- Langlauf-Olympiasiegerin Katharina Hennig sorgte mit Victoria Karl für einen der Gänsehaut-Momente bei Olympia 2022 aus deutscher Sicht.
- Im Interview mit unserer Redaktion verrät sie, warum sie vor dem Gold-Rennen nicht nervös war und wie ihr Umfeld reagiert hat.
- Außerdem äußert sich Hennig zu den Gerüchten um verbotenes Skiwachs und bewertet die Spiele in Peking aus ihrer Sicht.
Frau Hennig, Sie sind Olympiasiegerin im Teamsprint geworden. Wie fühlt sich dieser Olympia-Sieg ein paar Tage später an?
Katharina Hennig: So langsam fange ich an, das Ganze zu realisieren. Im Moment, als es passierte prasselten sehr viele Emotionen auf mich ein. Aber bis man alles begreift hat es schon eine Weile gedauert und ich bin nach wie vor noch in diesem Prozess. Es wird wohl auch noch eine Weile dauern, bis es komplett bei mir ankommt. Ich bin dann früher zurück nach Deutschland, dort ist meine Familie jetzt zu Besuch und wenn man sich dann das Rennen noch einmal zusammen anschaut, hilft es, das alles zu verarbeiten.
Blicken wir auf das Gold-Rennen im Teamsprint: Am Morgen gab es kurzfristig einen Wechsel ihrer Partnerin. Katharine Sauerbrey fühlte sich nicht wohl und Victoria Carl sprang ein. Inwiefern hat Sie das beeinflusst?
Natürlich war es eine besondere Situation, aber es hat mich in keiner Art und Weise beunruhigt, da wir eine Luxussituation hatten. Die Kate (Katharine Sauerbrey; Anm. d. Red.) hat es komplett richtig gemacht. Bei einem solchen Rennen muss man eine solche Entscheidung auch erst einmal treffen, dafür hat sie allerhöchsten Respekt verdient. Vicky hatte sich die ganze Zeit so vorbereitet, als ob sie laufen würde. Daher war ich nicht nervös, weil ich wusste, dass die Vicky das genau so gut machen wird.
Warum waren Sie nicht nervös?
Natürlich war ich etwas angespannt, aber doch relativ wenig im Vergleich zu anderen Wettbewerben. Ich hatte eine Sicherheit, dass wir etwas hinbekommen werden. Denn ich hatte bereits einige Rennen auf den dortigen Strecken absolviert und wusste, wie ich die Rennen angehen musste. Es waren spezielle Bedingungen dort mit der Höhenlage und dem Schnee. Dazu hatte ich den Staffelerfolg im Rücken, der für zusätzlichen Auftrieb sorgte. Wir haben uns auch nicht mehr unter Druck gesetzt, sondern gesagt: "Alles, was jetzt noch kommt, ist Kompott."
Im Verlauf des Rennens kristallisierte sich eine Vierergruppe heraus, wodurch dann klar war, dass eine Mannschaft leer ausgehen wird. Wann hatten Sie das erste Mal das Gefühl, dass es mit einer Medaille klappen könnte?
Nachdem ich meine letzte Runde absolviert hatte, spürte ich, dass wir es geschafft haben, unseren Plan umzusetzen. Der hätte natürlich auch schiefgehen können. Doch Vicky konnte sich in ihren ersten beiden Runden schonen und ich konnte alle Lücken wieder zulaufen. Als Vicky am letzten Anstieg noch gut aussah, wusste ich, dass auf jeden Fall was drin ist. Aber wie es dann kam, hätte ich so niemals gedacht.
Kein Wettbewerb gegen "Übermenschen"
Haben Sie sich im Vorfeld vielleicht auch etwas mehr ausgerechnet, weil zum Beispiel die Norwegerinnen doch schwächelten bei Olympia?
Es gibt dort mit Heidi Weng, die Olympia aufgrund einer Corona-Infektion verpasste und Therese Johaug zwei überragende Athletinnen. Sind die aber nicht da, ist das Team schlagbar, weil dann keine "Übermenschen" mehr da sind. Was uns aber richtig stolz macht ist, dass wir die beiden Medaillen nicht "erduselt" haben oder sie bekommen haben, weil andere geschwächelt haben, sondern weil wir sie uns erkämpft haben. Das macht es noch schöner.
Wie hat Ihr Umfeld auf den Olympia-Sieg reagiert und was hat sich seither in Ihrem Leben verändert?
Privat hat sich nichts verändert, was auch schön ist. Als ich nach den beiden Medaillen zuhause angerufen habe, hat dort auf gut Deutsch "die Hütte gebrannt". Das Interesse am Langlauf ist in jedem Fall größer geworden. Das ist schön, weil der Langlauf doch einiges an Popularität verloren hat in den vergangenen Jahren.
Was sagen Sie zu den Vorwürfen aus finnischen und schwedischen Medien, dass das deutsche Team angeblich ein verbotenes Wachs benutzt haben soll?
Das Ganze geht von einer Journalistin aus, die in Peking auch bei der Pressekonferenz dabei war. Das ist einfach totaler Käse. Wenn man sich ein bisschen mit dem Thema auskennt, weiß man, dass diese verbotenen Wachse bei den Bedingungen in Peking gar nichts gebracht hätten. Diese würden nur bei warmen Bedingungen helfen. Aber sie sind ja eh verboten, von dem her hat man sie ja auch gar nicht mehr im Wachssortiment. Ich kann dazu nur sagen: Man muss auch verlieren können. Es ist auch nicht so, dass bei uns nicht entsprechende Vorleistungen dagewesen wären. Wir sind nicht von Platz 40 im Weltcup plötzlich nach vorne gestürmt. Es wird teilweise hingestellt, als sei es eine unmenschliche Leistungssteigerung gewesen, das ist so nicht richtig.
"Ich habe mich sicher gefühlt"
Wie haben Sie die Spiele in Peking insgesamt aus Teilnehmerinnensicht erlebt?
Aus unserer Sicht und wie wir dort den Alltag erlebt haben, war es sehr, sehr positiv. Verglichen mit den Spielen vor vier Jahren in Pyeongchang war es in vielerlei Hinsicht besser. Damit meine ich das viel schönere Olympische Dorf, die Wohnungen waren schöner und höher vom Standard her. Es war gut organisiert und ich habe mich sicher gefühlt. Zudem waren alle Helfer dort sehr freundlich. Für uns Sportler war es super, alles andere können wir nicht entscheiden. Es ist daher auch schwierig, von uns einen Olympia-Boykott zu verlangen, schließlich arbeiten wir ein Leben lang auf die Teilnahme an diesem Event hin.
Wie geht es jetzt für Sie weiter nach dem Olympiasieg oder haben Sie jetzt bereits alles erreicht?
(lacht) Wenn das so wäre, dann wäre ich nicht Leistungssportlerin. Tatsächlich geht es jetzt erst richtig los. Es war immer mein Ziel eine Medaille bei einem Großereignis zu gewinnen. Dass es jetzt und auf diese Art und Weise gelingt, damit war nicht zu rechnen. Aber das motiviert uns und mich weiter hart zu arbeiten und dranzubleiben, um irgendwann noch einmal so etwas zu schaffen. Die Erwartungen und der Ehrgeiz sind nicht geschrumpft, eher im Gegenteil.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.