In Düsseldorf und Wolfsburg werden Tore aberkannt, in Sinsheim wird ein Elfmeter revidiert - wegen vorangegangener Handspiele, die erst der Video-Assistent bemerkt. Die Entscheidungen sind richtig, trotzdem ist die Aufregung groß. Denn die Handspiel-Regelung scheint manchen in diesem Punkt zu streng.
Es gibt in der Fußball-Bundesliga mal wieder Diskussionen über das Dauerthema Handspiel. Diesmal ist jedoch nicht die Regelauslegung durch die Schiedsrichter der Grund, sondern vielmehr die Regel selbst.
In drei Partien des 31. Spieltags nahmen die Referees ein Tor beziehungsweise eine Elfmeterentscheidung zurück, weil es zuvor ein Handspiel der angreifenden Mannschaft gegeben hatte.
Zwar konnte man in keinem dieser Fälle dem betreffenden Spieler auch nur den geringsten Vorwurf machen. Doch nach den Regeln gilt seit dieser Saison eben, dass ein Handspiel, das einem Tor oder einer Torchance unmittelbar vorausgegangen ist, auch dann geahndet werden muss, wenn es ohne diesen Kontext nicht strafbar wäre.
Zur Begründung für diese strikte Anweisung liest man im Regelwerk, in der Sportart Fußball dürfe es nun mal nicht sein, "dass ein Tor, das mit der Hand/dem Arm erzielt wird (ob absichtlich oder nicht), zählt".
Darüber hinaus müsse auch ein Spieler bestraft werden, der mit der Hand oder dem Arm in Ballbesitz gelangt und sich so einen klaren Vorteil verschafft, das heißt: ein Tor oder eine Torchance seiner Mannschaft vorbereitet.
Der Elfmeter für Hoffenheim wurde zu Recht revidiert
Mit dieser Bestimmung soll der Streit darüber, ob ein Handspiel bei einer Torerzielung oder direkt davor nun ahndungswürdig war oder nicht, beendet werden. Den Schiedsrichtern soll in diesem konkreten Fall ihr Urteil erleichtert werden, sie sollen nicht auf ihr Ermessen angewiesen sein.
Dass das auch zu Grenz- und Härtefällen führen würde und damit zu einer Diskussion über den Sinn dieser Regelung, stand von vornherein fest. Und wenn sich dann an einem Spieltag gleich mehrere solcher Fälle zutragen, wird die Debatte besonders intensiv geführt.
Es begann beim Auftakt am Freitagabend zwischen der TSG 1899 Hoffenheim und RB Leipzig (0:2). Schon in der sechsten Minute erkannte Schiedsrichter Tobias Welz nach einem Foulspiel des Leipziger Torwarts Péter Gulásci an Munas Dabbur auf Strafstoß.
Allerdings hatte zuvor der Hoffenheimer Christoph Baumgartner den Ball gänzlich unfreiwillig mit normal gehaltenem Arm zu Dabbur abgefälscht. Das war dem Unparteiischen jedoch verborgen geblieben und in der Realgeschwindigkeit auch kaum zu sehen.
Der Video-Assistent dagegen bemerkte es bei der Überprüfung der Szene, die im Elfmeterpfiff mündete. Und da aus dem Handspiel eine Torchance resultierte, die dann zu einem Strafstoß und damit zu einer überprüfbaren Situation führte, musste er intervenieren. Nach dem Review nahm Welz seine Entscheidung dann auch zurück.
In der kommenden Saison gibt es die "T-Shirt-Linie"
In der Begegnung des VfL Wolfsburg gegen den SC Freiburg (2:2) und im Spiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Borussia Dortmund (0:1) wiederum wurde jeweils ein Tor wegen eines vorangegangenen Handspiels des Torschützen aberkannt.
Der Wolfsburger Daniel Ginczek hatte sich den Ball aus Versehen selbst an die Hand geköpft, von wo aus die Kugel ins Tor ging. Dem Dortmunder
Beide Handspiele waren kaum zu erkennen und wären ohne den Zusammenhang mit der Torerzielung nicht strafbar gewesen. Wie in Sinsheim benötigten die Schiedsrichter zudem die Unterstützung des VAR, um sie zu erkennen.
In der kommenden Saison wird ein Treffer wie der von Guerreiro übrigens Anerkennung finden, denn dann gibt es eine kleine Regeländerung beim Handspiel: Mit dem Teil des Arms, der über der sogenannten T-Shirt-Linie liegt - also oberhalb der Achselhöhle -, kann der Ball dann so legal gespielt werden wie mit der Schulter.
Auch die alte Regel hat zu erhitzten Debatten geführt
Derzeit wird regeltechnisch noch alles vom Schultergelenk abwärts zum Handspielbereich gezählt. Die neuen Regeln sind zwar formal seit dem 1. Juni in Kraft, doch in den laufenden, wegen Corona zwischenzeitlich unterbrochenen Wettbewerben gelten weiterhin dieselben Regeln wie zu Saisonbeginn.
Nichts ändern wird sich an der Regel, nach der jedes Handspiel im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Tor oder einer Torchance zu ahnden ist.
Man mag das manchmal ungerecht finden, zumindest in Fällen, in denen der betreffende Spieler nichts für sein Handspiel kann und es außerdem des Video-Assistenten bedarf, um es überhaupt zu identifizieren.
Auf der anderen Seite sei an die zahllosen erhitzten Debatten über Handspiele im Vorfeld von Toren erinnert, als es diese Regelung noch nicht gab und die Schiedsrichter ermessen mussten, ob eine Strafbarkeit gegeben ist. Doch jetzt, da es in diesem konkreten Fall keinen Graubereich mehr gibt, ist es auch wieder nicht recht.
Was sonst noch wichtig war:
- Im Spiel 1. FC Köln - Union Berlin (1:2) nahm Schiedsrichter Martin Petersen auf Intervention des VAR eine Elfmeterentscheidung für die Gäste aus der Hauptstadt zurück. Ob es wirklich klar und offensichtlich falsch war, das Handspiel von Rafael Czichos mit einem Strafstoß zu ahnden, ist allerdings strittig. Immerhin hatte der Kölner den Ball in der Drehbewegung mit dem Arm weggedrückt. Ein bisschen Verwirrung gab es angesichts der Spielfortsetzung nach der Änderung der Entscheidung: Der Referee gab einen Schiedsrichterball und überließ dabei dem Kölner Torwart Timo Horn die Kugel. Das war allerdings nicht richtig: Da Czichos den Ball mit dem Arm ins Toraus gelenkt und Petersens Pfiff erst erfolgt war, als der Ball die Linie überschritten hatte, hätte es eigentlich mit einem Eckstoß für Union weitergehen müssen.
- Genau umgekehrt lief es in der Begegnung zwischen dem FC Schalke 04 und Bayer 04 Leverkusen (1:1) kurz nach dem Seitenwechsel: Da spielte der Leverkusener Edmond Tapsoba den Ball im eigenen Strafraum mit der Hand, was Schiedsrichter Daniel Siebert jedoch nicht mitbekam. Es gab deshalb ein On-Field-Review, danach sprach der Unparteiische den Schalkern einen Elfmeter zu. Eine schwierige Entscheidung: Einerseits hatte der Schalker Juan Miranda den Arm von Tapsoba ein wenig mit dem Knie zum Ball geschoben. Andererseits war Tapsobas Hand schon vor diesem Kontakt über Schulterhöhe und damit in einer Position, bei der eine Berührung des Balles mit dem Arm oder der Hand grundsätzlich strafbar ist. Das dürfte auch den Ausschlag für Sieberts Entscheidung gegeben haben.
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