Dem fünften Film der "Tribute von Panem"-Reihe mangelt es an Glaubwürdigkeit. Zwar hält "The Ballad of Songbirds and Snakes" mit seinem hohen Tempo die Spannung konstant aufrecht, den Zuschauer lässt er am Ende aber etwas ratlos zurück.
Es sind wieder Hungerspiele in Panem. Doch das Konzept steckt in der Krise. Kaum noch Zuschauer in Kapitol und Distrikten schauen sich das gegenseitige Abschlachten der Tribute an, sodass diesmal neue Ideen hermüssen.
Der Film spielt 64 Jahre vor dem ersten Teil der Tribute von Panem. Er handelt vom Aufstieg von Coriolanus Snow, der in den ersten Teilen der Präsident des Kapitols und Gegenspieler von Heldin Katniss Everdeen ist.
In "The Ballad of Songbirds and Snakes" ist Snow noch ein junger Student im Kapitol. Seine einst reiche Familie ist mittlerweile mittellos, sodass Snow auf ein Stipendium angewiesen ist. Um das zu bekommen, soll er als Mentor seinem Tribut zum Sieg bei den Hungerspielen verhelfen. Außerdem soll er frische Ideen präsentieren, die das Format der Hungerspiele für den Zuschauer attraktiver machen.
Snow und Lucy Grey: Vertrauen ohne Basis
Ihm wird die charismatische Lucy Grey aus Distrikt 12 zugeteilt. Diese katapultiert sich ohne Snows Zutun bereits bei der Tributauswahl in den Kreis der Topfavoriten. Ihr rebellischer Auftritt inklusive Schlangenattacke und Gesangseinlage ist genau das, wonach die Präsidentin des Kapitols sucht, um die Zuschauer vor die Bildschirme zu locken.
Snow selbst kann sein Glück kaum fassen. Er versucht, das Vertrauen seines Tributs zu gewinnen, um sie in der Arena optimal zu unterstützen. Das geschieht erstaunlich einfach. Lucy Grey scheint sich kaum daran zu stören, dass Snow zu ihren Unterdrückern gehört.
Die Beziehung ist so durch ein eklatantes Machtgefälle geprägt. Snow sitzt bequem vor dem Bildschirm und schickt ab und zu ein Wasser in die Arena, während Lucy Grey dort um ihr Leben kämpft. Dass die sonst so unabhängige und rebellische Lucy Grey ihrem Mentor so ergeben ist, irritiert.
Sind Hungerspiele etwa unmenschlich?!
Interessanter und glaubwürdiger ist dagegen die Beziehung Snows zu seinem Freund Sejanus Plinth, der ebenfalls Mentor ist. Der hat weniger Glück mit seinem Tribut, aber er würde die Hungerspiele sowieso lieber abschaffen, weil er sie für unmenschlich hält. Eine krasse Minderheitsmeinung im Kapitol.
Snow ist einer der wenigen, der Plinths Reformvorschlägen etwas abgewinnen kann. Anders als Plinth hat Snow allerdings keine konsistente Moral.
Dieser Konflikt findet im letzten Drittel des Filmes seinen Höhepunkt – wird dann aber sehr schnell abgehandelt. Das hohe Tempo hat den Vorteil, dass es den 142 Minuten langen Film durchaus kurzweilig macht. Allerdings bleibt so kaum Raum für Emotionen oder einen tieferen Einstieg in die Psyche Snows.
Regisseur Francis Lawrence bereut nach eigener Aussage mittlerweile, die dicke Buchvorlage nicht auf zwei Filme aufgeteilt zu haben. Die Handlung nimmt viel Raum ein, eine tiefere Charakterentwicklung von Snow bleibt auf der Strecke.
Schnee landet halt oben
Von Beginn an hat der Zuschauer so auch Probleme, die Motivation von Snow nachzuvollziehen. Hilft er Lucy Grey nur, weil er auf seinen eigenen Vorteil aus ist? Oder liegt ihm wirklich etwas an ihr und er will sie vor dem Tod in der Arena retten? Er sagt: beides. Doch in beider Hinsicht verhält er sich nicht besonders clever.
Durch dilettantische Betrugsversuche verbaut er sich selbst vorerst seine Karriere im Kapitol. Und gegenüber Lucy Grey verplappert er sich und zeigt zudem Schwierigkeiten, sich von dem menschenverachtenden System zu distanzieren, das jedes Jahr 24 neue Tribute in die Arena schickt.
Was Snow wohl ambivalent und interessant machen soll, macht ihn letztlich zu einem Bösewicht, vor dem man nur schwer Respekt haben kann. Wer erwartet hat, dass Snow sich durch einen raffinierten Masterplan an die Spitze intrigiert, wird enttäuscht. Snows Aufstieg ist eher einer Verkettung von Umständen geschuldet, die teilweise konstruiert wirken. Der Film folgt der Devise: Am Ende gewinnt halt der Protagonist. Oder wie es im Film heißt: "Schnee landet immer oben."
"The Ballad of Songbirds and Snakes" kommt am 16. November in die deutschen Kinos. FSK ab 12 Jahren, von Francis Lawrence, mit Tom Blyth, Rachel Zegler, Hunter Schafer, Viola Davis und Peter Dinklage
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