Die Alpinen Skiweltmeisterschaften 1985 in Bormio läuten die glanzvolle Karriere von "Stehaufmännchen" Markus Wasmeier ein. Nach vielen Rückschlägen und Höhepunkten im sportlichen Bereich sowie Ausflügen ins Fernsehgeschäft geht "Wasi" mittlerweile einer ungewöhnlichen Tätigkeit in seiner Heimat am Schliersee nach. Am Samstag (9. September) feierte er seinen 60. Geburtstag.
Pirmin Zurbriggen ist der beste Ski-Rennfahrer seiner Zeit, hat bei der Ski-WM schon in der Abfahrt und in der Kombination den Titel eingefahren. Nun also der Riesenslalom, Zurbriggens Spezialdisziplin. Aber er ist nach dem ersten Durchgang nur Zweiter. Zurbriggen legt einen fulminanten zweiten Lauf hin, hält Verfolger Marc Girardelli auf Abstand und lässt damit den Druck für den letzten Starter, den Schnellsten des ersten Laufs, unermesslich hochschnellen.
57 Tore liegen vor Markus Wasmeier, ein 21-jähriger Schlaks vom Schliersee. Wasmeier hat in seiner noch jungen Karriere noch kein Weltcup-Rennen gewonnen. Mit der frühen Startnummer 3 hat er die Verhältnisse am Hang - in Bormio scheint die Sonne, die Piste wurde im ersten Lauf von Fahrer zu Fahrer nasser und damit immer langsamer - perfekt ausgenutzt. Anderthalb Sekunden beträgt der Vorsprung auf die Verfolger.
Brille weg, Mütze weg… Weltmeister!
Nun aber hat Zurbriggen im zweiten Lauf seinen Job erledigt, eine Fabelzeit hingelegt. Wasmeier stürzt sich aus dem Starthäuschen, bleibt nach nur 14 Sekunden mit dem rechten Arm an einem Tor hängen. Seine Mütze verrutscht, damals gab es noch keine Helmpflicht. Wasmeier richtet während der Fahrt Mütze und Brille - und verliert beides nur Sekunden später.
Aus seinem Vorsprung aus dem ersten Lauf sind 52 Hundertstelsekunden Rückstand geworden, der Traum von der Medaille, vom Titel, ist fast schon dahin. Danach verschneidet es ihm an einem Übergang beinahe die Ski, Wasmeier landet fast im Schnee. Aber er ist so wahnsinnig schnell unterwegs auf den viel zu langen Brettern, die ihm Servicemann Paul König offenbar ganz vorzüglich präpariert hat.
Die letzten beiden Schwünge, eine kurze Schussfahrt, gerade hinein ins Ziel. Fünf Hundertstel Vorsprung auf Zurbriggen. Markus Wasmeier reißt die Arme hoch, hüpft durchs Ziel. "Du fährst über die Ziellinie und siehst diese '1' aufleuchten. Dabei hatte ich das während der Fahrt schon abgehakt", sagt er Jahre später.
Aber gar nichts ist abgehakt, jetzt geht es erst richtig los. Quasi über Nacht wird aus Markus Wasmeier der Wasi, ein neuer Liebling der Sportnation. Und, dafür wird er in den nächsten Jahren sorgen, der beste Skirennfahrer der Bundesrepublik.
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Schwere sportliche Niederschläge
Der Wasi wird herumgereicht: Darf im "Aktuellen Sportstudio", bei "Blickpunkt Sport" und bei "Wetten, dass…?" auftreten. Immer locker und leger, im Pulli und mit Jeans und diesem sehr speziellen Dialekt, den er partout nicht ablegen will. "Donn bin i ned i", sagt er und die Leute lieben ihn dafür. So wie sie zuletzt die Gold-Rosi Mittermaier geliebt haben.
Aber der Trubel kann auch anstrengend und belastend sein für einen Anfang Zwanzigjährigen. Wasmeier zieht sich wieder zurück und lernt auch die Schattenseiten des Ruhms kennen: Einsamkeit, Zweifel und den unbändigen Druck, der ab sofort auf ihm lastet.
Sportlich geht es zunächst weiter nach oben. Wasmeier gewinnt seine ersten Weltcup-Rennen, der Super-G wird zu seiner Spezialdisziplin. In Wengen siegt er am gefürchteten Lauberhorn - und das in der Abfahrt. Ein Ritterschlag, der ihn in die absolute Weltspitze der Speed-Disziplinen katapultiert. Nach Bronze bei der WM 1987 im Super-G dann aber ein erster großer Schock.
