In der Komödie "Engel mit beschränkter Haftung" schlüpft Harald Krassnitzer in die Rolle eines Schutzengels, der seiner Aufgabe nach über 30 Jahren zunehmend überdrüssig ist.

Ein Interview

Im Interview mit unserer Redaktion erklärt der Österreicher, warum er weniger an Schutzengel als an die menschlichen Fähigkeiten glaubt. Zudem spricht der 64-Jährige über die Zusammenarbeit mit seiner "Tatort"-Partnerin Adele Neuhauser und verrät, wie er mit seiner Frau, der Schauspielerin Ann-Kathrin Kramer, die Weihnachtszeit verbringt.

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Herr Krassnitzer, haben Sie sich vor Ihrem Mitwirken an dem Film "Engel mit beschränkter Haftung" (am 04.12. um 20.15 Uhr im Ersten) jemals Gedanken darüber gemacht, ob auch Schutzengel an einem Burnout erkranken können?

Harald Krassnitzer: Wir leben in einer Welt, die tagtäglich Kopf steht und nahezu sekündlich nach Schutzengeln schreit. Wenn man also schon das Gefühl hat, dass ganze Gesellschaftsblöcke am Rande ihrer Möglichkeiten sind, dann muss man einfach davon ausgehen, dass auch Schutzengel, wenn es sie denn gäbe, einen Burnout bekommen können. Im Übrigen gefällt mir die Variante, eine Parallelwelt genau so darzustellen. Unserem Autor Uli Brée ist hier eine schöne Spiegelung geglückt.

Haben Sie persönlich bereits Situationen erlebt, die Sie an einen Schutzengel haben glauben lassen?

Ich glaube, dass dieser berühmt-berüchtigte Schutzengel, den wir immer zitieren, wenn etwas gerade nochmal gut gegangen ist, ein Synonym für ein Bewusstsein ist, das uns in solchen Situationen plötzlich ereilt. Gleichzeitig ist es eine Art Schockbewältigung. Meistens geht dem ein Reflex voraus. Man springt in letzter Sekunde zur Seite oder reißt im letzten Moment das Ruder noch herum – verbunden mit der anschließenden Erkenntnis: Das war jetzt aber knapp! Im Nachhinein wird uns also bewusst, dass die Situation auch anders hätte ausgehen können. Insofern glaube ich weniger an Schutzengel als an unsere Fähigkeiten.

Moral ist bekanntlich nicht immer der beste Ratgeber.

Harald Krassnitzer

Sie spielen den Schutzengel Oskar, der mit seinem Lehrengel Mira (gespielt von Maresi Riegner) einen Kleinkriminellen beschützen muss. Soll damit zum Ausdruck gebracht werden, dass jeder Mensch eine zweite Chance verdient hat?

Das ist das wohl größte Dilemma, das in Oskar schlummert. Denn er gerät die ganze Zeit, also seit nunmehr über 30 Jahren, andauernd in die Situation, Menschen retten zu müssen, die im Allgemeinen nicht unbedingt als die Lichtgestalten der Gesellschaft gelten. Offensichtlich hat jeder Mensch einen "Schutzvertreter". Irgendwann kommt dann auch ein Schutzengel, der eben nicht nur Kinder und nette, alte Damen zu schützen hat, an einen Punkt, an dem er die Nase voll hat. Hier bewegen wir uns ein Stück weit auf dünnem Eis, weil wir mit Moral kommen. Moral ist bekanntlich nicht immer der beste Ratgeber, aber es ist eine schöne Annahme.

Was das Erscheinungsbild angeht, kommt Oskar etwas "abgerockt" daher. Hatten Sie eine Vorstellung davon, wie solch ein alternder, ausgelaugter Schutzengel auszusehen hat?

Es war mehr oder minder ein Gemeinschaftsprodukt. Wir wollten auf keinen Fall das Klischeebild des langen, lockigen Haars mit wallenden Kleidern und großen Engelsflügeln bedienen. Vielmehr haben wir uns mit der Frage beschäftigt, wann man diesen Schutzengel-Status eigentlich bekommt. Uns erschien es plausibel, dass dies kurz nach dem Tod geschehen müsste. Daraus ergibt sich in der Engelzentrale ein Wimmelbild der unterschiedlichsten Menschen, die nun als Schutzengel tätig sind – oder gerade den Antrag abgeben, um ein Schutzengel zu werden. Sie erscheinen also in der Gestalt, in der ihr Aggregatwechsel vollzogen worden ist. Während eine Person im Taucheranzug erscheint, hat sich Oskar offensichtlich dermaßen auf die Klappe gelegt, dass seine Frisur ordentlich verrutscht ist. Und die bleibt dann auch so.

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Hat es Ihnen gutgetan, neben den "Tatort"-Dreharbeiten auch mal in solch eine romantisch-fantasievolle Welt der Vorweihnachtskomödien eintauchen zu dürfen?

