Die Alien-Filme sind Abrechnungen mit der Menschheit. Im sechsten Teil erscheinen wir als diejenigen, die wegmüssen. Und eine Maschine ist der Richter.
Wenn in Ridley Scotts Alien-Filmen ein fast unbesiegbares Überwesen gnadenlos eine Raumschiffbesatzung dezimiert, geht es niemals bloß um Grusel und Schauwert. Es geht immer um die Zukunftschancen der gesamten Menschheit. Dem sechsten Teil zufolge waren diese noch nie so schlecht. Sind wir es wert, gerettet zu werden - das ist der philosophische Subtext manchen Horrorfilms. "Alien: Covenant" antwortet: Nein, wir haben uns unseren Untergang redlich verdient.
Kronzeuge dafür ist der Android David (
Der künstliche Mensch sieht die Schwächen und Erkenntnisschranken seines Schöpfers sofort, weil er sie selbst nicht hat. Trotzdem dient der unsterbliche Android seinem Meister bis zu dessen Tod.
Protomenschen bauen Protoweizen ab
Nicht immer lässt Mutter Natur menschliche Schwächen so ungestraft. Das wird zehn Jahre nach dem Unglück der "Prometheus" am Beispiel des Kolonistenschiffs Covenant durchgespielt. Wie einst die Siedler in Nordamerika soll das Schiff mit 2000 tiefgefrorenen Pionieren und dem Androiden Walter (ebenfalls dargestellt von Michael Fassbender) an Bord eine neue Welt urbar machen.
Der Funkspruch einer Frau, die John Denvers "Country Roads" singt, lenkt die Crew auf einen viel näheren Planeten, der sich ihnen als Paradies darstellt.
Sie treffen dort nicht nur den mit der "Prometheus" verschollenen David, der in zehn Jahren Müßiggang zum Flöte spielenden Renaissance-Androiden geworden ist. Es gibt dort auch Vorformen des Aliens aus dem später angesiedelten Originalfilm von 1979 sowie eine Art Protomenschen, die Protoweizen anbauen.
Und der Android lässt eine deutliche Sympathie erkennen für die seines Erachtens perfekte Spezies mit der gepanzerten Haut, der zahnbewehrten Zunge und dem Blut, das sich durch Stein und Metall ätzt. Im Gedächtnis bleibt eine Szene, in der beide voreinander stehen, sich als einander ebenbürtig erkannt haben und auf Aliensprech miteinander reden.
Michael Fassbender ist die perfekte Besetzung
Wie die Crew um den autoritätsschwachen Kapitän Oram (Billy Crudup) über ein gigantisches Forum mit Knäueln verkohlter Menschen- und Alienleichen stolpert, wie David vor einer Toteninsel-artigen Kulisse mit Shelley-Zitaten um die Androidenseele seines Nachfolgers Walter ringt, all das ist höchst ikonisch. Obwohl es weitgehend aus dem Computer kommt, der Abspann listet viele Hundert Effektspezialisten.
Gefragt wird ganz grundsätzlich: Was ist menschlich? Einen Teil der Antwort gibt der Android. Als die überlebende Daniels ihn nach seiner Meinung über den neuen Planeten fragt, sagt er vieldeutig: "Ich denke, wenn wir gütig sind, wird es eine gütige Welt sein."
Das ist großartig gespielt. Multitalent Michael Fassbender ist die perfekte Besetzung für die undurchsichtigen Androiden. Ihre Neugier, ihre Erkenntnisse, ihre androiden Empfindungen – alles verfolgt man darin aufs Feinste.
Nach "Alien: Covenant" kommt "Blade Runner 2049"
Dass man künstlichen Menschen nicht trauen soll, weiß man seit dem ersten Alien-Film. Doch wenn man dieses Gesicht ansieht, weiß man gar nichts mehr sicher, denn darin finden sich für jeden möglichen Fortgang Hinweise.
Ebenso intensiv verkörpert die aufstrebende Katherine Waterston (bekannt aus "Inherent Vice") die mitleidsvolle und mitleiderregende Daniels, die mit ihrem instinktiven Argwohn gegenüber jener neuen Welt völlig recht behält und in deren großen wässrigen Augen sich jeder einzelne Trauerfall vielfach vergrößert spiegelt. Der sechste "Alien" ist in Summe sehr gut und gibt der Reihe einen interessanten Weiterdreh.
Dabei ist er natürlich zu schlau, sich selbst auszuerzählen. Offen lässt er zum Beispiel die Frage, was es mit den Vormenschen auf jenem Planeten auf sich hat. Und mit seiner Frage, ob auf zu eigenständig denkende Androiden dümmere folgen werden, weist er thematisch bereits stark auf "Blade Runner 2049" hin. Das wird nämlich im Herbst der zweite große Scott-Film in diesem Jahr. © dpa
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