"Zwei Familien – zwei Welten" - eine neue Sozial-Doku bei RTL II - bringt Familien zusammen, die einander im realen Leben wohl kaum näher kennenlernen würden. Das kann, so wie am Dienstagabend, durchaus auch harmonisch ablaufen. "Superschlaue" Tipps und missionarischer Eifer blieben den Sozialhilfe-Empfängern jedoch nicht ganz erspart.
Wenn Wohlstand und Hartz IV, Überfluss und Mittellosigkeit aufeinanderprallen, zieht das schon mal Konflikte nach sich. Ein Potenzial, das RTL II bereits das eine oder andere Mal mit Erfolg ausgenutzt hat.
Mit der Sozial-Doku "Zwei Familien – zwei Welten", die am Dienstagabend erstmals über die Bildschirme flimmerte, nahm der Sender einen neuerlichen Anlauf in ein im TV beliebtes Spannungsfeld. Für zwei Monate mussten zwei Familien in das Leben der jeweils anderen eintauchen.
Betuchte Bremer und verschuldete Bremerhavener
Die wohlhabende Bremer Zahnarzt-Familie Michalides, bestehend aus Vater Milan (44), Mutter Emanuela (34) und den Kindern Mia (7) und Benedict (4) stellte sich ebenso diesem Sozialexperiment wie die alles andere als betuchten Scholls aus Bremerhaven, konkret: Vater Patrick (32), Mutter Natalie (32) sowie Nachwuchs Jaysen (13) und Alina (9).
Während die Vermögenden ein Leben in einem großen Haus mit eigenem Fitnessstudio und großzügigem Schwimmteich führen, muss sich die "Hartz IV"-Familie mit 74 Quadratmetern und monatlich 474 Euro netto begnügen. Obendrein belasten 12.000 Euro Schulden deren Dasein.
Der Grund: Patrick, gelernter Schornsteinfeger, konnte nach einem Tumor hinter dem Auge nicht mehr in seinen Beruf zurück. Auch 25 Kilo habe er zugelegt seit der Krankheit. "Wer sich kein vernünftiges Essen leisten kann, ernährt sich definitiv schlechter", so der 32-Jährige.
Klare Ansage vor dem Treffen: "Ich hasse Zahnärzte"
Die Erwartungen waren jedenfalls, zumal das Format ja auch auf RTL II lief, schwer auf Trash programmiert. Dass Natalie auf der Fahrt zum ersten Treffen mit der Familie Michalides noch ein "Ich hasse Zahnärzte" entfuhr, versprach ebenso einiges.
Was zunächst positiv überraschte, war die Tatsache, dass der Promi-Zahnarzt in seiner 3,5-Millionen-Praxis regelmäßig die Zähne von Bremer Obdachlosen unentgeltlich saniert. "Keiner kümmert sich um diese Menschen am Rande der Gesellschaft", so Milan über seine Beweggründe für sein soziales und feines Engagement.
Klar vergaß der 44-Jährige zwischenzeitlich auch nicht völlig, standesgemäß zu posen – etwa als er uns den gut besuchten Weinkeller stolz präsentierte oder wir den insgesamt 1.600 PS starken Fuhrpark zu sehen bekamen.
Das Gegenteil von "gut" ist "gut gemeint"
RTL II hatte in jedem Fall tolle Vorarbeit geleistet und die Rollen gut besetzt, denn rein optisch kamen die beiden Familien den gängigen Klischees schon sehr nahe. Da das übergewichtige und in Billigklamotten gehüllte "Hartz IV"-Pärchen, dort das durchtrainierte Zahnarzt-Duo, das monatlich schon mal einen vierstelligen Betrag in Textilien investiert.
Und dennoch: Man näherte sich an, und nach und nach gingen alle Berührungsängste verloren, wenngleich die "schlauen" Tipps und das Evangelisieren der Michalides die "Hartz IV"-Empfänger schon mal ein wenig unbedarft aussehen ließen.
Emanuelas Suche nach Dickmachern in der "‚Hartz IV‘-Küche" etwa, die sie auf fettige Würstchen, böses Paniermehl und schreckliche Hähnchenkeulen stoßen ließ, kam einer Erniedrigung schon sehr nahe. Der fette Weichkäse? Absolutes No-Go natürlich!
