Nach Jahren der Bedeutungslosigkeit ist "Germany’s Next Topmodel" wieder in allen Medien vertreten. Das liegt vor allem an einer neuen Welle des Widerwillens, die auf die Sendung herabprasselt. Die Kritiker übersehen dabei einen entscheidenden Aspekt: GNTM ist nicht das echte Leben.
"Germany’s Next Tomodel" ist wieder wer. Nein, natürlich ist das Casting-Format noch immer keine intelligente Fernsehshow, geschweige denn eine unterhaltsame Sendung. Aber die Modelsuche ist nach Jahren des Ignorierens wieder überall präsent. Egal ob seriöse Presse oder Boulevard, es wird berichtet, was der Laufsteg hergibt. Positiv sind die Urteile selten, doch sie erfüllen ihren Zweck: Die Quoten sind trotz des neunten Jahres auf Sendung stabil.
Es wäre natürlich jetzt ein Leichtes, die Bombendrohung während des live übertragenen Finales vor einigen Wochen dafür verantwortlich zu machen. Oder die Inszenierung der Show. Doch die war in Staffel zehn genauso lieblos wie in den Jahren zuvor. Nein, was "Germany’s Next Topmodel" zurück ins Gespräch brachte, ist Hass.
GNTM ist keine Dokumentation
"Die Sendung ist eine perverse, niederträchtige, menschenverachtende Geldmaschine, die kapitalistische Krönung von Sexismus und Neoliberalismus in Form von Frauendressur mit Product Placement", schrieb etwa die "taz" - und das ist noch einer der freundlicheren Sätze im Artikel. In eine ähnliche Kerbe schlugen auch "Süddeutsche.de" ("Häme, wem Häme gebührt") und "Welt.de" ("Abbruch war das Beste, was 'GNTM' passieren konnte"). Befeuert durch eine Studie, die herausfand, dass Klums Format zu Essstörungen bei Mädchen beitragen könne.
Natürlich haben alle recht. GNTM ist sexistisch, frauenfeindlich, menschenverachtend. Aber sie übersehen den wichtigsten Faktor: "Germany’s Next Topmodel" ist keine Dokumentation. Hier wird kein echtes Leben abgebildet. Es ist ein Unterhaltungsformat, das Illusionen verkauft. Wie man die findet, ist eine ganz andere Sache. Wer GNTM aber ernsthaft all diese Dinge vorwirft, verleiht dem Modelreigen mehr Bedeutung, als ihm zusteht.
Klischees müssen überzeichnen
Die Show ist kein Spiegel unserer Gesellschaft. Sie inszeniert Klischees und Stereotypen. Und die funktionieren nur, wenn man sie grell überzeichnet. Das ist bei jeder Trash-TV-Show so. "Der Bachelor", das "Dschungelcamp", "Deutschland sucht den Superstar" - wählen Sie das Format Ihres Vertrauens. Also zicken sich die Mädchen bei GNTM an, "weil Frauen eben so sind". Nicht, weil das wirklich ihrem Charakter entspricht, sondern weil die Produktionsfirma sie aus den endlosen Stunden des aufgezeichneten Materials zu klischeehaften Fernsehcharakteren formt: die Zicke, die Schüchterne, die Vorlaute usw. Täte sie dies nicht, sähen die Zuschauer von "Germany’s Next Topmodel" das Gleiche wie bei den Live-Cams von "Big Brother": Menschen, die 24 Stunden am Tag auf der Couch sitzen und Müsliriegel futtern. Eine quälende Vorstellung. Wer dem Zuschauer nicht zutraut, das zu durchschauen, beleidigt seine Intelligenz.
Sind also die Fernsehbosse die wahren Schuldigen? Weil sie aus naiven Mädchen bösartige Zicken formen? Und uns ein Frauenbild vermitteln, dass antiquiert, ja verletzend ist? Nein. Nach zehn Jahren auf Sendung kann sich keine Teilnehmerin mehr damit herausreden, dass sie vorher nicht wusste, wie sie in der Show dargestellt wird. Sie haben diesen Weg bewusst gewählt. Und der Zuschauer hat bewusst eingeschaltet. Nicht mit dem Ziel, etwas über die Stellung der Frau in unserer Gesellschaft zu lernen, sondern um unterhalten zu werden.
Dass hier nicht das "richtige Leben" abgebildet wird, ist den Zuschauern klar. Mit dem "richtigen Leben" hat GNTM rein gar nichts zu tun. Weder Ihrem, noch meinem, noch dem irgendeines anderen Lebewesens. Nicht einmal dem eines Models. Es ist alles eine Illusion. Das wirkliche Problem ist: Es ist eine verdammt langweilige und einfallslose Illusion.
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