Läuft es schlecht für einen Verein, wird schnell die Forderung nach einem Wechsel auf dem Trainer*innen-Posten laut. Aber wieso ist dieser Mechanismus im Fußball so breit akzeptiert? Und was können Alternativen zur Entlassung sein?

Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Mara Pfeiffer (FRÜF) dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die Saison der Bundesliga der Männer ist neun Spieltage alt und am unteren Ende der Tabelle finden sich unter anderem drei Vereine wieder, die in den letzten Jahren auch mit einer ganz besonderen Bindung zu ihrem jeweiligen Trainer punkteten.

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Sei es Bo Svensson in Mainz, Urs Fischer bei Union Berlin oder Steffen Baumgart in Köln: Dass diese Beziehungen passten wie der sprichwörtliche Arsch auf Eimer, darüber waren sich Verantwortliche und Fans einig.

Vom Heilsbringer zum Depp in neun Spieltagen

Nun also die sicherlich überraschend schlechten Starts der Clubs in die Saison und sofort wird an vielen Stellen danach gerufen, die üblichen Mechanismen des Geschäfts in Gang zu setzen, sprich, die Trainer zu entlassen. Wer gerade noch als Heilsbringer gefeiert wurde, ist plötzlich der Depp. Irgendwas muss man ja machen, wenn es nicht läuft. Und da eine ganze Mannschaft nicht so einfach auszutauschen ist, trifft es in der Regel die Übungsleiter*innen.

Verwunderlich ist, dass diese vermeintliche Gesetzmäßigkeit eine so breite Akzeptanz erfährt. "So funktioniert das nun mal", ist eine Bemerkung, die bei dem Thema oft geäußert wird, egal ob online oder in der analogen Welt. "Irgendwas muss man machen", lautet eine andere. "Du kannst eben nicht das ganze Team austauschen", "Die Spieler*innen brauchen neue Impulse." So ließe sich das noch ewig fortsetzen. Wieso aber können sich auf diesen Ansatz auch so viele Menschen einigen, die sonst protestieren, wenn es um Fußball als reines Business geht?

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Recht auf längere Pausen und Reflexion

Trainer*innen stehen in diesem Geschäft besonders im Fokus – und allein daraus entsteht ein besonderer Druck. Der Reflex, diesen damit zu verargumentieren, dass im Fußball auch viel Geld verdient wird, ist problematisch: Weil Geld nicht das Recht erkauft, dass Menschen nicht mehr auf sich selbst achten, sondern 24/7 versuchen, ein Problem zu lösen, das in der Regel sehr vielschichtig ist. Wie aber soll es im Fußball unserer Zeit funktionieren, dass auch wichtige Vereinsangestellte das Recht auf Vertrauen, aber auch längere Pausen und Reflexion haben?

Denn es geht ja in Sachen Übungsleiter*innen um viel mehr als die Frage, was gute Lösungen sind, wenn es im Verein mal nicht läuft. Wie können Vereine damit umgehen, wenn Coaches krankheitsbedingt für eine längere Zeit ausfallen? Was ist zu tun, wenn sie Eltern werden? In der Lage sind, Familienangehörige pflegen zu wollen? Für den Moment nicht mehr können?

Menschlichkeit ist eine realistische Option

Gerade weil im Fußball so viel Geld zirkuliert und zudem die Staffs in Vereinen immer größer werden, wäre es an der Zeit, über gute alternative Modelle rund um den Job der Trainer*innen nachzudenken. Kann es, wenn beide Seiten sich das vorstellen können, eine Lösung sein, dass ein*e Trainer*in einige Wochen aussetzt und durch eine externe Interimslösung ersetzt wird? Können andere Staffmitglieder die Aufgaben zeitweise übernehmen? Welche Möglichkeiten der zusätzlichen Unterstützung gibt es für Teams in komplizierten Situationen? Welche für eine*n Trainer*in, wenn die Person das Gefühl hat, die Batterien aufladen zu müssen?

In der aktuellen Causa rund um das Fehlen von Martina Voss-Tecklenburg beim Nationalteam der Frauen haben sich viele Baustellen aufgetan. Aber auch ein überraschendes Modell, das womöglich in anderen Konstellationen ebenso funktionieren kann, nämlich die Interimslösung auf dem Trainer*innen-Posten.

Natürlich hat nicht jeder Verein einen eigenen Horst Hrubesch in der Hinterhand, dennoch sind neue Denkmodelle und Lösungsansätze möglich und nötig. Es ist nämlich keine romantische oder verklärte Vorstellung, Krisen mal nicht mit den üblichen Reflexen zu begegnen, sondern sich um ein menschliches Miteinander zu bemühen, Geschäft hin oder her. Und das sollten sich die Akteur*innen im Fußball auch nicht einreden lassen.

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