U20-Nationaltrainer Hannes Wolf soll die darbende Nachwuchsarbeit des DFB grundlegend reformieren. Der 42-Jährige ist eine gute Wahl, ohne die notwendige Unterstützung aber auch allein auf weiter Flur.
Am Ende ist es eine kleinere Lösung geworden als vermutet. Sami Khedira schien ein heißer Kandidat für den Posten des Sportdirektors beim Deutschen Fußball-Bund.
Sami Khedira ist eine Größe des internationalen Fußballs und es gab einmal eine Zeit beim DFB, da hätte alleine dieses Attribut genügt, um an eine der wichtigsten Positionen im Verband zu gelangen. Nun ändert sich derzeit aber eine ganze Menge auf dem internationalen Parkett und eigentlich immer hat der DFB dabei das Nachsehen.
Andere Nationen und Verbände haben den deutschen Fußball abgehängt. Nicht "nur" in der Nachwuchsarbeit, auch das deutsche Flaggschiff der Herren-Nationalmannschaft ist längst leck geschlagen und droht abzusaufen. Weil, und da schließt sich dann der Kreis, seit mehr als einem Jahrzehnt in der Ausbildung der Kinder und Jugendlichen im größten Sportfachverband der Welt massiv geschludert wird.
Hannes Wolf wird DFB-Sportdirektor
Um aus diesem Teufelskreis endlich auszubrechen, hat der DFB am Montag Hannes Wolf zum "Sportdirektor für Nachwuchs, Training und Entwicklung" befördert. Wolf hat bisher die U-20-Nationalmannschaft der Männer trainiert und wird diesen Job auch beibehalten.
Wolf zur Seite steht ab sofort ein Kompetenzteam, dem die ehemaligen Bundesligaprofis Hanno Balitsch,
Die neue Planstelle soll derweil nur eine von insgesamt vier Standbeinen sein, mit denen der DFB seinen Rückstand auf die Weltspitze in den kommenden Jahren sukzessive wieder verkleinern will. Der oder die Geschäftsführer:in soll so etwas wie eine Supervisor-Funktion ausüben, darunter sind drei Sportdirektoren geplant:
Wolf will die Trainingsinhalte grundlegend verändern
Die inhaltlich wichtigste Position dürfte aber jene von Hannes Wolf sein. Dessen Arbeit wird alle anderen Bereiche zumindest auch tangieren, in der Regel sogar massiv beeinflussen. Die von Wolf für die Nachwuchsausbildung verfassten Konzepte und Ideen, werden auch in den Förderstrukturen der Mädchen und Frauen sichtbar werden und die daraus hervorgehenden Talente früher oder später bei der oder den A-Nationalmannschaften landen.
Der DFB hat sich mit Wolf für jemanden entschieden, der trotz einschlägiger Erfahrungen auch im Profi-Fußball ganz eindeutig aus dem Nachwuchsbereich kommt und dort seine Kernkompetenzen verortet. Das dürfte nicht nur im Sinne der dringend notwendigen Anpassung vieler Inhalte sein, sondern auch für mehr Akzeptanz dort sorgen, wo die eigentliche Arbeit verrichtet wird: in den 56 Nachwuchsleistungszentren und den 366 DFB-Stützpunkten des Landes.
Die erste und wohl auch wichtigste Aufgabe des 42-Jährigen wird sein, die Trainingsinhalte von der Junioren-Bundesliga bis runter in die Kreisklassen zum Teil grundlegend zu verändern. Schon seit Jahren sind die Defizite der Jugendförderstrukturen bekannt, liegen entsprechende Änderungspläne in der Schublade.
Das fängt beim Trainingsumfang und der Trainingsintensität an, geht über den verlorenen Spaß am Spiel weiter zu überehrgeizigen und ambitionierten Trainern und endet bei einer Wettbewerbsform, die in ihrer höchsten Ausprägung in den A- und B-Jugend-Bundesligen so viele Nachteile mit sich brachte, dass diese nun bald abgelöst wird.
Hannes Wolf: "Wir werden das Training in den Vordergrund stellen"
Wolfs erste Maßnahmen dürften sich auf die Anpassung der Trainingsinhalte konzentrieren: Auf mehr Spaß in den Einheiten, auf mehr kleine Spielformen, die dann wiederum zu deutlich mehr Ballkontakten für jeden Spieler führen, auf mehr Aktivität und weniger Pausen und vor allen Dingen: auf den Spieler im Mittelpunkt allen Handelns – und nicht die Trainer.
"Freude, Intensität und Wiederholung machen ein gutes Training aus und sind für uns ganz entscheidend", hat Wolf am Montag bei seiner Vorstellung erzählt. "Jede Minute des Trainings ist da, um die individuelle Qualität der Spieler zu verbessern. Wir sind heute auf einem Niveau, dass wir konkret sagen können, was gutes Training ausmacht – und das werden wir auch tun. Wir werden das Training in den Vordergrund stellen. Wir müssen in Deutschland jetzt aktiv daran arbeiten, gute Spieler zu entwickeln, die anderen Nationen sind einfach zu stark!"
Ein Merksatz dürfte dabei sein: Es wird keine Entwicklung in der absoluten Spitze geben, ohne eine Anpassung und entsprechende Rekrutierung von Talenten in der Breite. Deshalb ist auch das Kompetenzteam, dem Wolf vorsteht, so breit wie möglich aufgestellt.
"Wenn man uns alle nimmt, dann haben wir aus allen Perspektiven das Know-how, um über Fußball und Training zu reden: Aus der Defensiv- und Offensivperspektive, aus dem Mädchen- und Frauenfußball und aus dem Jugendfußball. Das ist entscheidend, wir brauchen dieses Team!", so Wolf.
Es bleiben einige Hürden
Die Ideen und Konzepte hat der neue starke Mann des deutschen Nachwuchsfußballs längst im Kopf. Die größte Hürde wird aber sein – das zeigen die letzten Jahre des prägnanten Reformstaus beim DFB – diese nun auch an die Frau und an den Mann zu bringen. In den Klubs, von Berchtesgaden bis Flensburg und von Aachen bis Görlitz.
Daran sind beim DFB schon andere gescheitert oder haben entnervt aufgegeben. Die föderalistische Struktur des Verbandes ist hier ganz sicher nicht hilfreich, sie verlangsamte oder lähmte stattdessen notwendige Prozesse.
Der deutsche Fußball ist dringend auf Veränderungen und Reformen angewiesen, das sollte nun nach Jahren der Niederlagen und Enttäuschungen jedem aufgefallen sein. Hannes Wolf den Wiederaufbau einer funktionierenden und in sich schlüssigen Nachwuchsarbeit anzuvertrauen, ist eine gute Idee. Aber: Es müssen jetzt dann auch alle mithelfen. Nur dann kann die "kleine Lösung" große Impulse verleihen.
Verwendete Quelle:
- DFB.de - Wolf: "Freude, Intensität und Wiederholung"
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