So ist das mit den Trends: Sie entstehen in der Subkultur. Starten als Ausdruck von Individualismus und Kreativität. Doch dann werden sie irgendwann entdeckt, massentauglich gemacht, vermarktet und ausgeschlachtet. So musste auch das Snowboarden auf die Hype-Schlachtbank. Was anfänglich als abgefahrener Sport für verrückte Typen, die einfach keinen Bock auf die spießige Welt der Skfiahrer hatten, startete, entwickelte sich zu einer riesigen Industrie. Ist Snowboarden dann eigentlich noch cool?
Ex-Profi-Snowboarder David Benedek stellte sich diese Frage: Er reiste zu den berühmtesten Vertretern seiner Zunft, um herauszufinden, was aus seinem Sport geworden ist. Jetzt hat er ein Buch herausgebracht. Wir haben mit ihm gesprochen.
Normalerweise schreiben Ex-Profi-Sportler ihre Autobiographie oder Enthüllungsbücher. Wie bist Du auf die Idee für Dein Buch gekommen?
"Ich wusste schon immer, dass ich mal ein Buch machen will. Snowboarden wurde über die vergangenen 20 Jahre immer größer, sowohl von der Vermarktung als von der Medienaufmerksamkeit her. Man wird älter, ist schon lange dabei und dann kam irgendwann der Punkt, an dem ich mich gefragt hatte, ob sich Snowboarden einfach verändert hat."
Gab es denn ein spezielles Ereignis, weswegen Du das Snowboarden hinterfragt hast?
"Es war kein bestimmtes Ereignis. Ich habe vor ein paar Jahren gemerkt, dass das Snowboarden, wie ich es kannte, nicht mehr das gleiche ist. Früher war die ganze Szene kleiner, es wurde viel miteinander geredet. Was ist davon übrig? Wie viel von den Veränderungen hängen damit zusammen, dass ich ein alter Hase bin und es einfach nur anders wahr nehme? Ich wollte die Meinung der Leute hören, die auch schon von Anfang an dabei waren. Ich wollte von denen wissen, 'was Snowboarden ist, was Snowboarden ausmacht'."
Würdest Du sagen, dass das Lebensgefühl ein wenig verloren gegangen ist?
"Es ist sicherlich so, dass Snowboarden früher familiärer war. Jeder kannte jeden. Jetzt ist alles vermarktet. Man muss sich ja auch nur mal die Marken von früher anschauen: Volcom gehört Gucci. Quicksilver ist an der Börse."
Wie war es denn früher? Wie bist Du Profi geworden?
"Sehr spielerisch aber trotzdem zielstrebig. Ich bin ein Jahr lang Snowboard gefahren und wusste sofort, dass ich das will. Angefangen hat es damit, dass ich als Zehnjähriger mit meinem Bruder Skateboard gefahren bin und dann war klar, dass man Snowboarden ausprobieren muss - das war der neue 'heiße Scheiß'. Zudem waren wir mit meinen Eltern sowieso oft in den Bergen und dann geht das schnell."
Wie ging es dann weiter?
"Schon nach zwei Jahren, also 1992, habe ich an den ersten kleinen Wettbewerben teilgenommen. Wenn man da halbwegs fahren konnte, hat man gleich alles abgeräumt. Dann kamen bayerische Meisterschaften und danach geht es so weiter. Um Profi zu werden muss man zwei Dinge erfüllen: Man muss richtig Bock darauf haben und man braucht eine gute Gruppe, die einen weiterbringt. Dadurch entsteht eine spielerische Competition."
Aber wie wird man Profi? Wird man wie im Fußball gescoutet?
"Nein, das ist ganz anders. Wenn man gut genug ist, kommen irgendwann die ersten Sponsoren. Bei uns war das so. Aber wir haben als 12-jährige Kids die Sponsoren einfach angequatscht. Dann bekommt man mal ein Brett oder den Skipass gezahlt. Bis es dann nach einiger Zeit die komplette Ausrüstung und auch die Reisen sind."
Mit 12 Jahren also schon der eigene Manager?
"Das ist der Unterschied zu vielen anderen Sportarten und daran hat sich bis heute nichts verändert. Man kümmert sich um alles selbst. Das ist auch der große Unterschied zum Skiverband. Der Verband macht die Verträge mit den Sponsoren. Wenn man als Snowboarder einen Vertrag an Land gezogen hast, dann ist das auch deins. Guter Nebeneffekt: Man wird viel selbständiger. Ich hab Sportler aus anderen Sportarten kennengelernt, wie einen Olympia-Bobfahrer, der konnte nicht ein Wort englisch sprechen."
Das klingt nach sehr viel Arbeit?
"Ja, aber trotzdem steht das nicht im Vordergrund. Wenn man keinen Managern hat bleibt man unabhängig. Als Snowboarden olympisch wurde, Ende der 90er, hatte ich eine Kader-Einladung. Ich war einmal da und hab sofort gesagt: Nein. Das ist nicht meins. Ich will fahren und nicht mit Trainern reden, die mir auch noch irgendetwas vorschreiben.
Du hast unter anderem den "Air & Style" gewonnen. Was war für Dich Dein größter Erfolg?
"Ich wurde zweimal hintereinander zum "Rider of the Year" gewählt. Das ist eine große Ehre, weil alle internationalen Fahrer den besten unter sich auswählen. Also Leute, die ich mal angehimmelt hatte, hatten mich dazu auserkoren."
Wann neigte sich die sportliche Karriere dem Ende zu?
"Mit den Contests hab ich 2001 aufgehört. Danach viel gedreht und ab 2004 mit anderen Fahrer in den USA eine eigene Produktionsfirma gegründet."
Wie lange hast Du danach für Dein Buch gebraucht?
"Mit allen Interviews, die ich während eines achtwöchigen Trips in die USA geführt hatte, dauerte die komplette Produktion fast dreieinhalb Jahre."
Von Jake Burton bis Travis Rice hast Du ja mit fast allen Größen der Szene gesprochen. Welches Gespräch war denn besonders außergewöhnlich?
"Definitiv Shaun Palmer. Er war von Anfang an dabei und damals auch schon ein Superstar. Er war Weltmeister, hat viele Wettbewerbe gewonnen, aber war auch der totale Punk, inklusive Drogenabhängigkeit. Ich hab ihn gefragt, wie er die Szene empfindet. Er meinte nur, dass jetzt alles anders sei. Damals durfte man einfach alles - auch als Profi. Man war Feiern und ist danach Contests gefahren. Die Kids heute würden alleine schon wegen dem Internet viel zu sehr kontrolliert und stünden immer im Fokus. Das freie Snowboarden als Lifestyle wie er es kennt, gebe es nicht mehr."
Das hört sich ja sehr ernüchternd an.
"Ich habe dafür auch von manchen Leuten das genaue Gegenteil gehört. Danny Davis, einer der aktuell erfolgreichsten Fahrer, strahlt den Snowboard-Spirit noch immer aus. Er war ein absolutes Sporttalent und hätte auch andere Dinge machen können, aber er hat sich für's Boarden entschieden. Seiner Aussage nach gibt es dort keine Rivalität. Trotz Coaches, größerer Events und Sponsoren."
Hast Du denn nach diesem Projekt Deine Selbsterkenntnis erlangt?
"Was heißt Selbsterkenntnis? Aber in gewisser Weise schon. Ich wollte herausfinden was aus dem geworden ist, was ich einfach gerne mag. Ich kann sagen: 'Alles ist gut'. Es hat sich viel verändert, aber Veränderung gehört dazu. Die Nachwuchsfahrer machen heute wie damals immer noch ihr Ding."
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