Bei der Weltcup-Abfahrt im japanischen Furano hebt Wasmeier bei einem weiten Sprung ab und landet nach einem Flug über 30 Metern auf dem Rücken. Der fünfte und siebte Brustwirbel zertrümmern dabei. Ein halbes Jahr dauert die Reha, dann kehrt Wasmeier rechtzeitig zur Olympia-Saison 1987/88 zurück. In Calgary ist er einer der Topfavoriten auf Gold im Super-G.
Wasmeier erwischt die Startnummer 6, alles ist vorbereitet für eine große Fahrt. Die schon am ersten Tor endet. Wasmeier fädelt ein. In einem Super-G, bei Olympia, nach drei Sekunden, am ersten Tor. Es ist die größte Niederlage seiner Laufbahn und Wasmeier erfährt nun, wie flüchtig der Erfolg und vermeintliche Freundschaften sind.
Aus dem Nichts: Doppel-Olympiasieg in Lillehammer
In den Jahren danach fährt Wasmeier seiner Form fast nur noch hinterher. Vereinzelt gelingen noch Siege im Weltcup, bei den folgenden Weltmeisterschaften und bei Olympia 1992 in Albertville geht er aber leer aus. Nach einem Knöchelbruch findet er nur schleppend in den Renn-Winter 1993/94, der im Februar mit den Olympischen Spielen in Lillehammer seinen Höhepunkt erreichen soll.
Wasmeier kann bis dato mit der Weltspitze nicht mehr mithalten. Der Abfahrtslauf bei den Spielen endet in einem sportlichen Desaster: Mit fast drei Sekunden Rückstand auf Olympiasieger Tommy Moe wird Wasmeier 36. und damit Viertletzter. "Die Presse hat mich zerrissen", sagt Wasmeier über die schwere Zeit danach. Zum Glück steht schon bald das nächste Rennen an, nur vier Tage später: Der Super-G, seine Lieblingsdisziplin. Und die vermeintlich letzte Chance auf eine olympische Medaille.
Wasmeier geht mit Startnummer vier ins Rennen, direkt hinter Abfahrtssieger Tommy Moe. Und diesmal hat er keine drei Sekunden Rückstand. Am Ende sind es acht Hundertstel Vorsprung. Kein anderer rast so schnell die Piste in Kvitfjell hinunter wie Wasmeier an diesem Tag. Gold im Super-G! Und wiederum nur sechs Tage später Gold im Riesenslalom! Neun Jahre nach dem Triumph von Bormio.
Als Außenseiter reist Markus Wasmeier nach Lillehammer, schwer geschlagen in der Abfahrt. Als Doppel-Olympiasieger kehrt er dann von diesem Märchen zurück. Zuletzt hatte 58 Jahre zuvor ein deutscher Skirennfahrer eine olympische Goldmedaille gewonnen. Ein paar Wochen später verkündet Markus Wasmeier seinen Rücktritt vom aktiven Rennsport.
Repräsentant seiner Heimat
Wasmeier versucht sich bei der Karriere nach der Karriere als TV-Experte und "erfindet" dabei die Handkamera-Abfahrten, um den TV-Zuschauern zu Hause einen "echten" Eindruck von den Pisten im Ski-Weltcup zu vermitteln. Es folgen Auftritte in Fernsehfilmen, später die Moderation einer Spielshow bei einem privaten Fernsehsender. Das alles sind aber lediglich Ausflüge in eine lange verblichene Welt. Wasmeiers Lebenswerk bleibt zu Hause am Schliersee.
Im Jahr 2007 eröffnet er das "Markus Wasmeier Freilichtmuseum Schliersee". Eine Art Dorf aus 22 Häusern mit verschiedenen Höfen, einem Wirtshaus, einer Schmiede, Schreinerei, Schusterei, Brennerei und einer Dorfkapelle. Wasmeier hat das alles mithilfe zahlreicher Spenden wieder neu aufgebaut, nachdem die Bauwerke zu verfallen drohten. Hier kann er sein, wie er ist.
Als gelernter Maler und Lackierer sowie Sohn eines Lüftmalers hat Wasmeier schon früh einen Bezug zu handwerklichen Arbeiten entwickelt, auch sein Wohnhaus selbst erbaut. Mit dem Museum will er zwischen Kultur und Geschichte vermitteln, wie er selbst sagt: "Ich möchte Traditionen und Brauchtum erlebbar machen, erzählen und für kommende Generationen lebendig halten."
Auch das ist ihm, wie so vieles in seinem Leben, auf eindrucksvolle Weise geglückt. An diesem Samstag wird Markus Wasmeier 60 Jahre alt. Oder, wie er es vermutlich selbst sagen würde: 60 Jahre jung.
Verwendete Quellen:
- ardmediathek.de: Markus Wasmeier - Nach dem Rennen
- Homepage von Markus Wasmeier
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