• Roman Abramowitsch hat bekannt gegeben, dass er den FC Chelsea verkaufen will.
  • Doch was genau bedeutet das für den Topklub aus der Premier League?
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Manuel Behlert sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Der englische Topklub FC Chelsea war in den letzten Jahren untrennbar mit dem russischen Oligarchen Roman Abramowitsch verbunden. Im Jahr 2003 kaufte er den Klub für etwas mehr als 200 Millionen Euro, fungierte seitdem als Eigentümer, gab sportliche Ziele vor, segnete in letzter Instanz wichtige Entscheidungen ab und stattete den Klub vor allem mit Geld aus. Sehr viel Geld. Bis zu 1,5 Milliarden Pfund investierte Abramowitsch in die "Blues", die 2012 und 2021 die UEFA Champions League gewannen, zudem zahlreiche Meistertitel einfuhren und in nationalen Pokalwettbewerben den Titel holten.

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Doch nun ist das Aus des Eigentümers beschlossen. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine verhängten viele Staaten Sanktionen gegen Russland, auch der Druck auf viele Oligarchen wuchs. Sanktionsforderungen der britischen Regierung betrafen auch Chelsea-Eigentümer Roman Abramowitsch. Der englische "Telegraph" berichtete früh von möglichen Angeboten, die der Russe für den Verkauf des Klubs erhalten werde. Und tatsächlich entwickelten sich die Dinge dann schnell.

Abramowitsch verkauft den FC Chelsea

Zunächst gab Abramowitsch in einem halbgaren Statement zumindest auf dem Papier die Kontrolle und Verwaltung von Chelsea an die gemeinnützige Chelsea-Stiftung ab. Schnell wurde aber klar: Das ändert nur wenig an den Strukturen im Klub. Am Mittwoch folgte dann ein weiteres Statement, in dem der 55-Jährige den bevorstehenden Verkauf des Klubs bestätigte.

Die Frage nach dem "Warum" Ist schnell beantwortet. Der Noch-Eigentümer versucht, Schaden vom Klub zu nehmen und das Image nicht weiter zu beschädigen. Der 55-Jährige nutzte die Pressemitteilung aber auch, um etwas für das eigene Image zu tun. "Ich habe mein Team angewiesen, eine wohltätige Stiftung zu gründen, in die alle Nettoerlöse aus dem Verkauf fließen werden. Die Stiftung wird allen Opfern des Krieges in der Ukraine zugute kommen", heißt es dort.

Damit grenzt sich Abramowitsch nicht nur vom russischen Präsident Wladimir Putin ab, ohne zu sagen, dass er dies tut, sondern er verhindert auch, dass der Gewinn wegen etwaiger Sanktionen kurz- oder mittelfristig beschlagnahmt worden wäre. Außerdem verzichtet Abramowitsch auf die Rückzahlung von Darlehen an den Klub, immerhin rund 1,5 Milliarden Pfund. Die Nichtübernahme dieser Schulden dürfte potenzielle Käufer ermutigen, ein Angebot abzugeben.

Die potenziellen neuen Eigentümer der Blues

Doch wer hat überhaupt Interesse und die Mittel, der neue Eigentümer des FC Chelsea zu werden? Gründe gibt es genug: Der sportliche Erfolg sorgt für Prestige, die Eigentümer sind in den Medien präsent. Zudem ist es nicht mehr notwendig, Unsummen in den Klub zu investieren, weil die gesamte Basis und die Infrastruktur, abgesehen vom Stadion an der Stamford Bridge, in der Ära Abramowitsch modernisiert wurden.

Ein Kandidat ist der Schweizer Milliardär Hansjörg Wisst. Der 86-Jährige selbst betonte im Laufe der Woche, dass ihm die Möglichkeit offeriert wurde, den Klub zu kaufen. Gegenüber dem Schweizer Medium "Blick" ließ er verkünden, dass er sich einen Einstieg unter Umständen vorstellen könne: "Wenn ich Chelsea kaufe, dann mit einem Konsortium bestehend aus sechs bis sieben Kapitalgebern." Überdies wurde bekannt, dass einer der Geschäftsmänner dieses Konsortiums Todd Boehly aus den USA ist. Der 46-Jährige ist bereits Teilinhaber des Baseball-Teams Los Angeles Dodgers.

Allerdings sollen die Forderungen von Abramowitsch hoch sein, mindestens bei zwei Milliarden Pfund liegen, was rund 2,4 Milliarden Euro entspräche. Das könnte zum Knackpunkt werden. Konkrete Hinweise darauf, dass es noch andere potenzielle Interessenten gibt, liegen aktuell nicht vor. Angesichts des hohen Preises und der Tatsache, dass viele der "Superreichen" bereits Eigentümer oder Teilhaber eines Klubs sind, ist das in der Kürze der Zeit nicht überraschend.

Welche Folgen könnte der Verkauf für Chelsea haben?

Die Frage nach den Folgen für Chelsea ist nicht ganz so leicht zu beantworten. Abramowitsch wollte mit den Blues keinen "Gewinn" machen, sondern das sportliche Projekt mit seinen finanziellen Mitteln vorantreiben. Zwar gab es zuletzt Unstimmigkeiten, was weitere Investitionen, so zum Beispiel in den Stadionneubau, anging, aber dass er seine Darlehen nicht zurückbezahlt haben möchte, spricht eine klare Sprache. Unklar ist, wie Wyss und seine amerikanischen Geschäftspartner den Klub führen würden und welche finanzielle Unterstützung Chelsea in Form von Investitionen erhielte.

Personell wird es, da sind sich die englischen Medien sicher, Veränderungen geben. Cheftrainer Thomas Tuchel hat seinen Job sicher, gleiches gilt für Petr Cech, der als Berater für den Klub fungiert, aber im Hintergrund dürfte sich etwas ändern. Eugene Tenenbaum, einer der Vertrauten von Abramowitsch und als Direktor im Klub tätig, verlässt den Verein nach einem "Telegraph"-Bericht bei einem Verkauf. Noch unklar ist, wie es mit Marina Granovskaia weitergeht. Die Russin gehört dem Vorstand der "Blues" an, ist maßgeblich für personelle Entscheidungen und Verhandlungen verantwortlich, gilt als knallhart und erfolgsbesessen. Sie müsste in jedem Fall hochkarätig ersetzt werden.

Chelsea steht also keinesfalls vor dem Ruin, aber doch zumindest vor ungewissen Zeiten.

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Verwendete Quellen:

  • Chelsea FC: Statement from Roman Abramovich
  • Times: Building sanctions case against Abramovich and oligarchs "may take months"
  • Blick: Schweizer Milliardär Wyss will mit diesem Amerikaner Chelsea kaufen
  • Telegraph: Roman Abramovich to receive bids for Chelsea this week
  • Guardian: Unravelling of Roman Abramovich era leaves doubts at Chelsea and beyond
  • Telegraph: Inside Stamford Bridge: What life without Roman Abramovich will mean for Chelsea
  • Twitter: Martyn Ziegler (The Times)
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