• Viele Arbeitsmigranten verfolgen die WM abseits der Arenen am Stadtrand von Doha.
  • Ein Stadionbesuch ist für die meisten zu teuer.
  • Ihr Schicksal rückte seit Turnierbeginn in den Hintergrund.

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Die glitzernden Wolkenkratzer sind weit entfernt, die prunkvollen Arenen kaum zu erreichen, hier im Südwesten Dohas. Dort, wo all jene die große WM-Show Katars verfolgen, die sie überhaupt erst möglich gemacht haben. Bauarbeiter und Sicherheitskräfte, Busfahrer und Elektriker - Tausende pilgern täglich in ein Cricket-Stadion am Stadtrand, um Lionel Messi, Cristiano Ronaldo oder Neymar zaubern zu sehen.

Es sind überwiegend Männer aus Südasien, die in der Fanzone nahe der sogenannten Industrial Area auf einer riesigen Leinwand die Spiele verfolgen. In jenem Teil Dohas also, aus dem immer wieder schockierende Bilder der Lebensverhältnisse um die Welt gingen.

Der Mindestlohn (etwa 260 Dollar) ist zu niedrig, die Familien in der Heimat warten auf Geld. Ein Stadionbesuch? Einfach zu teuer. Die wenigen günstigeren WM-Tickets waren schnell vergriffen.

Arbeitsmigranten standen vor der WM 2022 in Katar im Fokus

Wie kaum eine andere Gruppe standen die Arbeitsmigranten im Vorfeld des umstrittenen Turniers im Fokus. Kritiker bemängeln, dass Katar sein Prestigeprojekt auf deren Rücken aufbaute, Menschenrechtler berichteten von Ausbeutung, Verletzungen und Tod - nicht nur beim Bau der WM-Stadien. Über den geforderten Entschädigungsfonds wird seit dem ersten Anstoß aber kaum noch diskutiert.

Die Fifa behauptet bislang, es gäbe einen "laufenden Dialog" über die Einrichtung eines solchen Fonds, den auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) fordert. Katars Arbeitsminister dagegen hatte den Vorschlag in einem AFP-Interview vor dem Turnier als "Werbegag" verspottet.

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Die Zweifel wachsen, wie ernst es Katar mit den Verbesserungen der Verhältnisse meint - nicht nur bei Amnesty International oder Human Rights Watch. Nicht wenige glauben, dass das Emirat die von Menschenrechtlern bestätigten, aber unzureichend umgesetzten Reformen wieder rückgängig machen könnte, wenn der WM-Scheinwerfer ausgeknipst wird.

Gastarbeiter: "Was, wenn die Fifa nicht mehr auf Katar schaut, weil die Show weiterzieht?"

"Das besorgt uns", sagte ein nepalesischer Gastarbeiter der Kreiszeitung Syke: "Was, wenn die Fifa nicht mehr auf Katar schaut, weil die Show weiterzieht?" Bezeichnend: Die Bilder von Tausenden Arbeitern am Lusail-Stadion als Ehrung für die Strapazen verschwanden zu Turnierbeginn offenbar plötzlich wieder.

Die WM-Spiele scheinen viele der Menschen, die täglich zur Fanzone in der Industrial Area kommen, dennoch zu genießen. Sie fiebern mit Argentinien, mit Brasilien oder mit Portugal, auch wenn originale Trikots ihrer Lieblingsteams für viele kaum zu finanzieren sind. Die Alternative? Hochwertige Fälschungen, die in Hinterhofgeschäften angeboten werden.

Er komme ins Stadion, "um sich zu amüsieren - und zwar billig", sagte einer der Männer im Cricket-Stadion. Bei Hindi-Popsongs und Bollywood-Videos rund um die Auftritte von Ronaldo, Messi und Co. rücken die Probleme der Menschen für 90 Minuten in den Hintergrund. (AFP/lh)

Interessiert Sie, wie wir über die WM in Katar berichten? Wir haben unsere Beweggründe in einem Text für Sie zusammengefasst.
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