Drei Strafstöße, drei Interventionen des Video-Assistenten – in Sinsheim hatte der Schiedsrichter alle Hände voll zu tun. Umstritten war dabei nur eine Entscheidung. Derweil reagierten Zuschauer und Schiedsrichterin in der Dritten Liga gut und richtig auf einen rassistischen Zwischenfall.

Alex Feuerherdt, Schiedsrichter
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Alex Feuerherdt dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Die Begegnung zwischen der TSG 1899 Hoffenheim und dem VfL Wolfsburg (2:3) stand sicherlich nicht im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses an diesem 22. Spieltag der Fußball-Bundesliga. Dabei war sie allemal der Rede wert – nicht nur wegen der fünf Tore und des aufregenden Verlaufs, sondern auch, weil es gleich drei Elfmeter gab und sich dreimal der Video-Assistent zu Wort meldete.

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Schiedsrichter Sören Storks hatte jedenfalls sehr viel zu tun in diesem Spiel, in dem er schon nach 17 Minuten zum ersten Mal auf Strafstoß entschied. Denn der Hoffenheimer Sebastian Rudy hatte im eigenen Strafraum einen Schuss von Xaver Schlager mit abgespreiztem Arm abgewehrt.

Der Unparteiische erkannte zu Recht auf Elfmeter für die Gäste. Auch die Gelbe Karte für Rudy war berechtigt. Denn wenn ein Torschuss durch ein strafbares Handspiel blockiert wird, ist die Verwarnung laut Regelwerk obligatorisch. Die Schiedsrichter haben hier keinerlei Ermessensspielraum.

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Mehmedis Treffer wurde zu Recht aberkannt

Nach 40 Minuten lag der Ball ein zweites Mal im Tor der Hausherren. Referee Storks erkannte den Treffer von Admir Mehmedi erst an, um ihn dann aber auf Intervention seines Video-Assistenten Deniz Aytekin zu annullieren. Zu Recht, denn der Torschütze hatte sich bei Weghorsts vorangegangenem Kopfball auf das Hoffenheimer Gehäuse im Abseits befunden, und diese Abseitsstellung wurde strafbar, als Torhüter Oliver Baumann den Ball vor seine Füße abwehrte.

Ein weiteres Mal griff Aytekin fünf Minuten nach der Pause ein. Der Wolfsburger Kevin Mbabu war bei einem Zweikampf mit Benjamin Hübner im Strafraum der Gastgeber zu Boden gegangen, doch der Unparteiische hatte signalisiert: Ball gespielt. Die Kugel hatte Hübner allerdings nicht getroffen, dafür jedoch die Beine von Mbabu.

Dieser war allerdings schon vor dem Kontakt ins Rutschen gekommen und hatte dadurch die Balance verloren. Sein Sturz war also nicht Hübners Schuld. Lag trotzdem ein strafwürdiger Kontakt vor? Das sollte Sören Storks nun in der Review Area am Spielfeldrand abschließend beurteilen.

Warum es in Sinsheim zum ersten On-Field-Review kam

Dass es überhaupt zu dieser Überprüfung durch den Schiedsrichter kam, sorgte bei den Hoffenheimern für Unmut. In der Tat gibt es gute Gründe für die Auffassung, dass es zumindest kein klarer und offensichtlicher Fehler des Referees war, weshalb man hätte weiterspielen lassen sollen.

Der Grund für die Intervention war letztlich, dass Storks ein Spielen des Balles wahrgenommen hatte, das es aber nicht gab. Das heißt: Er hatte sich aus den falschen Gründen dafür entschieden, keinen Elfmeter zu geben. Und wenn die Bilder der kommunizierten Wahrnehmung des Schiedsrichters eindeutig widersprechen, empfiehlt der VAR ein On-Field-Review.

Der Referee hätte sich nach dem Betrachten der Bilder gleichwohl entschließen können, an seiner ursprünglich getroffenen Entscheidung festzuhalten. Doch Storks sprach den Wolfsburgern einen zweiten Strafstoß zu, was die Hoffenheimer ärgerte. "Das war für mich ganz klar kein Elfmeter", sagte etwa Benjamin Hübner nach dem Schlusspfiff. Genauer wäre vielleicht die Aussage gewesen: Das war kein ganz klarer Elfmeter.

Der Video-Assistent bewahrt den Referee vor gravierenden Fehlern

Weitere fünf Minuten später lenkte Wout Weghorst den Ball im eigenen Strafraum nach einem Freistoß der Gastgeber in der Mauer mit dem Arm ab. Sören Storks entging diese Regelwidrigkeit, deshalb meldete sich erneut Deniz Aytekin aus Köln. Wieder kam es zum Review, wieder gab es einen Elfmeter, diesmal für Hoffenheim.

Man mag über den zweiten Strafstoß für die Gäste streiten, aber ansonsten lässt sich etwas festhalten, das in den erhitzten Diskussionen über den VAR grundsätzlich zu wenig Beachtung findet: Der Video-Assistent hat den Unparteiischen einmal mehr vor spielrelevanten Fehlern bewahrt. Genau deshalb gibt es ihn.

Was sonst noch wichtig war:

  • Die Anweisung an die Bundesliga-Schiedsrichter, Unsportlichkeiten in der Rückrunde konsequenter und strenger zu ahnden, ist einerseits auf breite Zustimmung gestoßen. Andererseits gab es auch Kritik, etwa nach der Gelb-Roten Karte für den Mönchengladbacher Alassane Pléa wegen fortgesetzten Protestierens im Spiel gegen RB Leipzig. Nach fünf Spieltagen lässt sich eine erste Zwischenbilanz ziehen: Es gab sowohl die eine oder andere arg strenge Verwarnung als auch Szenen, in denen eine Gelbe Karte nicht gezeigt wurde, obwohl sie angemessen gewesen wäre. So wie nach der außenwirksamen Reklamation von Matheus Cunha im Spiel des SC Paderborn 07 gegen Hertha BSC (1:2). Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus hatte dem Berliner nach 62 Minuten nicht den von ihm gestenreich geforderten Elfmeter zugesprochen. Aber insgesamt setzen die Referees die Anweisung gut und maßvoll um. Und wenn nicht alles täuscht, halten sich die Spieler tatsächlich stärker zurück. Vielleicht begreifen sie, dass die Unparteiischen jetzt ernst machen, wenn ein Protest zu heftig ausfällt oder der Ball nach einem Pfiff wegbefördert wird.
  • Für ihr gutes und richtiges Vorgehen nach einem rassistischen Vorfall im Drittligaspiel zwischen Preußen Münster und den Würzburger Kickers gebührt Schiedsrichterin Katrin Rafalski ein Lob. Wenige Minuten vor Schluss war der Würzburger Leroy Kwadwo von einem Zuschauer mit Affenlauten bedacht worden. Teile des Publikums riefen daraufhin "Nazis raus" und machten die Ordner per Fingerzeig auf den Täter aufmerksam. Dieser wurde schließlich von der Polizei festgenommen. Rafalski veranlasste unterdessen eine Stadiondurchsage, zugleich zeigte sie auf dem Feld sichtbar ihre Empathie gegenüber Kwadwo und versuchte, den Spieler zu beruhigen. So trug sie ihren Teil zur notwendigen Solidarität mit ihm bei – und folgte damit dem Grundsatz, dass die Referees gegenüber Rassismus nicht unparteiisch sein dürfen.
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