In den EM-Stadien singen die Fans plötzlich davon, dass Pyrotechnik kein Verbrechen ist. Urheber dieses ungewöhnlichen Fanlieds ist der sogenannte Balkonultra. Was steckt hinter diesem Song?

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Beim zweiten Spiel der deutschen Nationalmannschaft wurde das Lied wieder angestimmt. "Pyrotechnik ist doch kein Verbrechen", sangen die Fans während der Partie auf den Tribünen. Und weiter: "Wir werden dafür kämpfen und lassen Emotionen freien Lauf." Auch beim zweiten Spiel der Gruppe A zwischen Schottland und der Schweiz war das Lied deutlich in der Live-Übertragung zu hören. Dass es bei beiden Spielen relativ wenig um Pyrotechnik ging? Egal. "Pyrotechnik ist doch kein Verbrechen" ist einer der ungewöhnlichen Hits dieser EM.

Der Mann, wegen dem viele Fans bei der Europameisterschaft jetzt über Pyrotechnik singen, heißt Niko Thoms. Der 29-Jährige ist aber bei den meisten unter einem ganz anderen Namen bekannt. Thoms ist auf Tiktok aktiv und nennt sich dort schlicht "Balkonultra". Passend zum Namen singt er dort Fangesänge auf seinem Balkon, nicht immer in der richtigen Tonlage, dafür aber ebenso leidenschaftlich und ernsthaft, wie es die aktiven Fans im Stadion tun. Von Schalke 04 bis Dynamo Dresden sind auf seinem Kanal zahlreiche Fangesänge der Ultraszenen zu hören, natürlich immer vom Balkon aus.

Der Fangesang über Pyrotechnik war es aber, mit dem der Balkonultra in den sozialen Medien berühmt wurde. Millionen Fans sahen den kurzen Videoschnipsel, in dem Thoms seine Haltung zur Pyrotechnik mit Inbrunst vom Balkon rief. So sehr, dass Ballermann-Star Ikke Hüftgold und YouTuber Marc Eggers den Fangesang mit ihm gar in einen eigenen Song verwandelten, der vor allem beim Publikum auf Mallorca gerne gehört wird.

"Es ist noch gar nicht bei mir angekommen", erzählt Thoms über seinen plötzlichen Ruhm im Gespräch mit unserer Redaktion. Auch auf der Straße wird er mittlerweile erkannt. Warum es gerade dieses Lied war, das bei den Leuten so gut ankam? "Das kann ich mir gar nicht erklären", ist auch der Balkonultra ratlos. Zumindest steht er aber klar hinter der Botschaft des Lieds: Pyrotechnik (im Stadion) ist für ihn wirklich kein Verbrechen.

Der Balkonultra ist eigentlich Altenpfleger

Mit der Ultraszene aus den Fußballstadien hat der Balkonultra sonst aber nur wenig Verbindungen. "Ich bin mein eigenständiger Balkonultra", stellt der Tiktok-Star selbstbewusst klar. Eigentlich ist Thoms aber Altenpfleger, ins Stadion schaffte er es deshalb selten. "Dafür hatte ich gar nicht viel Zeit, in der Altenpflege ist man ja auch am Wochenende beschäftigt", sagt er.

Trotzdem beeindruckte ihn die Ultra-Kultur in den deutschen Fußballstadien so sehr, dass er einen eigenen Kanal dazu erstellte. Seine Inspiration für den Kanal bekam er von Ultra-Fan-Seiten, die Support-Videos aus den Blöcken der Fanszenen regelmäßig ins Netz stellen und damit viele Zuschauer anlocken. Da er selbst aber keine anderen Personen im Internet zeigen wollte, machte er seine eigene Sache. Mit Erfolg: Vor Auftritten und Interviews kann sich Thoms nicht mehr retten.

Der Beruf des Altenpflegers muss wegen des plötzlichen Ruhms erstmal pausieren. "Ich habe mich selbstständig gemacht", erklärt er. "Ich bin aber immer bereit, wieder in die Pflege zurückzugehen, falls es vorbeigehen sollte und ich nicht mehr von dem Geld leben kann." Denn trotzdem schätzt er seinen eigentlichen Beruf nach wie vor, vor allem wegen der Dankbarkeit der Menschen, denen er hilft.

Der Balkonultra achtet auf Ruhezeiten

Und was sagen die Nachbarn zu dem ungewöhnlichen Hobby, das jetzt sogar eine Art Beruf ist? Nichts, wie Thoms zumindest selbst behauptet. "Ich bekomme oft gute Kommentare, zum Beispiel: 'Er schreit in Kleinbuchstaben.' Daran kann man sehen, dass ich jetzt nicht auf meinem Balkon stehe und genauso laut schreie wie im Stadion", sagt der Balkonultra. Wenn es dann mal lauter werde, wie etwa bei seinem berühmten Gesang über Pyrotechnik, achte er natürlich auf die Ruhezeiten.

Und so wird der Balkonultra auch in Zukunft weiter machen, jetzt erst einmal auf größeren Bühnen. Und freut sich über jedes Spiel, in dem sein Lied von den Fans im Stadion angestimmt wird. "Man würde am liebsten überall mitsingen", sagt er, das wäre nur schwierig, weil er selten da sein könne, wenn es gerade wieder irgendwo gesungen wird.

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