Im "Polizeiruf 110" aus Halle an der Saale kämpft Kommissar Henry Koitzsch nicht nur gegen das Verbrechen, sondern auch gegen seine Alkoholsucht. Wie geht die Polizei mit diesem Problem in den eigenen Reihen um?
Gleich am Anfang der jüngsten "Polizeiruf 110"-Folge aus Halle (Saale) wird das nicht gerade kleine Alkoholproblem des Kriminalhauptkommissars Henry Koitzsch (
In der Innentasche seiner zerbeulten Lederjacke steckt dabei weiterhin ein mit Hochprozentigem gefüllter Flachmann, den er auch schon mal mitten in einer Zeugenbefragung ansetzt, als sei dies das Normalste auf der Welt. Beim Krisengespräch mit dem behördlichen Suchtberater zeigt er sich problembewusst und zitiert dabei textsicher aus Jack Londons (1876-1916) klassischer Mahnschrift "König Alkohol".
Neues Problembewusstsein bei Polizeibehörden
Auch wenn es in der Realität meist weniger offensichtlich zutage tritt, spielt das weitverbreitete Problem des Alkoholismus natürlich auch bei den Polizeibehörden eine nicht unwesentliche Rolle. Nachdem das Problem von Abhängigkeitserkrankungen in den eigenen Reihen lange Zeit ignoriert oder aufgrund fehlender Hilfskonzepte nicht angegangen wurde, gründete man im Jahr 1990 die "Bundesarbeitsgemeinschaft Suchthilfe in der Polizei", um Grundlagen für die Betreuung alkoholkranker Kollegen zu etablieren. Mitglieder dieses Arbeitskreises sind Polizeibeschäftigte, Betroffene und Fachleute verschiedener wissenschaftlicher Richtungen wie Medizin, Pädagogik, Psychologie und Sozialarbeit.
Einem Bericht des "Spiegel" zufolge ging man seinerzeit davon aus, dass rund fünf Prozent der Polizeibeamten in der Bundesrepublik alkoholabhängig waren. Auch wenn sich nur wenige aktuelle Zahlen finden, deutet alles darauf hin, dass sich das Problem keineswegs in Luft aufgelöst hat. Wie die "Berliner Zeitung" berichtete, zeigte eine Studie der Freien Universität Berlin im Jahr 2016 auf, dass rund 25,5 Prozent der Berliner Polizeibeamten zumindest einen riskanten Alkoholkonsum an den Tag legten.
Spezial-Therapien für Ordnungshüter
Nicht zuletzt durch die Arbeit der "BAG Sucht" hat sich in den vergangenen Jahrzehnten bei den Polizeibehörden ein verändertes Problembewusstsein und strukturiertes Gesundheitsmanagement durchgesetzt. Auf speziellen Schulungen erhalten Vorgesetzte genaue Handlungsanweisungen zum Umgang mit betroffenen Kollegen und disziplinarrechtliche Grundlagen. Sobald das Problem erkannt wurde, werden die Betroffenen standardmäßig mit Therapieangeboten versorgt, die zum Teil speziell auf Polizeibeamte und andere Einsatzkräfte zugeschnitten sind.
Ein wichtiger Anlaufpunkt ist hier die Paracelsus Berghofklinik im niedersächsischen Bad Essen, die in ihren Behandlungen immer auch die besonderen Belastungen, die der Polizeiberuf mit sich bringt, im Blick hat. Auf der Website führt Dr. Peter Subkowski, ehemaliger Chefarzt der Klinik dazu aus: "Nach unserer klinischen Erfahrung mit Patienten aus dem Polizeibereich sind Polizeibedienstete einer zunehmenden größeren psychischen Belastung in ihrer Diensttätigkeit ausgesetzt. Da geht es nicht nur um teils traumatisierende Erlebnisse oder die Konfrontation mit Gewalt und Todesgefahr, sondern auch um den zunehmenden Personalmangel."
"Verpflichtung zum Erhalt der Dienstfähigkeit"
Aus den im Bundesbeamtengesetz (BBG) festgeschriebenen Bestimmungen ergibt sich für die von Alkoholproblemen betroffenen Gesetzeshüter eine Mitwirkungsverpflichtung hinsichtlich solcher Therapieangebote. Der Alkoholismus an sich stellt zwar kein Dienstvergehen dar, dafür aber die Beeinträchtigung des Dienstes durch den Alkoholmissbrauch. Wie das Gewerkschaftsmagazin "Deutsche Polizei" 2009 in einer Ausgabe zum Schwerpunktthema "Alkohol und Dienst" ausführte, ergibt sich aus der allgemeinen Treuepflicht der Beamten auch eine Pflicht zur Erhaltung der Dienstfähigkeit.
"Diese Verpflichtung zum Erhalt der Dienstfähigkeit", so heißt es dort, "beinhaltet die Pflicht, sich gesund und leistungsfähig zu erhalten (Pflicht zur Gesunderhaltung) und im Weiteren bzw. daran anknüpfend auch die Pflicht zur Wiederherstellung der Gesundheit." Wer sich also Beratungsgesprächen oder einer Therapie verweigert, hat im Weiteren mit disziplinaren Konsequenzen zu rechnen, die mit der Entfernung aus dem Staatsdienst enden können. (tj/spot)
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