Der Ski-Winter hat noch gar nicht richtig begonnen und trotzdem steht schon der erste dicke Streit zwischen Verbänden und Ausrichtern ins Haus. Dabei sind die Debatten um den Rennkalender der Alpinen vor allem eines: Scheindebatten ohne Lösung.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Stefan Rommel sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Zur Ironie dieser Geschichte gehört, dass ein von Österreichs Gnaden eingesetzter "König" nun zum Feindbild des Österreichischen Ski-Verbands (ÖSV) wird: Als im Sommer 2021 die Wahl zum Präsidenten des Internationalen Ski-Verbands (Fédération Internationale de Ski - FIS) anstand, verhalf unter anderem der damalige ÖSV-Chef Peter Schröcksnadel dem Schweden Johan Eliasch ins Amt. Schröcksnadel, nicht nur im eigenen Verband umstritten, stand damals schon vor der Ablösung, eine seiner letzten großen Entscheidungen sollte Eliasch den Weg ebnen und nicht wie zuvor erwartet, dem Schweizer Ura Lehmann.

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Seitdem ist es unruhig innerhalb des Internationalen Ski-Verbands und das liegt nicht nur daran, dass Eliasch neben seinem Job im Verband als Großaktionär immer noch eng verbunden ist mit HEAD, einem der größten Ski-Hersteller. Bis zu seiner Wahl war der Schwede mit britischem Pass dort Vorstandsvorsitzender und CEO, seitdem ist er - zumindest offiziell - raus aus dem operativen Geschäft.

Irritierende Sätze vom FIS-Boss

Wenige Stunden vor den Auftaktrennen in Sölden in Tirol am letzten Oktober-Wochenende setzte Eliasch eine gleichermaßen überraschende wie irritierende Aussage in die Welt. "Ich verstehe auch nicht, wer sich im Oktober für Skirennen interessiert und warum wir auf Gletschern ohne Schnee fahren. Ich hoffe, dass der ÖSV offen ist für eine Verlegung nach hinten", sagte Eliasch in einem ORF-Beitrag. Gerade so, als habe die FIS auf die Planung und Ausgestaltung der Rennkalender keinen Einfluss.

Entsprechend fiel die Replik vonseiten des ÖSV aus. "Wir sind und waren immer gesprächsbereit und werden eine gute Lösung gemeinsam mit der FIS finden", blieb der neue Generalsekretär Christian Scherer noch vergleichsweise neutral. ÖSV-Präsidentin Roswitha Stadlober, die Nachfolgerin von Schröcksnadel, äußerte schon etwas zugespitzter: "Da gehören alle an einen Tisch, wir haben uns noch nie verschlossen. Da gehört das Organisationskomitee dazu, wir, die FIS, dann werden wir gemeinsam entscheiden, was die beste Lösung ist."

Unterm Strich will nun also offenbar niemand so recht dafür verantwortlich sein, dass bereits im Oktober auf den Gletschern wieder Rennen stattfinden, stattdessen schiebt eine Seite der anderen den Schwarzen Peter zu. Dabei garantiert auch ein späterer Einstieg in die Saison im November oder Dezember keine Schneesicherheit, einzig höher gelegene Gebiete wie der Austragungsort der nächsten Rennen auf dem Theodulgletscher im schweizerisch-italienischen Grenzgebiet in Zermatt minimieren das Risiko des Schneemangels.

Änderungen bedeuten weniger Rennen

Die Kulisse der Rennen in Sölden geriet dann auch nicht so ernüchternd, wie es wohl befürchtet worden war: Am Rettenbachgletscher lag schon gehörig Schnee, Bilder von grasgrüner oder brauner Umgebung neben einer künstlich präparierten Piste suchte man vergeblich. Trotzdem kündigte FIS-Generalsekretär Michel Vion bereits an: "Wir werden das Opening wieder anpassen." Was nichts anderes heißt als: wieder einige Wochen nach hinten verlegen.

"Wenn wir zwei oder drei Wochen weiterrücken, wird das Konsequenzen haben."

FIS-Generalsekretär Michel Vion über eine Veränderung des Rennkalenders

Allerdings wird das automatisch dazu führen, dass aus dem dicht gedrängten Kalender einige Termine gestrichen werden müssen. Bereits in den letzten Jahren fielen einige Klassiker den Rennen in Übersee zum Opfer. Nun erwartet die Branche rund ein Drittel weniger Rennen bei einem deutlich späteren Saisonstart. Von je 30 oder 32 Wettbewerben bei den Männern und Frauen sprach Vion. In dieser Saison sind jeweils 45 Rennen angesetzt. "Wenn wir etwas ändern, müssen wir alles ändern. Wenn wir zwei oder drei Wochen weiterrücken, wird das Konsequenzen haben", so Vion.

Konsequenzen, die wiederum die Veranstalter fürchten: Weniger Rennen bedeuten weniger Tourismus, weniger Marketing und damit letztlich weniger Umsatz und Gewinne. Speziell in Österreich, wo insgesamt fünf Renn-Wochenenden geplant sind und damit so viele wie in keinem anderen Land.

Hinzu kommt: Die Rennen in Übersee sind zwar wichtig für die Internationalisierung des grundsätzlich auf Europa beschränkten Sports - im Kernmarkt dürfte sich das Interesse an den Rennen in Killington/USA oder im kanadischen Tremblant aber in Grenzen halten. In Österreich oder auch in der Schweiz nahm der Alpin-Sport jahrzehntelang eine identitätsstiftende Rolle ein, hier versammelte sich die Nation vor dem Fernseher oder an den Pisten. Dieses Gefühl ist in den letzten Jahren etwas verflogen. Und auch im internationalen Sport-Markt spielen die Alpinen längst nur noch eine Nebenrolle, seine Relevanz schwindet gefühlt von Jahr zu Jahr.

Diskussionen wie jene um den Rennkalender sind da nur ein Alibi. Denn am Ende geht es sowohl den Verbänden als auch der FIS nur um eines: die Angst, mit dem Skisport irgendwann nicht mehr genug Geld verdienen zu können. Die Diskussionen im Spannungsfeld zwischen den Folgen des Klimawandels und der Absicht, mit dem Amüsierbetrieb noch mehr Geld zu verdienen und den Ski-Sport als eine möglichst globale Attraktion zu bewahren, kommen deshalb wie Scheindebatten daher - eine für alle Seiten zufriedenstellende Lösung gibt es nicht.

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