"Tatort: Feierstunde": Ein Mann erzählt seiner Therapeutin immer wieder von Mordfantasien. Doch statt zur Polizei zu gehen, beruft sich die Psychiaterin auf ihre Schweigepflicht. Darf sie das? Und was genau ist das eigentlich, diese Schweigepflicht? Der Faktencheck.
Knapp war's gestern. Ein rachsüchtiger Mediziner nimmt eine Festgesellschaft als Geisel und will Professor Boerne umbringen - was auch fast gelingt. Dass es überhaupt so weit kommen konnte, hätte sich verhindern lassen.
Der Mann hatte nämlich bereits bei seiner Psychotherapeutin von Mordgelüsten an Boerne fantasiert. Doch die Therapeutin schätzte ihren Patienten als ungefährlich ein, berief sich auf ihre Schweigepflicht. Aber durfte sie das überhaupt?
Was ist die Schweigepflicht?
Mit der Schweigepflicht, oder auch Verschwiegenheitspflicht, sollen bestimmte Berufsgruppen dazu verpflichtet werden, Geheimnisse, die ihnen anvertraut wurden oder die sie zufällig erfahren haben, nicht an andere weiterzugeben.
Im Strafgesetzbuch (StGB) heißt es dazu in § 203: "Wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, offenbart, das ihm (…) anvertraut worden oder sonst bekanntgeworden ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft."
Neben dem Paragrafen 203 des Strafgesetzbuches gibt es zahlreiche andere gesetzliche Regelungen, die zur Verschwiegenheit verpflichten. So regeln zum Beispiel beim Abschluss von Verträgen Verschwiegenheitsverpflichtungen, dass die beteiligten Personen nicht über die Inhalte des Vertrages sprechen dürfen.
Bekanntes Beispiel sind Arbeitsverträge, bei denen sich die Parteien zur Verschwiegenheit verpflichten.
Für wen gilt die Schweigepflicht?
In § 203 StGB werden verschiedene Berufsgruppen namentlich aufgeführt. Dazu gehören unter anderem: Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker, Berufspsychologen, Rechtsanwälte, Patentanwälte, Notare, Wirtschaftsprüfer, vereidigte Buchprüfer, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Ehe-, Familien-, Erziehungs- oder Jugendberater oder staatlich anerkannte Sozialarbeiter. Neben diesem Personenkreis sind in § 203 StGB, Absatz 2 außerdem auch Amtsträger genannt sowie zum Beispiel Mitglieder eines Untersuchungsausschusses oder öffentlich bestellte Sachverständige.
Warum gibt es die Schweigepflicht?
Das Verhältnis eines Patienten zu seinem behandelnden Arzt ist oder sollte von einem ganz speziellen Vertrauen geprägt sein. Ist es das nicht, weil der Patient befürchten muss, dass sein Arzt oder Therapeut die ihm anvertrauten Informationen weitergibt, wird er sich vielleicht weniger oder gar nicht erst einem Arzt anvertrauen – mit vielleicht gravierenden Folgen für seine Gesundheit.
Was fällt unter die ärztliche Schweigepflicht?
Die ärztliche Schweigepflicht, wie sie auch im jüngsten "Tatort" eine Rolle spielt, reicht sehr weit. Sie beginnt bereits damit, dass der Arzt noch nicht einmal mitteilen muss, ob eine Person überhaupt in seiner Behandlung ist. Darüber hinaus herrscht Verschwiegenheit über den Namen des Patienten sowie über alle seine Krankendaten.
Außerdem darf der Arzt keinerlei Informationen über Gedanken, Meinungen, familiäre oder finanzielle Verhältnisse weitergeben, die ihm der Patient anvertraut hat.
Neben diesen direkten Informationen sind auch Geheimnisse dritter Personen geschützt, wenn also zum Beispiel der Patient dem Arzt die Erkrankung eines Freundes anvertraut hat. Der Arzt darf außerdem auch keine Informationen weitergeben, die er zum Beispiel bei einem Hausbesuch nebenbei mitbekommen hat.
Die Schweigepflicht gilt gegenüber jedem, also nicht nur gegenüber der Polizei, und besteht auch über den Tod des Patienten hinaus.
Kann die Schweigepflicht aufgehoben werden?
Ja, das kann sie. Zum einen kann der Patient die betreffende Person selbst von ihrer Schweigepflicht entbinden. Darüber hinaus ist man unter bestimmten Umständen nicht an die Verschwiegenheitspflicht gebunden.
"Das ist der sogenannte rechtfertigende Notstand nach Paragraf 34 Strafgesetzbuch", erklärt der Berliner Rechtsanwalt Matthias Losert. "Das bedeutet, dass man die berufliche Schweigepflicht verletzen darf, um ein anderes Rechtsgut zu schützen. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn der Therapeut durch den Patienten von einem Anschlagsplan erfährt, so dass die Polizei den Anschlag vereiteln kann."
Wer entscheidet, ob die Schweigepflicht aufgehoben werden darf?
Viele Menschen haben einmal Mordfantasien, aber die allerwenigsten setzen sie auch um. Im "Tatort" schätzt die Therapeutin ihren Patienten als ungefährlich ein und beruft sich deshalb auf ihre Schweigepflicht.
In der Tat ist diese Entscheidung immer im Einzelfall vom jeweiligen Arzt zu treffen: "Das ist tatsächlich immer eine schwere Abwägungsentscheidung, ob tatsächlich eine Gefahr für die Allgemeinheit vorliegt", erläutert Rechtsanwalt Losert.
Welche Filmfehler gibt es bei der Schweigepflicht?
"Sie wissen, dass ich diese Schussverletzung melden muss?" So oder so ähnlich hört es sich an, wenn im Film Verbrecher mit einer Schussverletzung einen Arzt aufsuchen. Ein gängiger Fehler, meint Anwalt Losert, denn eine Meldepflicht für Schussverletzungen gibt es in Deutschland gar nicht – oder nicht mehr: "In den 1950er Jahren gab es wohl mal eine Verwaltungsverordnung in Baden-Württemberg, dass Ärzte eine Schussverletzung der Polizei anzeigen müssen. Aber das ist schon lange aufgehoben. Schussverletzungen sind nicht meldepflichtig, sonst würde niemand mit einer solchen Verletzung mehr zum Arzt gehen."
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