Sängerin Edith Stehfest spricht im Interview mit unserer Redaktion über ihr aktuelles Album, den Prozess gegen ihren Vergewaltiger, ihre vergangene Drogensucht und die Exit-Challenge beim "Sommerhaus der Stars".
Als sie 2014 ihren heutigen Ehemann
Am heutigen Freitag erscheint Ihr Album "Regenbogenbraut" – wer ist diese Regenbogenbraut und wie ist sie zu ihrem Namen gekommen?
Edith Stehfest: Die Regenbogenbraut bin ich. Den Namen hat mir mein Ehemann Eric vor etwa acht Jahren gegeben, weil er fand, ich sei bei unseren Treffen immer voller Farben gewesen. Irgendwann sagte er zu mir, ich sei eine Regenbogenbraut. Dabei steht der Regenbogen gar nicht für eine sexuelle Ausrichtung, sondern vielmehr dafür, sich als Mensch zu all seinen Farben bekennen zu dürfen. Mal sind Farben hell, mal dunkel, mal laut und mal leise – und genau das ist für mich das Leben als Regenbogenbraut. Die Single "Regenbogenbraut" habe ich in der Grundlage vor acht Jahren geschrieben. Die Version, die wir heute auf meinem Album gehören, entspringt der kreativen Zusammenarbeit zwischen meinem Mann Eric und mir.
Um beim Bild der Farben zu bleiben: Welcher rote Faden zieht sich durch das Album?
Das Album ist wie ein Regenbogen, der nach einem dunklen Gewitter kommt. Es ist für mich das Zeichen einer neuen Zeit und steht dafür, dass sich alles nach sehr schweren Jahren wieder erhellt. Ich musste in den vergangenen Jahren viele Kämpfe führen, umso mehr darf es jetzt endlich darum gehen, sich mit dem Schönen des Lebens zu beschäftigen. Deswegen ist das Album ein Blick in die Vergangenheit und symbolisiert für mich den Weg aus der stürmischen Zeit in etwas Freies und Selbstbestimmtes.
Mit dem Song "Laut" setzen Sie ein Statement für Opfer von sexualisierter Gewalt. Auch Sie sind in der Vergangenheit Opfer eines sexualisierten Übergriffs geworden – hilft Ihnen die Musik beim Heilen?
Mir persönlich hat der Song ganz viel Heilung gebracht. Zum einen, weil ich den Mut aufgebracht habe, dieses Thema zu greifen. Immerhin konnte ich nicht wissen, wie das Außen darauf reagieren wird. Für den Videodreh damals haben wir einen öffentlichen Komparsinnen-Aufruf gestartet, ohne den Inhalt des Songs zu kommunizieren. Nachdem am Set dann erklärt wurde, worum es in dem Lied geht, sind viele der Frauen, die sich auf den Aufruf gemeldet hatten, auf mich zugekommen und haben erzählt, selbst schon einmal Opfer sexualisierter Gewalt geworden zu sein. Damals wurde mir klar, wie viele Menschen Dinge erleben mussten, die über ihre Grenzen hinausgegangen sind. Insofern fand der zweite Heilungsprozess statt, indem ich ganz viel Liebe, Zusammenhalt und Support erfahren, aber auch weitergeben durfte.
Eben so ein Erlebnis zeigt, wie viele Opfer sexualisierter Gewalt es gibt – was macht dieses Wissen mit Ihnen als Betroffene?
Dass ich mit meiner Vergewaltigung an die Öffentlichkeit gegangen bin, war von mir nicht frei gewählt. Durch den Gerichtstermin war es aber eine Verpflichtung. Mir war klar, dass es durch meinen Nachnamen und Erics Bekanntheit zu öffentlicher Aufmerksamkeit kommen würde. Als dann die ersten Artikel veröffentlicht wurden, meldeten sich viele Frauen bei mir, die mir von Übergriffen und ähnlichen Erfahrungen berichteten. Darunter waren Frauen, die entweder nicht den Mut hatten, zur Polizei zu gehen, aber auch Frauen, die Anzeige erstatten wollten und als nicht glaubwürdig eingestuft wurden. Diese ehrlichen Geschichten erreichen mich mehrfach in der Woche, auch im Alltag. Beim Bezahlen im Supermarkt hat mich einmal eine ältere Frau mit den Worten "Danke, dass du für uns da bist" angesprochen. In diesem Moment war ich mit dieser Fremden aus einer ganz anderen Generation sehr verbunden – solche Erlebnisse machen eine Menge mit mir, geben mir aber auch den Halt, überhaupt weiter über dieses Thema sprechen zu können.
"Dabei geht es darum, den Täter nicht im Verborgenen zu lassen"
Gibt es neben diesen empowernden Momenten auch bedrohliche Situationen?
Ja, ich habe sehr viele Anfeindungen erhalten. Ich weiß aber, dass es sich lohnt, weiterzumachen.
Das Medieninteresse am Prozess gegen Ihren Vergewaltiger war sehr groß. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?
