In einer Saison, in der die Bayern einen Rekord nach dem anderen geknackt haben, ist der HSV kurz davor, seinen ganz eigenen Beitrag zu einer denkwürdigen Spielzeit zu leisten: Der Verein steht vor dem Abstieg.
"Es tut uns leid für unsere Fans" – wenig mehr als diese nichtssagende Standardbeileidsbekundung fällt sowohl Kapitän Marcell Jansen als auch Trainer (übrigens der dritte in dieser Saison) Mirko Slomka derzeit nicht ein. Groß prangt das Zitat auf der Website des Vereins. Doch die wenigsten Anhänger des HSV spiegeln diese Gefühlsregung. Mitleid für diese Mannschaft? Lieber nicht. Wer ackert und kämpft und im Eifer des Gefechts auch mal den Ball mit einem Papierknäuel verwechselt, der hat Mitgefühl verdient. Pech gehabt, weiter geht's – nächstes Mal wird alles besser.
Auf dieses bessere nächste Mal wartet man beim HSV jedoch vergeblich. Seit langem. Es mangelt einfach an allen Ecken und Enden. Besonders prekär: Neben den üblichen Defiziten, die man schlecht spielenden Fußballmannschaften vorwerfen kann, fehlt es den Hamburgern vor allem an Kampfgeist. Am Willen. Und nichts Schlimmeres gibt es für Fans. Denn über eine falsche Aufstellung oder vergeigte Torschüsse zu meckern, gehört quasi zum guten Ton in der Fankurve und vor den TV-Geräten. Aber was tun bei totaler Arbeitsverweigerung?
Nicht selten wurde in den vergangenen Jahren, in denen der HSV im bedeutungslosen Mittelfeld dümpelte, bei Anhängern der Wunsch nach einem radikalen Schnitt laut: Abstieg in die zweite Liga, kurz durchatmen – und dann wie Phoenix aus der Asche nach dem Aufstieg zum Titelgewinn. Den der Champions League natürlich gleich hinterher. Denn es gehört zum Selbstbild in der Hansestadt, dass der Verein natürlich erstklassig spielt. Immer. Und eigentlich auch international etwas zu melden hat. Wenn dem gerade nicht so ist – dann hat das viele Gründe. Nur nicht die eigenen Fehler. Doch niemand kann tatsächlich denken, dass ein Abstieg mehr bringen würde als – nun ja – den Abstieg. Weder das Chaos in Vereinsführung und –struktur würde sich automatisch bereinigen, noch die finanzielle Lage entspannen. Im Gegenteil!
Besonders viel kann man sich für den Titel "Bundesliga-Dino" nicht kaufen. Doch wenn in bierseligen Diskussion mit Bayern-, Werder- oder Dortmund-Fans ob der fehlenden Titel, der chronischen Erfolglosigkeit und geradezu hanebüchenem Gebaren der Chefetage des geliebten Vereins die Argumente ausgingen, ließ sich sich immer noch sagen: "Aber wir sind noch nie abgestiegen. Ätsch!"
Aber jetzt mal Butter bei die Fische: Der HSV steigt natürlich nicht ab. Das wird zwar nicht am Aufbäumen der Mannschaft liegen; nicht an einem Ruck, der eigentlich durch selbige gehen müsste – sondern am schrägen Humor des Fußballgotts, an der Abgelenktheit des FCB, am Unvermögen der direkten Konkurrenz, am Wetter. Und falls diese Prognose nicht zutrifft, gibt es zumindest für Münchner HSV-Fans und Auswärtsfahrer einen kleinen Trost: Bei Spielen gegen 1860 München kann man auch um 10 Minuten vor Anpfiff noch Karten kaufen. Und größere Platzwahl hat man außerdem.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.