Helene Fischer ist kaum 30 Jahre alt, da erscheint bereits die erste Biographie über ihr Leben. Sie selbst war an dem Buch nicht beteiligt. Trotzdem enthüllt es - angeblich - prekäre Details. Etwa, dass die Sängerin ursprünglich eine ganz andere Karriere einschlagen wollte.
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Da erfährt der Leser nämlich, dass Helene Fischer am liebsten Musical-Darstellerin geworden wäre. Vielleicht auch Popstar - mit englischsprachigen Texten. So weit so harmlos. Dann legte ihr ein Manager nahe, es mit deutschem Schlager zu probieren: "Doch was der vorschlug, entsprach so gar nicht ihren Träumen und Vorstellungen. [...] Helene Fischer zweifelte - und weinte. [...] Wollte sie sich von ihren Plänen und Träumen verabschieden?" Hat die allseits geliebte und unlängst sogar mit der goldenen Superhenne ausgezeichnete "Königin des Schlagers" am Ende gar keinen Bock auf das, was sie da macht?
Diesen Verdacht legt Conrad Lerchenfeldt, der die Biographie veröffentlicht hat, zumindest nahe. Worauf sich der Autor genau stützt, wenn er derartige Informationen aus dem Leben der Sängerin preisgibt, ist allerdings nicht ersichtlich. Denn Helene Fischer selbst war an der Entstehung überhaupt nicht beteiligt, hat das Buch nicht autorisiert. Nach dem vermeintlichen Hammer gleich zu Beginn erschöpfen sich die sensationellen Details sodann auch nach wenigen Seiten.
Was folgt ist eine vage Nacherzählung von Helene Fischers Kindheit, eine kurze Familienhistorie sowie ein Exkurs zur Geschichte der Wolgadeutschen. Immerhin wurde die Sängerin in Sibirien geboren. Das ist nichts Neues. Und die "Raver-Phase", die Helene Fischer während ihrer Schulzeit durchlief, beichtete sie selbst in einem Interview von 2013 schon. Inklusive Buffalos. Ach ja, während ihrer dreijährigen Ausbildung zur Musical-Darstellerin gab sich Fischer "manchmal so verrückt, dass hinterher Beschwerden vonseiten der professionellen Schauspieler kamen." Allerdings hatte sie sich da "bei ihren Lehrern bereits einen guten Ruf erarbeitet." Also alles halb so wild.
Schnell entwickelt sich das Buch zu einer nicht enden wollenden Nacherzählung von Erfolgen und öffentlichen Auftritten. Etwa bei "Stars in der Manege": "Statt auf dem Boden des Zirkusrunds vielleicht eine halbherzige Jonglagenummer vorzuführen oder sich in der Rolle des Clowns zu präsentieren, wählte Helene Fischer die Königsdisziplin: Luftakrobatik…" - Dann bekam Helene Fischer diesen Preis und wenige Monate später jenen. In Interview A sagte sie dies, in Interview B jenes. Bei der Moderation zur Bambiverleihung 2013 verhaspelte sie sich am Ende aber das zeigt nur, dass selbst eine Helene Fischer "nicht frei von Fehlern" ist.
So plätschert Seite um Seite dahin und der Leser erfährt kaum etwas, was er nicht schon aus "Bild", "Gala" und Co. wüsste. Weil die Sängerin selbst mit der Biographie ja nichts zu tun hat, bleibt die Suche nach privaten Einblicken vergebens. Um die Seiten zu füllen streut Lerchenfeldt an den verschiedensten Stellen wahllos Kurzbiografien ein. Von Personen, die Helene Fischers Karriere auf die ein oder andere Art und Weise begleiteten. Ihr Freund Florian Silbereisen zum Beispiel, Kristina Bach oder Manager Uwe Kanthak.
Sogar der Lebenslauf von Irma Holder wird in den Fokus gerückt. Die Schlagertexterin steuerte fünf Titel zum Debütalbum Helene Fischers bei. Was der Autor dazu zu sagen hat, gehört zu den wenigen und vermutlich unfreiwillig komischen Highlights des Buches: "Werden diese Titel gesungen, dann glauben die Fans ihrer Helene jedes Wort und sehen beim Hören der CD das Bild der Sängerin vor sich […] Irritierend wird die Sache jedoch, wenn das Kopfkino auf die Realität trifft. Und zwar auf jene Person, die diese Worte geschrieben hat. Dann würde der eben noch verzückt an Helene Fischers Antlitz denkende Zuhörer nämlich mit dem Bild einer mittlerweile achzigjährigen Dame konfrontiert."
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