Als ich den Gerichtssaal damals zum ersten Mal betreten habe, hatte ich das Gefühl, von der Presse beschützt zu werden. Es war eine richterliche Anordnung, den Prozess öffentlich stattfinden zu lassen. Dabei geht es darum, Täter nicht im Verborgenen zu lassen. All das hat mir persönlich sehr viel Sicherheit gegeben. Wegen der Pandemie (der Prozess fand 2021 statt, Anm. d. Red.) waren keine Zuschauer erlaubt. Insofern saßen ausschließlich Journalisten und Journalistinnen mit im Saal, die zusammen mit mir die Blicke auf den Täter gerichtet haben. Damit haben sie mir das Gefühl gegeben, nicht alleine in diesem Raum zu sein.
Wie war diese Zeit für Sie und Ihren Ehemann als Paar?
Für uns als Paar war es die schwierigste Zeit. Seitdem mein Mann in der Öffentlichkeit steht, folgt er seiner Art, über Dinge zu sprechen – auch wenn es nicht immer schöne Themen sind. Ihm war es immer wichtig, Impulse zu setzen und zu zeigen, dass nicht immer alles paletti ist im Leben von Menschen, nur, weil sie etwa im Fernsehen zu sehen sind. Wegen des anstehenden Prozesses hat er sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, was nicht einfach war. Natürlich bin ich dankbar, dass wir uns damals gegenseitig hatten, aber ich spüre bis heute die Narben dieser Zeit.
Edith Stehfest: "Mutterschaft hat mich gerettet"
Sie und Ihr Mann sprechen sehr offen über Ihre Drogenvergangenheit. Wie war Ihr Kennenlernen?
Als Eric und ich uns kennengelernt haben, habe ich noch konsumiert. Für mich war alles andere wichtiger als eine feste Beziehung. Ich wollte niemanden nah an mich heranlassen, weil ich Angst davor hatte, dass dieser Mensch dann sieht, wie es mir wirklich geht. Irgendwie habe ich Eric aber doch sehr schnell sehr nah an mich herangelassen (lacht). Er hat mein wirkliches Ich hinter all den Fassaden, die ich damals aufgebaut hatte, sehr schnell erkannt. Zwar wurde uns von vielen Seiten geraten, zwei Ex-Junkies sollten niemals zusammenkommen, doch da Erics Entzug während unseres Kennenlernens schon hinter ihm lag, war er genau die Begleitung, die ich brauchte, um von den Drogen wegzukommen. Er hat mich nicht nur als wundervoller Partner und Ehemann durch diese Zeit begleitet, sondern war eine wirkliche Stütze. Ich habe dann eine Entgiftung gemacht und irgendwann haben wir uns dann entschieden, ein Kind zu bekommen, was einen absoluten Wandel in mein und unser Leben gebracht hat.
Hat Ihre Mutterschaft Sie also gerettet?
Ja, die Mutterschaft hat mich gerettet. Ich kann nicht sagen, dass dies für alle Betroffenen das richtige Rezept ist, aber ich hatte immer das Gefühl, dass Mutterschaft für meinen Weg das Richtige sein würde. Ich mag vielleicht allein schon rein optisch betrachtet für viele Menschen nicht die gesellschaftliche Norm bedeuten, aber die Liebe zu meinen Kindern steht über allem anderen – und auch über meinen anderen Bedürfnissen. Insofern kann ich sagen, dass ich die Mutterschaft und die damit verbundene Verantwortung damals gebraucht habe. Ich konnte lange Zeit keine Verantwortung für mich übernehmen, doch durch die Mutterschaft konnte und musste ich es endlich lernen.
Betrachten Sie sich durch den offenen Umgang mit vielen Tabuthemen als ein Vorbild, als ein Role Model?
Ich finde es schwierig, mich selbst als Role Model zu sehen. Dennoch stelle ich fest, dass ich vor allem im deutschsprachigen Raum wenige Frauen kenne, an denen ich mich orientieren kann. Ich merke, dass ich an vielen Stellen Türen zum ersten Mal öffne. Türen, die vor allem als Frau erstmals geöffnet werden. Und natürlich ist mir auch bewusst, dass ich als Frau eine ganz andere Möglichkeit für Angriffe biete.
Es fehlt also in vielen Bereichen noch an Sichtbarkeit – was können wir Ihrer Meinung nach dagegen tun?
Wir können Sichtbarkeit schaffen, indem wir zulassen, dass unangenehme und schmerzhafte Themen überhaupt besprochen werden. Auch in der TV-Branche befinden wir uns gerade erst in den Anfängen, dass Tabuthemen sich überhaupt erst in der Mitte bewegen dürfen, weil es immer noch nicht wirklich salonfähig ist. Umso wichtiger ist es, nicht aufzuhören, darüber zu sprechen und Räume zu schaffen. Das können Shows, Konzerte oder auch Gesprächsabende sein, bei denen aufgeklärt wird. Dabei ist Aufklärung der Dreh- und Angelpunkt – denn es geht nicht darum, zu verurteilen. Jedes Opfer sieht nach dem Erlebten anders aus und handelt anders, das darf in puncto Sichtbarkeit nicht vergessen werden. Auch ich habe damals zitternd und weinend im Bett gelegen – all das hat jedoch im Verborgenen stattgefunden. Umso härter habe ich es mir zurück erkämpft, mich wieder zurechtzumachen und mich schön zu fühlen. Keine Tat darf darüber bestimmen, wer oder was ich sein darf.
