er war befreundet mit den Malern Otto Dix und Max Beckmann, die als Schaffer von "entarteter Kunst" von den Nazis drangsaliert wurden.

Gleichzeitig ließ sich George aber wiederholt von den Nazis für ihre Zwecke missbrauchen. Als Goebbels im Sportpalast von Berlin die Menge fragte "Wollt ihr den totalen Krieg?" saß er im Publikum und applaudierte ...

Interessante Fragen ohne einfache Antworten

Der Film spürt interessanten Fragen nach und vermeidet es, einfache Antworten zu geben. Und dennoch ist es ein eher verdrießliches TV-Erlebnis - vor allem wegen Götz George in der Hauptrolle.

Vielleicht gibt es ja tatsächlich keinen anderen Schauspieler, der die Rolle des Heinrich Georges übernehmen könnte. Und welcher Regisseur oder Produzent würde es wagen, dem großen Götz George den Wunsch zu versagen, seinen eigenen Vater zu spielen? Nur dummerweise spielt Götz George nicht seinen Vater, sondern er bleibt seinem eigenen Stil treu. Er nuschelt sich durch seinen Text und starrt immer wieder leer in die Ferne, wie er es schon dutzendfach im deutschen TV getan hat.

Besonders deutlich wird der Unterschied zwischen Original und Fälschung, wenn die alten Ausschnitte vom echten Heinrich George eingespielt werden. Die starke Stimme, das Ehrfurcht gebietende Auftreten - all das fehlt in der Darstellung von Götz George. Vor allem im letzten Drittel leidet der Film unter der Trägheit seines Hauptdarstellers.

Die restlichen Darsteller bieten großteils solide Leistungen - Muriel Baumeister als Georges Ehefrau Berta Drews etwa spielt sich tapfer durch teilweise arg gestelzte Dialoge, der großartige Hanns Zischler hat als Max Beckmann leider viel zu wenig Zeit, wirklich glänzen zu können und Martin Wuttke zeigt als Joseph Goebbels einmal mehr, wieso er im Moment erste Wahl zu sein scheint, wenn es um die Darstellung von Nazi-Größen geht - bei Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds" spielte er Adolf Hitler, in "Rosenstraße" schon einmal Joseph Goebbels.

Der größte Moment gelingt dennoch Götz George

Am Ende gelingt der größte Moment des Films dennoch Götz George. Allerdings nicht in der Rolle seines Vaters, sondern als Zeitzeuge, der gemeinsam mit seinem Bruder Jan den Raum besucht, in dem Heinrich George 1946 starb. Als der Regisseur beim Blick auf einen Leichentisch mit dem Satz "Da hat er gelegen" versucht, Götz George zum Sprechen zu ermuntern, antwortet der sichtlich mitgenommen: "Da musst Du mich jetzt nichts fragen" und man sieht ihm in diesem einen Moment all den Kummer an, den ihm die Geschichte seines Vaters bis heute bereitet.

Da zeigt sich dann auch das ganze Dilemma des Films und seines Hauptdarstellers: Vielleicht war Götz George emotional einfach zu involviert, um die Rolle zu spielen. Vielleicht wäre ein anderer Schauspieler dem großen Vorbild eher gerecht geworden. Leider werden wir das aber nicht erfahren.

"George" läuft am Montag, 22. Juli um 20.15 Uhr bei Arte und am Mittwoch, den 24. Juli um 21.45 Uhr in der ARD.

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