Harry Belafonte ist tot. Mit dem US-amerikanischen Schauspieler und Sänger starb am Dienstag nicht nur einer der vielseitigsten Künstler aller Zeiten, sondern auch ein Bürgerrechtler. Der "Calypso-King" hat uns viel mehr hinterlassen als den Welthit "Banana Boat Song".

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Zwanzig Mal. So häufig kommt im "Banana Boat Song" die Passage "Daylight come and we want go home" vor. Der Sänger, Schauspieler und Bürgerrechtler Harry Belafonte, der am heutigen Dienstag im Alter von 96 Jahren verstorben ist, schrieb mit diesem alten, jamaikanischen Volkslied in den 50ern Popgeschichte. Zwanzig Mal der Satz "Das Tageslicht bricht an und ich will nach Hause gehen". Zwanzig Einblicke in die Welt der damaligen Hafenarbeiter (Schauerleute), deren Nachtschichten daraus bestanden, Bananen zu verladen – unter der strengen Aufsicht von Ladungskontrolleuren ("Come Mister Tally Man, tally me banana"). Zwanzig Beweise dafür, dass Musik unterhalten und dabei dennoch wichtige Botschaften in die Welt hinausschicken kann – wenn eine glaubwürdige Person als Absender fungiert.

Ausnahmekünstler schon in jungen Jahren

Belafonte war solch eine Persönlichkeit. Der am 1. März 1927 als Harold George Bellanfanti Jr. im New Yorker Stadtteil Harlem geborene US-Amerikaner avancierte mit dem Welthit "Banana Boat Song" mit nicht einmal 30 Jahren zum "King of Calypso" und zu einem der bekanntesten schwarzen Musiker überhaupt – eine Ausnahme in dieser durch die Apartheid geprägten Zeit. Der Calypso, ein afrokaribischer Tanzrhythmus, wurde zu seinem musikalischen Markenzeichen.

In einem Atemzug mit Sinatra und Presley

Um die Erfolge des Sängers einmal einzuordnen: Mit seinen 150 Millionen Tonträgern liegt er in etwa auf einer Wellenlänge mit Frank Sinatra oder Elvis Presley, wenngleich gewisse Quellen den "King of Rock 'n' Roll" sogar mit bis zu einer Milliarde verkaufter Platten in Verbindung bringen wollen. Bereits vor seinem Durchbruch als Interpret wurde Hollywood auf Belafonte aufmerksam, er wirkte in Filmen wie "Bright Road", "Carmen Jones" oder "Heiße Erde" mit.

An der Seite von Martin Luther King

Doch sämtliche Erfolge und Auszeichnungen führten nie dazu, dass Belafonte seine Wurzeln vergaß. Im Gegenteil: Der Sohn eines Schiffskochs aus Martinique und einer Mutter aus Jamaika, die als Hilfsarbeiterin tätig war, nutzte seinen Ruhm, um sich für Bürgerrechte starkzumachen. An der Seite von Martin Luther King, mit dem Belafonte eng befreundet war, trat er als Stimme der schwarzen Minderheit hervor. Ähnlich wie in seinem "Banana Boat Song" war er sich nie zu schade, seine Messages zu wiederholen und für seine Mitmenschen einzutreten. "Die Leute, die uns die Bürgerrechte absprechen, sind genau die gleichen Leute, die den Weltfrieden ablehnen", sagte Belafonte 1983 einmal.

Ein Leben lang im Einsatz für den Frieden

Bereits zwanzig Jahre zuvor begab sich Belafonte gemeinsam mit seinen Schauspielerkollegen Charlton Heston und Sidney Poitier, mit dem er später in "Samstagnacht im Viertel der Schwarzen" (1974) zu sehen sein sollte, auf den Marsch für Bürgerrechte 1963 in Washington. Es war die Demonstration, bei der aus dem Munde von Luther King die berühmten Worte "I Have a Dream" gefallen waren. Harry Belafonte war von Beginn an dabei und bewies – ganz im Sinne seines Mentors Paul Robeson (ein schwarzer Schauspieler und Bürgerrechtler) – einen langen Atem. Der Schauspieler und Sänger sprach sich öffentlich gegen den Vietnamkrieg aus, unterstützte Nelson Mandela bei dessen Kampf gegen die Apartheid in Südafrika und half Kindern auf Haiti und im Sudan als Unicef-Botschafter. 1982 beeindruckte der Weltstar in Bochum, als er im Ruhrstadion an dem Konzert "Künstler für den Frieden" mitwirkte.

Darum wird Harry Belafontes "Day-O, Daaaay-O" nachhallen

Man kann Andrew Young, ein Politiker und US-amerikanischer Bürgerrechtler, nur zustimmen. Dieser hatte einmal erklärt, dass Belafonte einer der wenigen sei, die im Alter sogar radikaler geworden seien, die nie aufgaben und immer wieder auf Konfrontation gingen. Mit seinem Tod ist diese starke Stimme des Volkes nicht verstummt. Seine Worte bleiben in Erinnerung und sind Inspiration für neue Generationen. 96 Jahre hat der Schauspieler, Sänger, Entertainer und Mensch Harry Belafonte auf Erden gewirkt – als "Calypso-King", als Jahrhundertkönig, dem die Menschen immer wichtiger waren als Krone und Zepter.

Auch wenn der US-Amerikaner nun für immer seine Augen geschlossen hat, wird sein ohrwurmverdächtiges "Day-O, Daaaay-O" für alle Ewigkeit nachhallen. Sicherlich würde er sich wünschen, dass seine wichtigen Botschaften wie "Daylight come and we want go home" aus seinem Erfolgssong "Banana Boat Song" so häufig wie möglich wiederholt werden, um auf gesellschaftliche Missstände und Ungerechtigkeiten hinzuweisen – zur Not auch mehr als zwanzig Mal. Damals wie heute. Der große Harry Belafonte hat die Richtung vorgegeben und seine letzte Reise angetreten.

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