Dieser Film ist tatsächlich etwas komplett anderes. Wenn du dann noch Leute wie Uli Brée (Drehbuchautor), Dirk Kummer (Regisseur) oder Maresi Riegner, die den Lehrengel spielt, an deiner Seite hast, dann gehst du einfach jeden Tag mit großer Freude an die Arbeit. Die Dreharbeiten fühlten sich quasi wie ein Bastelersatz in der Vorweihnachtszeit an. Du sitzt mit netten Menschen zusammen, erzählst dir Geschichten und im Endeffekt kommen dann schöne Gegenstände wie Strohsterne oder ein Christbaumschmuck dabei heraus. So ungefähr muss man sich das vorstellen.

"Ganz ruhig und gemütlich": Wie Weihnachten bei Harald Krassnitzer gefeiert wird

Nehmen Sie sich denn mit Ihrer Frau Ann-Kathrin Kramer vor Weihnachten die Zeit, um Sterne zu basteln oder Plätzchen zu backen?

Das ist kein Thema mehr bei uns, zumal unser Kind bereits aus dem Haus ist. Hinzu kommt, dass gerade in diesem Jahr wieder viel zu tun ist. Insofern haben wir gar keine Aussicht auf vorweihnachtliche Stimmung – mit Ausnahme von ein paar Weihnachtslesungen. Auf diese Abende freut man sich ganz besonders. Wir sind viel unterwegs, und wenn wir dann zu Hause ankommen, sind wir froh, die Füße hochlegen zu können. Dem Vorweihnachtsstress gehen wir aus dem Weg.

Beginnt Weihnachten für Sie erst, wenn die ganze Familie an Heiligabend zusammenkommt?

Genau, aber ganz ruhig und gemütlich. Während andere mit riesigen Tüten voller Geschenke durch die Gegend hetzen, sitzen wir entspannt in der Küche und bereiten das Essen vor. Am Abend kommen dann Verwandte und Freunde vorbei und wir schauen einfach, was die Zeit bringt.

Krassnitzer über "Tatort" mit Rap-Einlagen: "Wir nehmen uns nicht allzu ernst"

Mit Blick auf das "Tatort"-Jahr 2024 werden viele Zuschauer die rappenden Kommissare Bibi Fellner und Moritz Eisner in Erinnerungen behalten. Wie blicken Sie auf Ihre Hip-Hop-Einlagen in dem Fall "Deine Mutter"? Und haben Sie sich das Endresultat jemals angesehen?

Ja, wir haben das immer wieder gesehen – sowohl in der Roh- als auch in der Endfassung und zum Teil auch in den Synchronisationsfassungen. Es hat uns wirklich großen Spaß gemacht, weil sehr viel Selbstironie dabei war. Das ist eine Qualität, die Adele (Neuhauser; Anm. d. Red.) und ich ganz gerne mal raushängen lassen. Wir nehmen uns da nicht allzu ernst.

Wären Sie eigentlich gerne in "Ungeschminkt" – ein weiteres Film-Highlight des Jahres – an der Seite von Adele Neuhauser gewesen?

Natürlich war das ein toller Film mit einer großartigen Besetzung. Ich finde es aber ganz wichtig, dass man zwischendurch Projekte macht, die nicht nur dafür prädestiniert sind, dass wir beide gemeinsam vor der Kamera stehen. Andernfalls inflationiert man sich irgendwann. Es ist auch nicht so, dass wir nur als Paar angefragt werden, sondern in erster Linie als individuelle Schauspieler. Wir sind kein Duo wie Bud Spencer und Terence Hill (lacht). Dass Adele und ich im "Tatort" so gut miteinander harmonieren, ist in der Tat ein außergewöhnlicher Glücksfall. Für diesen sind wir sehr dankbar.

Werden Sie häufiger mit Ihrer Frau Ann-Kathrin Kramer als Paar angefragt als mit Ihrer "Tatort"-Serienpartnerin Adele Neuhauser?

Auch das findet statt, aber nicht so häufig, wie man vielleicht denken würde. Wir machen nur die Sachen, die uns wirklich Spaß machen. Dazu gehört der Film "Aus dem Leben", in dem es um das Thema Schlaganfall geht – wobei der Begriff "Spaß" hier sicherlich nicht der richtige ist. Es war vielmehr eine sehr intensive Arbeit, die uns beide sehr geprägt und viel in uns ausgelöst hat.

Über den Gesprächspartner

  • Harald Krassnitzer ist ein österreichischer Schauspieler. Einer breiten Öffentlichkeit wurde der gebürtige Salzburger Ende der 90er bekannt – zuerst als Dr. Justus Hallstein in der Serie "Der Bergdoktor", dann als Oberstleutnant Moritz Eisner im Wiener "Tatort". Seit 2009 ist der Österreicher mit der deutschen Schauspielerin Ann-Kathrin Kramer verheiratet.
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