6.000 Folgen "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" gibt es mittlerweile. Unser Autor hat keine davon gesehen. Für uns schaute er sich die Jubiläumsfolge in Spielfilmlänge an. Und ist sich jetzt sicher: Die nächsten 6.000 Folgen kommen auch ganz gut ohne ihn aus. Das Minutenprotokoll.
Minus drei Minuten: Okay, gleich geht es los. Ich glaube, ich habe seit
Sekunde 1: Offensichtlich nicht. Das Logo erscheint. Ich bin so aufgeregt, ich bin so aufgeregt, ich bin so aufgeregt! Ach nee, 'tschuldigung, bin ich nicht.
Sekunde 30: Es gibt eine neue Anfangsmusik! Ich fand die alte besser. "Ich seh' in dein Herz, sehe gute Zeiten, schlechte Zeiten. Da da da da da …"
Erste Minute: Ein Mordgeständnis zwischen Tür und Angel. Das geht ja gut los. Klar, wenn man jemand um die Ecke gebracht, die Rübe rasiert, das Licht ausgehustet hat, spricht man darüber am besten im Treppenhaus. Einer, der aussieht wie Michael Stich mit Silberblick sagt zu einer Blondine: "Sie haben jemanden erschlagen. Das muss schlimm sein." Das nenne ich mal eine Erkenntnis. Nee, ist es natürlich nicht. Wenn ich zum Beispiel nicht gleich nach dem Aufstehen jemanden erschlage, werde ich ganz unruhig.
Vierte Minute: Den kenn ich, den kenn ich, den kenn ich! Joe Gerner ist immer noch dabei. Das muss hart sein. Natürlich weiterhin als Bösewicht. Er tuschelt mit einer jungen Frau, die aussieht wie die FSK-12-Variante von Lisbeth Salander aus "Millenium". Das schwarzhaarige Cybergirl hat auch Leichen verbuddelt. Meine Güte, was ist denn da bloß los? Ich dachte, das hier wäre "Gute Zeiten, schlechte Zeiten"! Wohl eher "Gute Leichen, beschissene Zeiten".
Fünfte Minute: Die beiden Verschwörer werden überrascht. Von einer hübschen Brünetten. Die versucht angestrengt misstrauisch zu schauen. Es gelingt ihr nicht. Na ja, sie hat noch 90 Minuten, um zu üben.
Immer noch Minute fünf: Der erste Werbeblock. Jetzt schon. Obwohl: Das WC-Ente-Lied gefällt mir besser als der neue Vorspann von GZSZ: "Das Frischesiegel schützt jeden Tag, tschüss Kalk, tschüss Sorgen." So schreibt man Hits!
Elfte Minute: Türkische Musik setzt ein. Dann kommen – genau, zwei türkische Schauspieler. Die sagen ständig "Alter" und "Bruder". Hach, ist das subtil. Fehlt eigentlich nur noch ein Döner. Der AfD gefällt das.
Zwölfte Minute: Der Knaller kommt noch. Einer von den beiden trägt einen Wickel um den Kopf. Das unmissverständliche Zeichen für: großes Aua Aua. Zu Recht. Er hatte eine Gehirnoperation. Bei der haben sie ihm nicht nur einen Tumor, sondern auch aus Versehen sein Gefühlszentrum entfernt. Kein Witz. Also jetzt: wirklich. Dem Drehbuchschreiber haben sie wohl noch viel mehr amputiert.
14. Minute: "Ich weiß, sie ist die Frau meines Lebens. Aber ich kann es ihr nicht mehr zeigen", sagt der Wickel-Türke. Mir fällt gerade auf: Er hat erstaunlich volles Haar für eine Gehirnoperation. Deswegen der Verband. Mehr war im Budget nicht drin.
15. Minute: Der schielende Michael Stich ist einer der Bösen. Er schaut die ganze Zeit grimmig. Das gelingt ihm nur unwesentlich besser als der Misstrauischen. Die heißt übrigens Jasmin. Sehen Sie, ich bin doch lernfähig. Ihre Mutter hat Stich engagiert, um den Vater der Misstrauischen zu ermorden.
24. Minute: Vater, Mutter, Bruder, wer auch immer, irgendwie sind alle tot. Ich komme mir vor wie bei "Game Of Thrones". Nur ohne Brüste.
33. Minute: Apropos Brüste, äh, "Game of Thrones": Ständig gibt es neue Charaktere. Glücklicherweise sitzen die immer nur in irgendwelchen hippen Wohnungen herum.
34. Minute: Aber wo ist eigentlich die Leiche? Die suchen Gerner und Katrin Flemming, so der offizielle Name der Mutter der Misstrauischen. Sie stapfen durch den Wald. Kurz darauf haben sie ein Loch so tief wie der Grand Canyon gegraben. Mit Klappspaten. Ja. Genau.
41. Minute: Mama Flemming steht mittlerweile in dem Loch. Das ist so tief, dass weder klar ist, wie sie dort reingekommen ist, noch, wie sie es jemals wieder verlassen soll. Dumm gelaufen. Vor allem weil Tochter Jasmin ihr gefolgt ist. Es kommt raus: Sie hatte Sex mit Frederic (wer war das jetzt wieder?). Ich hoffe schwer, bevor dieser ermordet wurde.
42. Minute: Mama jagt Jasmin durch den Wald. Wie ist die eigentlich aus dem mannshohen Loch gekommen? Na ja, Lappalien!
47. Minute: Die Polizei sichert die Leiche. Wo kommt die eigentlich auf einmal mitten in der Nacht her? Na ja, Lappalien!
50. Minute: Jasmin, eine Flasche Wodka, eine Brücke. Und dann kommt auch noch Michael Stich dazu. Besoffen spielen kann Jasmin übrigens genauso gut wie misstrauisch. Na ja, Lappalien!
54. Minute: Jetzt kommt eine Funzel ins Dunkel. Lisbeth Salander ist die Ex von Jasmin, Michael Stich hat Bilder gefälscht, damit es so aussieht als habe Maren (die Blonde vom Anfang) eine Affäre. Und ein Mordmotiv. Jasmin hingegen denkt, ihre Mutter Katrin habe Frederic (immer noch keine Ahnung, wer das ist) ermordet. Verhaften will die Polizei aber die Misstrauische. Alles klar? Nee, dachte ich mir.
64. Minute: So, endlich, jetzt aber: große Auflösung. Jasmin und ihre Mutter sind auf der Flucht vor der Polizei (fragen Sie nicht). Frederic ist der Vater der Misstrauischen. Wusste er vorher aber nicht, wie das eben so ist in Soaps. Also haben die beiden, knick knack, Sie wissen schon. Übrigens noch einmal als Frederic es schon wusste. Ui, ui, ui. Wenn nichts mehr geht, geht immer noch ein bisschen Inzest. Kennt man aus "Verbotene Liebe". Die Mutter konfrontiert ihn, Maren und Lisbeth kommen herein (warum auch immer), Frederic rastet aus und Maren zieht ihm irgendetwas über den Schädel. Tot. Wie diese Handlung. Findet auch Jasmin und übergibt sich am Straßenrand.
79. Minute: Und Michael Stich? Der will den Mord Jasmin anhängen, um sich an der Mutter zu rächen. Warum? "Es geht um Malaysia." Ach so, na klar, warum hat das denn nicht gleich jemand gesagt? Malaysia! Jetzt weiß ich Bescheid! Wissen Sie was? Ich geb's auf. Ich mach es einfach wie der Wickel-Türke und lasse mir alle Emotionen entfernen. Schlimmer als dieser Plot kann das auch nicht sein.
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