In vier Bundesliga-Stadien gehen die Unparteiischen nach einem Dreistufenplan vor, weil ein wohlhabender Mann geschmäht wird. Zwei Begegnungen stehen dabei kurz vor dem Abbruch. Weniger Beachtung finden unterdessen zwei Referees, die in ihren Spielen gegen Rassismus aktiv werden.
Die breite Öffentlichkeit hat am vergangenen Wochenende eine Anweisung an die Schiedsrichter kennengelernt, die bis dahin fast nur Eingeweihten bekannt war, obwohl es sie schon eine ganze Weile gibt: Gemeint ist der Dreistufenplan bei diskriminierenden Vorfällen im Stadion.
Die UEFA hat ihn bereits 2009 verabschiedet, seit 2017 kommt er auch in FIFA-Wettbewerben zur Anwendung. Der DFB hat ihn ebenfalls übernommen. Dieser Plan basiert auf der Regel 5, in der die Rechte und Pflichten des Schiedsrichters festgelegt sind.
Dazu gehört es, das Spiel zu unterbrechen, vorübergehend auszusetzen oder abzubrechen, wenn die Umstände es erfordern. Als erste Stufe soll der Referee, wenn er oder einer seiner Assistenten diskriminierende Äußerungen wahrnimmt – etwa in Form von Rufen oder auf Spruchbändern –, die Partie unterbrechen und eine Lautsprecherdurchsage veranlassen.
In dieser soll auf das Ende der Diskriminierung gedrängt werden. Wiederholt sich der Vorfall in ähnlicher Form, folgt die zweite Stufe: Der Schiedsrichter geht mit beiden Mannschaften für einige Minuten in die Kabine, außerdem gibt es eine weitere Durchsage.
Eingreifen bei Union Berlin wirkt überzogen
In dieser wird die dritte Stufe angekündigt, nämlich der Spielabbruch. Zu ihm kommt es schließlich, wenn die diskriminierenden Äußerungen danach immer noch nicht aufhören.
Am Wochenende sind die Unparteiischen in gleich vier Spielen nach dem Dreistufenplan vorgegangen: In den Begegnungen Borussia Dortmund – SC Freiburg (1:0) und 1. FC Köln – FC Schalke 04 (3:0) kam es zu Stufe 1, bei den Partien TSG 1899 Hoffenheim – FC Bayern München (0:6) und 1. FC Union Berlin – VfL Wolfsburg (2:2) sogar zu Stufe 2.
Anlass waren jeweils Transparente, Banner oder Sprechchöre, die sich gegen den Hoffenheimer Mäzen Dietmar Hopp richteten. Wenigstens das Eingreifen in Berlin-Köpenick wirkte dabei überzogen.
Dort führte ein Spruchband mit der Aufschrift "2017 Kollektivstrafen abgeschafft, nun
Die Grenzziehung ist nicht immer einfach
Die Unparteiischen sind um ihre Rolle und ihre Aufgabe in solchen Situationen allerdings nicht zu beneiden: Neben ihrer Spielleitung sollen sie und ihre Assistenten auch noch den Inhalt von Transparenten, Rufen und Gesängen wahrnehmen, bewerten und gegebenenfalls dagegen vorgehen.
Eine schwierige Anforderung, auch weil sich die Grenzziehung längst nicht immer problemlos bewältigen lässt. Schon gar nicht unter Zeitdruck und Anspannung. Und die Proteste gegen Hopp werden in den nächsten Wochen vermutlich weitergehen.
Was aber wäre geschehen, wenn in Sinsheim oder Berlin das Spiel tatsächlich abgebrochen worden wäre? Die Antwort findet sich in der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB.
Dort heißt es in Paragraf 18, Absatz 4: "Trifft eine Mannschaft oder ihren Verein oder beide Vereine ein Verschulden an dem Spielabbruch, ist das Spiel dem oder den Schuldigen mit 0:2-Toren für verloren, dem Unschuldigen mit 2:0-Toren für gewonnen zu werten." Aus dem 6:0-Sieg für die Bayern wäre also eine 0:2-Niederlage geworden.
Dreistufenplan vor allem bei rassistischen, antisemitischen und sexistischen Vorfällen
Verursachen beide Klubs oder deren Fans ein vorzeitiges Spielende, dann kann das Spiel für beide als verloren gewertet werden. Verlässt ein Team den Platz und weigert es sich weiterzuspielen, lautet die Wertung ebenfalls 0:2 – es sei denn, der Gegner liegt höher in Führung.
In vielen Kommentaren zu den Spielunterbrechungen ist die Forderung laut geworden, den Dreistufenplan nicht nur bei Äußerungen gegen einen privilegierten und einflussreichen Mäzen anzuwenden, sondern auch und vor allem bei rassistischen, antisemitischen und sexistischen Vorfällen.
Und das hat in der Tat eine deutlich höhere Dringlichkeit. Als Vorbild unter den Referees kann dabei Katrin Rafalski dienen, die Schiedsrichterin des Drittligaspiels zwischen Preußen Münster und den Würzburger Kickers vor zwei Wochen.
Als der Würzburger Leroy Kwadwo kurz vor Schluss von einem Zuschauer mit Affenlauten rassistisch beleidigt wurde, veranlasste Rafalski umgehend eine Stadiondurchsage. Zugleich zeigte sie auf dem Feld ihre Empathie gegenüber Kwadwo und versuchte, den Spieler zu beruhigen.
Rückgrat und Courage in Ostwestfalen
Aus dem Publikum kamen derweil "Nazis raus"-Rufe, außerdem machten Zuschauer die Ordner auf den Täter aufmerksam, der schließlich von der Polizei festgenommen wurde. "Das ist genau die richtige Reaktion gewesen", sagte Rafalski später der Hessenschau. Es sei "total schockierend, wenn jemand so diskriminiert wird".
Und wenn sich eine Mannschaft durch einen solchen Vorfall "nicht mehr in der Lage fühlt, weiterzumachen, oder wenn es mehrere Spieler betrifft, die sagen: Wir können aufgrund dieses Vorfalls, weil es uns so sehr trifft, nicht mehr weiterspielen, dann müsste das auch jeder verstehen", ergänzte sie. Das sind Worte, die aufhorchen lassen.
Bei einem Bezirksligaspiel am vergangenen Wochenende in Ostwestfalen zeigte der Schiedsrichter ebenfalls Rückgrat und Courage: Als es in der Partie zwischen dem VfB Marsberg und dem TuS Neuenrade zu Affenlauten und anderen rassistischen Äußerungen von Zuschauern gegenüber Spielern der Gäste kam, wies Referee Yannick Iwersen erst den Ordnungsdienst an, geeignete Maßnahmen zu ergreifen.
Als das nicht dauerhaft fruchtete, verließ er mit beiden Mannschaften vorzeitig den Platz. In der Kabine kamen die Teams überein, nicht weiterzuspielen. Die Partie wurde deshalb beim Stand von 3:1 für die Gastgeber abgebrochen. Nun muss das Sportgericht darüber befinden, wie das Spiel gewertet wird.
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