Die Freude brach aus Raphael Holzdeppe heraus wie aus einem Vulkan. "Jetzt bin ich Weltmeister - alles ist geil!" Er, der erste deutsche Stabhochspringer mit einer Goldmedaille bei einer Leichtathletik-Weltmeisterschaft, zappelte und rannte und wusste gar nicht wohin mit seiner Euphorie. Wer ihn vor der WM in Moskau 2013 noch nicht kannte, weiß spätestens jetzt: Dieser Goldjunge lebt für seinen Sport.
Raphael Holzdeppe wurde nach der Geburt in Kaiserslautern von einem deutschen Ehepaar adoptiert. Er wisse nicht, wo er herkomme, sagt er selbst, noch wer seine Eltern seien. Es ist eine Aussage, aus der eine Art Identitätskrise spricht, wie sie bei vielen adoptierten Kindern vorkommt. In Holzdeppes Fall ist sie jedoch längst überwunden.
Das liegt auch an seiner Familie, die er als "ganz normal" bezeichnet. Es liegt aber vor allem an seinem Sport. Holzdeppe hat im Stabhochsprung seine Identität als Profisportler mit ehrgeizigen Zielen festgelegt.
Mit 19 Jahren stellt er mit 5,80 den Juniorenweltrekord auf, wird Juniorenweltmeister und U23-Europameister - und jetzt eben Weltmeister. Seine Karriere verläuft äußerst geradlinig, auch weil der Sportsoldat bereit ist, alles dafür zu geben. Sein Fernstudium bricht er auf halbem Weg ab. Seine Erklärung für diese Entscheidung macht er mit Nachdruck öffentlich: "Ich bin jetzt Profisportler ..."
Holzdeppe ist erwachsen geworden
Auf der Jagd nach Erfolg ist die einzig logische Konsequenz für ihn, alle anderen Dinge hinten anzustellen. Auch Holzdeppes Entscheidung seinen Lebensmittelpunkt von seinem Heimatort Zweibrücken nach München zu verlegen, ist von dem Wunsch nach Erfolg getrieben. In München sind die Trainingspartner stärker, er sieht dort bessere Impulse sich persönlich weiterzuentwickeln. Sein früherer Trainer Andrej Tiwontschik zeigt Verständnis für den Weggang seines Schützlings: "Auch wenn es mir schwer fällt: Raphael ist erwachsen geworden, hat sich entwickelt und will jetzt sein eigenes Leben führen", sagte er damals dem Sportinformationsdienst "sid".
Holzdeppe will ein Leben leben, das vor allem vom Stabhochsprung bestimmt wird, so scheint es. Kaum ein Sportler trägt die Liebe zu seinem Sport so öffentlich zu Schau, wie es Raphael Holzdeppe tut. Bei jedem Wettkampf trägt er eine Kette. Das Motiv auf der Rückseite ist ein Stabhochspringer. Er hat sie sich mit 18 Jahren anfertigen lassen. Mit ihr um den Hals ist er den Junioren-Weltrekord gesprungen und Weltmeister geworden. "Ich bin kein abergläubischer Typ", sagte Holzdeppe im Sommer "tagesspiegel.de", "aber seitdem ich sie habe, läuft es wirklich besser."
Auf dem rechten Oberarm hat sich der Ausnahmesportler außerdem die Silhouette eines Stabhochspringers tätowieren lassen. Links trägt er das olympische Feuer und die fünf olympischen Ringe auf der Haut. Olympisches Gold fehlt ihm noch. Doch er ist auf dem besten Weg.
Trotzdem ist der jetzt errungene Weltmeistertitel etwas ganz besonderes für ihn - weil er der Erste war. "Es gibt nicht sehr viel, was man als erster Stabhochspringer erreichen kann", sagt er der Nachrichtenagentur "dpa". "Es gab den ersten Sechs-Meter-Sprung von Tim Lobinger, es gab alle möglichen Medaillen, es gab auch einen deutschen Olympiasieger. Aber Olympia ist erst in drei Jahren und dementsprechend bedeutet mir das wirklich sehr viel, dass ich was schaffen konnte, was mir keiner mehr nehmen kann."
Holzdeppe hat sich mit seinem Sport eine eigene Identität geschaffen, die mit dem Weltmeistertitel gerade um eine Facette reicher geworden ist. Deswegen ist es auch nur logisch, dass seine Aktionen nicht mit denen anderer Sportler verglichen werden sollen. Weil er nach seinem Sieg mit nacktem Oberkörper posiert, ermahnt er die Journalisten: "Aber nicht, dass ihr jetzt schreibt, ich hätte den Harting gemacht."
Diskuswerfer Robert Harting hatte sich nach seinem Sieg bei den Olympischen Spielen von London 2012 sein Trikot vom Leib gerissen. Sollte Holzdeppe 2016 in Rio de Janeiro ebenfalls Gold holen, wird er sicher seine ganz eigene Wendung prägen: "den Holzdeppe machen".
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.