Seit 25 Jahren läuft die Daily Soap “Gute Zeiten, schlechte Zeiten” im deutschen Fernsehen. Unser Autor hat es das letzte Vierteljahrhundert auch ganz gut ohne die Serie ausgehalten. Das Minutenprotokoll der zweistündigen Jubiläumsfolge.

Eine Glosse

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Minute Null: 25 Jahre. Das muss man erst mal sacken lassen. So lange läuft “Gute Zeiten, schlechte Zeiten” mittlerweile. Das hat kaum eine Sendung im deutschen Fernsehen geschafft. “Die Tagesschau”. Der “Tatort” vielleicht.

Aber den schauen die meisten ja auch nur, um sich Montags darüber beschweren zu können, wie schlecht der doch wieder war.

Minute eins: Meine Theorie ist ja: “GZSZ” ist wie Scooter. Da hätte auch nie jemand gedacht, dass die so lange durchhalten.

Aber so ist das eben in Deutschland. Du kannst noch so schlecht sein - wenn du lange genug weitermachst, bist du irgendwann Kult.

Minute zwei: So, es passiert etwas. Eine junge blonde Dame, die tatsächlich Sunny heißt, hupft über eine Wiese in die Arme eines Mannes mit 90er-Jahre-Love-Parade-Gedächtnis-Frisur. Ich sag’s doch: Scooter.

So müde vor lauter Spannung

Minute drei: Sie wacht auf. Dummerweise sitzt da ein anderer. Den will sie offenbar heiraten. Den Bruder des Techno-Jüngers, den ich ab jetzt der Einfachheit halber HP Baxxter nenne.

Uh, Drama, Baby, Drama! Vor Spannung bin ich glatt kurz eingenickt.

Minute vier: Ha, den kenn ich! Jo Gerner! Der Serienbösewicht. Ist der immer noch dabei? Wie lange denn jetzt schon? Die kompletten 25 Jahre? Wirklich? Das ist hart. Ich muss nur 120 Minuten durchhalten.

Minute sieben: Hans-Peter Baxxter und sein Bruder streiten sich. "Ja, ich bin’s gewesen. Und du kannst mir nichts beweisen”, sagt der zu ihm. Hui, das klingt spannend. War natürlich gelogen. Ich bin nochmal kurz eingenickt.

Minute 23: Oh, das war offensichtlich ein längeres Schläfchen. Habe ich etwas verpasst? Kleiner Witz. HP Baxxter entwischt gerade seinem Bewacher. Dessen Kommentar: “Ey, der Typ ist geflohen.” Mein Kompliment an den Drehbuchschreiber.

Alles nur geklaut

Minute 36: Auftritt der Braut im Hochzeitskleid. Schnulzige Musik, Zeitlupe, alles da. Ich könnte heulen, wenn ich nicht alle Tränen noch fürs Zwiebelschneiden bräuchte.

Minute 37: Geheiratet wird übrigens mit allem, was man schon seit Erfindung der Kinetographen in so ziemlich jeder anderen Filmproduktion gesehen hat. Limousine, Schloss, großer Empfang. Aber gut, “GZSZ” ist auch nicht wirklich für seinen Einfallsreichtum berühmt.

Minute 41: Einlauf der Braut. Hach. Noch mehr Schnulzengeklimper, viele lange Blicke. Können wir das bitte schnell hinter uns bringen? Ich wollte noch meinen Kühlschrank abtauen.

Minute 46: Selbstgeschriebene Liebesgeständnisse vor dem Altar. Wie schlimm kann das eigentlich noch werden? Das ist natürlich eine rhetorische Frage. Derweil klaut der Bräutigam die Liebeserklärung seines Bruders. Sapperlot. Ist der fies.

Minute 51: HP Baxxter versucht die Eheschließung zu verhindern. Das kennt man doch irgendwoher. Ach ja, “Die Reifeprüfung”.

Dummerweise hat er keinen Alfa Spider sondern nur ein doofes Hipster-Fahrrad. Mit dem er sich anfahren lässt. Und Dustin Hoffmann ist er auch nicht.

Zwei Frauen küssen sich

Minute 56: Alles vorbei, das Paar ist verheiratet. Leider läuft die Folge immer noch. “Ich könnte dir die Welt nicht zu Füßen legen, weil du die Welt für mich bist”, haucht sie zu ihm.

Hallo, kann mal jemand den Eimer bringen? Ich spüre da so etwas in mir aufsteigen und bin mir nicht sicher, ob es eine Emotion ist oder doch eher mein Abendessen.

Minute 75: Da, da, da, zwei Frauen küssen sich! Das regt wohl nur noch jemanden in der Welt von “Gute Zeiten, schlechte Zeiten” auf.

Minute 77: Jetzt fällt es mir ein, woher ich Hans-Peter Baxxter kenne. Also die mitllerweile blutverschmierte “GZSZ”-Variante von ihm. “Let’s Dance”! Der Verkrampfte, der wirklich dachte, das sei ein Tanzwettbewerb. Jetzt wird mir einiges klar.

Minute 89: Ah, ah, den kenn ich! Der war schon früher dabei! Aber fragen Sie mich nicht nach Namen. Die Jahre in der ewigen Soap-Mühle sind nicht spurlos an ihm vorbeigegangen.

Der Klausi-Beimer-Effekt. Teenieschwarm ist nicht mehr, also Matte und Gemütlichkeitsbäuchlein. Sei ihm gegönnt. Diese kreischenden Teenies sind auf Dauer eh nervig.

Entführung der Braut

Minute 90: Der Hochzeitstanz. Die Kamera dreht sich um das Paar. Wie romantisch. Das habe ich so wirklich noch nie gesehen.

Minute 92: Der Techno-Hipster stürmt die Hochzeit und faselt was davon, er sei unschuldig. Dann nimmt er die Braut mit einem Messer als Geisel. Er fordert, natürlich, ein Auto. Ob bei “GZSZ” vor jeder Szene ein Hut mit möglichst oft gebrauchten Filmsätzen herumgeht? Anders kann ich mir diese Dialoge wirklich nicht erklären.

Minute 93: Aber was rege ich mich über die Gespräche auf. Die Entführung sieht aus, als habe Mutti sie mit ihrem Nokia-Handy gedreht.

Minute 99: Noch ein großes Liebesgeständnis. “Du hast jemanden verdient, der ehrlich zu dir ist”, sagt HP zur Braut. Gibt es in der Serie eigentlich einen Satz, den man vorher nicht schon hunderttausend Mal gehört hat? Nein? Okay, war ja nur ‘ne Frage.

Minute 103: Der Techno-Zopf trägt die Braut über einen Acker. Klar, nichts ist so romantisch wie eine Entführung. GZSZ goes Stockholm Syndrom.

Minute 113: So, großes Geständnis. Alles löst sich auf. Dummerweise habe ich noch immer keine Ahnung, worum es geht. Egal, Jo Gerner ist mal wieder Schuld. So wie immer in den letzten 25 Jahren. Was für eine Überraschung.

Minute 120: HP Baxxter landet in der Psychiatrie. Das wurde auch Zeit, es ist geschafft! Auf das nächste Vierteljahrhundert. Ohne mich.

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