"Das Sommerhaus der Stars": Darum entschied sich Edith Stehfest dafür
War das Schaffen von Sichtbarkeit auch einer der Gründe, an einem Reality-Format wie "Das Sommerhaus der Stars" teilzunehmen?
Die Überlegung und die Anfrage, an dem Format teilzunehmen, gab es schon länger. Lange war es aber nicht möglich, weil unsere Kinder noch zu klein waren. Für mich war es wichtig, ins "Sommerhaus" zu gehen, um zu zeigen, dass Beziehungen unterschiedlich und vielschichtig sind und immer Arbeit bedeuten. Ich wollte außerdem zeigen, dass eine Ehe – wie es ja häufiger bei älteren Generationen der Fall ist – nicht bedeutet, ohne Liebe und Fürsorge nebeneinander herzuleben, sondern dass auch wir jeden Tag dafür kämpfen, miteinander zu existieren und zu leben. Nicht nur als Ehepaar und Eltern, sondern auch als Künstler- und Autorenpaar.
Sie und Ihr Mann mussten nach der Exit-Challenge als Paar das Haus verlassen – waren Sie enttäuscht?
Ich war anfangs sehr enttäuscht von mir selbst, weil das Ausscheiden aus dem "Sommerhaus" ein Kampf war, in dem ich nicht kämpfen konnte. Ich wäre gerne noch länger im Haus geblieben. Vor allem aber hätte ich gerne die Möglichkeit gehabt, diese Exit-Challenge wirklich gut bewältigen zu können. Da ich seit meiner Kindheit ADHS habe, begleitet von einer Dyskalkulie (Rechenstörung; Anm. d. Red.), war es mir nicht möglich, im Kopf solche Aufgaben zu lösen.
Hat die Teilnahme an dem Format Ihre Beziehung noch mehr gefestigt?
Ja, die Teilnahme hat uns gezeigt, dass wir wirklich schon viel Arbeit in uns investiert haben. Im Vergleich zu den anderen Paaren führen wir die längste Beziehung und wir haben gemerkt, dass wir in den letzten Jahren sehr viel Zeit und Energie investiert haben, den Respekt voreinander sowie einen liebevollen und stärkenden Umgang miteinander zu haben.
Es geht in solch einem Format also auch darum, verschiedene Beziehungsformen zu zeigen …
Absolut. Dafür steht die Show für mich. Genauso steht es für mich aber auch dafür zu zeigen, welche Beziehungsformen womöglich nicht gesund sind.
Glauben Sie, dass diese ungesunden Verhaltensmuster den Betroffenen bewusst sind?
Ich glaube nicht, dass sich alle darüber bewusst sind. Wobei ich denke, dass einige Betroffene durchaus ungesunde Muster erkennen und daran arbeiten wollen. Ich selbst habe auch schon einmal eine Beziehung mit einem narzisstischen und toxischen Mann geführt. Insofern weiß ich aus eigener Erfahrung, wie es sich anfühlt, in solch einer Situation zu stecken. Man sieht nicht, wie klein man sich macht, wie sehr man sich führen lässt und dass Manipulation auch häufig eine Rolle spielt. Meine Erlebnisse habe ich in dem Song "Sie tanzt wieder für sich allein" verarbeitet, in dem ich auf diese herausfordernde Zeit zurückblicke. Damals habe ich es geschafft, mich zu lösen und mir mit Selbstliebe zu begegnen. Genau dazu möchte ich andere Betroffene ermutigen: Denn man denkt, man sei alleine nichts mehr wert. Wenn ich ungerechtes Verhalten in meiner Gegenwart mitbekomme, kann ich das nicht ignorieren.
Die Dreharbeiten liegen ja bereits einige Monate zurück – haben Sie Kontakt zu anderen Teilnehmern und Teilnehmerinnen der Staffel?
Ja, wir haben sporadisch Kontakt zu Justine und Arben und zu Pia und Zico.
Wenn Sie selbst von häuslicher oder sexualisierter Gewalt betroffen sind, wenden Sie sich bitte an das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" - 116 016 oder dessen Online-Beratung, das Hilfetelefon "Gewalt an Männern" - 0800/1239900 oder dessen Online-Beratung, oder an das Hilfetelefon "Sexueller Missbrauch" 0800/225 5530 (Deutschland), die Beratungsstelle für misshandelte und sexuell missbrauchte Frauen, Mädchen und Kinder (Tamar) 01/3340 437 (Österreich) beziehungsweise die Opferhilfe bei sexueller Gewalt (Lantana) 031/3131 400 (Schweiz).
Wenn Sie einen Verdacht oder gar Kenntnis von sexueller Gewalt gegen Dritte haben, wenden Sie sich bitte direkt an jede Polizeidienststelle.
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