Das Schicksal der früheren Tennisspielerin Peng Shuai ist weiterhin ungeklärt, die WTA-Tour spielt nun trotzdem wieder in China. Die einst markigen Forderungen sind längst verklungen und vergessen.
Wo ist Peng Shuai? Eine zufriedenstellende Antwort auf diese beunruhigende Frage gibt es immer noch nicht, selbst nach bald zwei langen Jahren. Riesig war der Aufschrei, als die chinesische Tennisspielerin nach Missbrauchsvorwürfen gegen einen hochrangigen Politiker aus der Öffentlichkeit verschwand. Die WTA polterte, die Stars der Szene sorgten sich, sogar die Vereinten Nationen schalteten sich ein. Und heute? Wirkt es, als hätte es den Fall Peng Shuai nie gegeben. Ganz im Sinne von: Back to business.
Denn von den einst großen Aussagen bis hin zum Rückzug der Frauen-Tour aus China ist nichts übrig geblieben. In dieser Woche spielt die WTA das erste von sieben Turnieren im Reich der Mitte, für die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch eine "riesige Enttäuschung". Denn eigentlich hatte die WTA ihren Verzicht auf Turniere in China im Dezember 2021 explizit mit der Ungewissheit über Pengs Schicksal begründet - und an dieser Ungewissheit hat sich nichts geändert.
Experte: WTA hat vor China kapituliert
"Das ist eine totale Kapitulation", sagte der in China ansässige Sportanalyst Mark Dreyer der Nachrichtenagentur AFP: "Es wäre für das Image der WTA fast besser gewesen, wenn sie diese Haltung nicht eingenommen hätte." Dabei war es ein starkes Signal, als die Spielerinnenorganisation lautstark Aufklärung gefordert und trotz drohender Einnahmeverluste alle Turniere in China ausgesetzt hatte.
Die Angelegenheit sei "größer als das Geschäft", betonte WTA-Boss Steve Simon damals vollmundig. Nach 16 Monaten, in denen in China aufgrund strenger Corona-Maßnahmen außer den Olympischen Winterspielen 2022 ohnehin keine sportlichen Großveranstaltungen stattfanden, knickte die WTA aber fast bedingungslos und kleinlaut ein.
Welttennisverband rechtfertigt sich
"Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir die Ziele niemals vollständig erreichen werden", stellte die WTA im April fest: "Und es werden unsere Spielerinnen und Turniere sein, die letztendlich einen außerordentlichen Preis für ihre Opfer zahlen werden."
Ein Einknicken des Geldes wegen, vor der Pandemie schütteten die chinesischen WTA-Turniere allein rund 28 Millionen Euro Preisgeld aus, dazu kommt das enorme wirtschaftliche Potenzial des chinesischen Marktes. Anders als die WTA hatte sich die Männer-Tour ATP nicht einmal zu einer Boykott-Drohung durchringen können, seit dieser Woche schlägt auch sie wieder in China auf.
Peng Shuai ist aus der Öffentlichkeit verschwunden
Das Wohlergehen Peng Shuais rückt dabei immer mehr in den Hintergrund. Seit einem arrangierten Gespräch mit IOC-Präsident Thomas Bach Anfang 2022 und wenigen inszeniert wirkenden Auftritten am Rande der Winterspiele von Peking ist die mittlerweile 37-Jährige nahezu komplett aus der Öffentlichkeit verschwunden.
Den gewünschten direkten Kontakt mit Peng konnte die WTA nicht erreichen. Simon betonte aber, dass ihm Personen aus dem Umfeld der früheren Nummer eins der Doppel-Weltrangliste versichert hätten, dass Peng "sicher bei ihrer Familie in Peking lebt". Überzeugend ist das nicht.
Als eine der ersten Spielerinnen nach Pengs Verschwinden hatte Alize Cornet im November 2021 in den sozialen Medien mit dem Hashtag "WhereIsPengShuai" Aufklärung verlangt. Auf die aktuelle Turnierserie in China verzichtet die Französin nun, um ihren "Überzeugungen" treu zu bleiben. Leider ist sie damit ziemlich allein. (SID/cgo)
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.