Beim Deutschen Ski-Verband gibt es nicht den einen Mannschaftsarzt. Stattdessen gibt es in Deutschland aber auch Übersee ein ganzes Netzwerk von Ärzten, die dem DSV im Fall der Fälle zur Verfügung stehen. Dr. Rüdiger Kirr gibt Einblick in dieses System, für das es vor allem finanzielle Gründe gibt.

Ein Interview

Herr Kirr, die Wintersport-Saison ist mit dem Ski-Weltcup am Wochenende gestartet. Waren Sie in die Vorbereitung der Saison involviert?

Mehr News zum Thema Wintersport

Dr. Rüdiger Kirr: In der Sommer-Vorbereitung ist bis auf das "Übersee Training" keiner von uns Ärzten direkt mit der Mannschaft dabei. Da ist der Pool an Ärzten, der für den Deutschen Ski-Verband arbeitet, einfach zu klein. Betreut werden die Athletinnen und Athleten in dieser Phase nur vom begleitenden Physiotherapeuten. Bei Verletzungen oder Fragen stehen wir aber selbstverständlich zur Verfügung.

Wo wird denn in der Vorbereitung trainiert?

Das hängt natürlich viel von der Wetterlage und dem Schnee ab. Geplant ist für die meisten Disziplinen ein sogenanntes "Übersee Training", dass entweder in Südamerika oder Neuseeland stattfindet. Hier ist auch immer ein Arzt mit dabei, denn das Training erstreckt sich meistens über drei bzw. vier Wochen. Wenn die Mannschaft aber heimatnah, z.B. an einem der Olympia-Stützpunkte trainiert, beispielsweise in München oder Garmisch-Partenkirchen, gibt es dort einen Arzt, der in kürzester Zeit wegen einer Verletzung erreicht werden kann.

Das muss aber nicht ich sein. Ich habe hier in der Praxis meinen Hauptberuf (Orthopädisches Zentrum in Wolfratshausen, Anm.d.Red.), muss hier ich auch meine Patienten versorgen und somit auch mein Geld verdienen. Ich oder meine Kollegen könnten es uns nicht erlauben, für eine kurze Behandlung den ganzen Tag oder sogar mehrere Tage am Stück die Mannschaft skiärztlich zu betreuen. Hier gibt es zum Glück ein großes Netzwerk an Ärzten, die für den Skiverband arbeiten und nicht nur in Deutschland gut verteilt sind, sondern eben auch in Österreich und Italien. Jeder von uns Mannschaftsärzten macht die Betreuung bis auf die Aufwandsentschädigung ehrenamtlich.

Heißt?

Wir kriegen kein Geld dafür. Du erhältst eine Aufwandsentschädigung und vor der Saison eine Ausstattung des DSV, von dessen Sponsoren. Das sind ein paar T-Shirts, eine Winterhose, eine Skijacke und ein paar Kleinigkeiten. Bei der Skibetreuung vor Ort sind aber Kost und Logis mit dabei.

Sie investieren in die Betreuung der DSV-Athletinnen und -Athleten also Ihre Freizeit?

Jeder von uns Ärzten schaut, dass er ein, zwei Rennen während des Winters aus seinem vollen beruflichen Kalender betreut, sodass wir letztendlich den ganzen Rennkalender in einer Wintersaison abdecken können.

Wer ist dabei, wenn sich der Tross in Amerika aufhält?

Meist kein deutscher Arzt. Das ist eine Kostenfrage. Eine Person mit Flug, mit Unterkunft, mit Hotel, mit Essen, mit Trinken, mit allem Drum und Dran, kostet den DSV mehrere tausend Euro. Und wenn der Staff vom DSV zu groß ist, können die Kosten möglicherweise nicht komplett gedeckt werden bzw. müssen an anderer Stelle eingespart werden. Deshalb fliegen die Mannschaften vom DSV auch zu den Rennen nach Kanada oder in die USA ohne eigenen Arzt.

Und was geschieht mit Athletinnen und Athleten, wenn etwas passiert ist? Wenn sie sich verletzt haben?

Dafür gibt es Kooperationen. Die Betreuung von Verletzten übernimmt z.B. ein amerikanischer Arzt vor Ort, dieser fährt im Falle einer Verletzung auch mit den Athleten ins Krankenhaus. Im Anschluß nimmt er dann mit dem deutschen Mannschaftsarzt Kontakt auf. Dann sind die Fragen: Ist die Athletin, ist der Athlet transportfähig? Wann soll gegebenenfalls operiert werden? Wo kann operiert werden?

Wie sieht es aus, wenn die Weltcup-Rennen in Europa stattfinden?

Auch dafür gibt es Kooperationen mit Ärztinnen und Ärzten vor Ort. Es ist - vor allem außerhalb des Weltcups - auch dann nicht unbedingt ein Mannschaftsarzt des DSV dabei. Auch, wenn es keinen Flug zu bezahlen gibt. Es bleibt eine Frage des Budgets und der Verfügbarkeit an Ärzten. Gerade in den Skidisziplinen muss der Gürtel immer enger geschnallt werden als beispielsweise im Fußball oder in anderen Sportarten.

Zum Gesprächspartner

  • Dr. Rüdiger Kirr ist seit 2020 offizieller Mannnschaftsarzt des DSV. Der Orthopäde und Unfallchirurg betreut Athletinnen und Athleten in den Disziplinen Alpin, Ski Cross und Freeski aber bereits seit 2016. Kirr ist gemeinsam mit seinen Kollegen Leonhard Gliera und Hermann Unterhuber im Orthopädischen Zentrum in Wolfratshausen tätig. Als Mannschaftsarzt wäre Kirr vor rund zehn Jahren beinahe an der Seite seines Freundes Volker Braun beim FC Bayern München gelandet.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.