Vorurteile, Klischees und eine Vollnarkose
Auch nicht sonderlich schön war Milans Aussage, nachdem Natalie mit ihren roten Haaren aufgetaucht war: "Ich hab noch heute zu meiner Frau gesagt: ‚Ich wette, die hat rote Haare‘".
Später legte das Muskelpaket noch einmal nach: "Ich würde mal schätzen, dass 80 Prozent der Deutschen in einer Wohnung mit orangenen Wänden und blauem Sofa wohnen." Ehefrau Emanuela fand den Auswurf des Gemahls weniger gut: "Mein Mann ist mitunter ein bisschen übertrieben. Ich schäme mich manchmal ein wenig!", so die 34-Jährige.
Natalie stand noch ein zweites Mal im Mittelpunkt. Und zwar als Milan der Angstpatientin eine rund 500 Euro teure Vollnarkose schenkte, um sie von einem schmerzhaften Zahn zu befreien.
Auch ein Natalie immer schon lästiges Muttermal unter der Nase wurde bei dieser Gelegenheit von einem Freund Milans, einem Schönheitschirurgen, entfernt. Läuft doch!
Harmonie, Tränen sowie Bock auf Cola und Pommes
Die weiteren Treffen liefen im Wesentlichen harmonisch ab. Für Zahnärztin Emanuela, die ebenso in ärmeren Verhältnissen aufgewachsen ist, wurde es in der "Kleiderbörse", wo Familie Stoll regelmäßig günstige Klamotten bezieht, ziemlich emotional.
"Ich hab mir einst in so einem Laden meine erste ‚Levi’s 501‘ gekauft", so die 34-Jährige, während ihr ob des Flashbacks die Tränen über die Augen kullerten.
Dass Gesundheitsapostel Milan bei einem Ausflug in den Zoo, für den die Stolls eigens Picknick-Pakete geschnürt hatten, ausgerechnet Cola und Pommes ordern wollte, war nach dessen unzähligen Zeigefingern in Sachen Ernährung doch einigermaßen seltsam.
"Extrem weinerlicher" Song soll YouTube-Hit werden
Was sich uns Zusehern erst gegen Ende offenbarte: Tausendsassa Milan haut auch noch regelmäßig in die Tasten, singt dazu und komponiert eigene Songs.
Und als echter Oberchecker ließ er gleich die ganze Familie Stoll antanzen, um mit den Sozialhilfe-Empfängern ein Video zu einem eigens für sie komponierten Song zu drehen.
Obwohl Patrick mit der Nummer wenig anfangen konnte ("Mir persönlich gefällt Milans Stimme da drin nicht, er macht einen auf extrem weinerlich"), legte er sich beim Dreh mächtig ins Zeug.
Das Ergebnis? Gar nicht mal so gut! Sollte es auf YouTube aber wider Erwarten viele Klicks bringen, will Milan die Kohle mit den Stolls teilen.
Zwei große Überraschungen für die Stolls zum Schluss
Am Ende des Formats regnete es dann auch noch Geschenke. Die Michalides schenkten den Stolls, die als Familie noch nie auf Urlaub waren, einen Gutschein für eine Ägyptenreise, was jetzt wiederum bei Natalie die Tränen laufen ließ.
Darüber hinaus bot Zahnarzt Milan dem arbeitslosen Patrick noch den Geschäftsführer-Posten für einen Pancake-Laden in Bremerhaven an. In Bremen lässt er ein solches, an seine Ordination angeschlossenes Café, gerade bauen.
"Dann lass uns das machen", antwortete Patrick überraschend emotionslos. Auch Ehefrau Natalie hielt sich nicht lange mit Dingen wie Freude oder Begeisterung auf und fand die Idee "in Ordnung".
Ob diese auch tatsächlich in die Umsetzung geht und keine blanke Inszenierung war, wird man sich anschauen müssen. Nicht weiter interessieren muss uns, warum ein Zahnarzt süße Pancakes vertreiben will.
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