Miriam Butkereit hat die Negativserie des deutschen Judo-Teams in Paris beendet. Die 30-Jährige gewinnt Silber und feiert den größten Erfolg ihrer Karriere - doch die Judoka wollte mehr.
Miriam Butkereit kauerte wie versteinert am Boden, holte sich ein Küsschen von ihrem Freund - und kämpfte dann lange mit den Tränen. Die Silbermedaille sei "surreal", sagte die Judoka zwar nach ihrem mindestens überraschenden Vorstoß ins olympische Finale. Doch Butkereit wollte auf der ganz großen Bühne nicht weniger als alles.
"Gerade habe ich eher Gold verloren und nicht Silber gewonnen. Ich hoffe, das wird sich in den nächsten Tagen ändern", erklärte die 30-Jährige nach der knappen Niederlage im Endkampf der Klasse bis 70 kg gegen die kroatische Europameisterin und Weltranglistenerste Barbara Matic mit brüchiger Stimme. Wenn sie nicht so sei, wie sie ist, "wäre ich nicht da, wo ich bin", beschrieb die Athletin vom SV Halle philosophisch ihren unbändigen Ehrgeiz.
Olympia-Silber ist der größte Erfolg ihrer Karriere, bei aller Enttäuschung im ersten Moment. Oft hatte die 1,80 m große gebürtige Hamburgerin auf der Matte um eine Medaille bei den großen internationalen Meisterschaften gekämpft. Der ganz große Coup aber ließ auf sich warten - bis sie am Mittwoch im Grand Palais Ephemere bei ihrem Olympia-Debüt den Wettkampf ihres bisherigen Lebens bestritt. "Das kommt für mich nicht überraschend", sagte DJB-Leistungssportvorstand Hartmut Paulat: "Miriam ist in der Weltspitze, sie gehört mit dazu."
Butkereit wurde in der Vorbereitung von einem Innenbandriss ausgebremst
Auf dem Weg in den Endkampf passte alles: Nach dem Freilos in Runde eins bezwang die Bundespolizistin, die in der Olympia-Vorbereitung noch von einem Innenbandriss und einer Gehirnerschütterung ausgebremst wurde, jeweils per Ippon erst die Australierin Aoife Coughlan und dann Gabriella Willems aus Belgien. Im Halbfinale hatte Butkereit gegen die österreichische Fahnenträgerin Michaela Polleres die größeren Kraftreserven. Im Finale siegte Matic durch einen Waza-Ari, eine kleine Wertung.
Das Mittelgewicht erwies sich erneut als deutsche Medaillenbank, seit Olympia 2004 bejubelt der Deutsche Judo-Bund (DJB) nun bereits die vierte Medaille in der Gewichtsklasse bis 70 kg: Vor 20 Jahren in Athen holte Annett Böhm Bronze, Kerstin Thiele 2012 in London Silber, Laura Vargas Koch 2016 in Rio Bronze - und nun Butkereit wieder Silber.
2024 ist das Jahr der Wahl-Kölnerin: Nachdem sie vor drei Jahren noch ihrer deutschen Kollegin Giovanna Scoccimarro das begehrte Olympia-Ticket überlassen musste, feiert Butkereit in diesem Jahr einen Erfolg nach den anderen. Mit den Triumphen beim prestigeträchtigen Grand Slam in Paris sowie in Taschkent hatte sie ihren Startplatz für Paris gesichert - und selbstbewusst auch Ansprüche angemeldet.
"Bei Olympia ist alles möglich", hatte Butkereit im Vorfeld gesagt, und sie sollte Recht behalten.
Der DJB holte damit seine erste Medaille in Paris, noch bevor Deutschlands Fahnenträgerin und Weltmeisterin Anna-Maria Wagner (bis 78 kg) am Donnerstag ihre Goldmission startet. Durch Silber für Butkereit sei auch "ein bisschen Druck" vom Team genommen worden, "auch morgen für Anna-Maria", sagte Paulat. (SID/lh)
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