Beim Bundesligastart rumpelt und holpert der Videobeweis noch sehr. Das liegt aber nicht an den Schiedsrichtern, sondern an technischen Problemen. Doch dort, wo die Technik funktioniert, läuft alles korrekt ab – was in zwei Fällen zu wesentlichen Änderungen von Entscheidungen führt.
Hellmut Krug, beim DFB als Projektleiter für den Videobeweis zuständig, hatte es anlässlich der Einführung des Video-Assistenten immer wieder gesagt: Mit "kleineren Problemen" müsse man anfangs rechnen.
Was dann aber am Samstagnachmittag passierte, als fünf Partien des ersten Spieltags in der Bundesliga gleichzeitig stattfanden, war definitiv keine Kleinigkeit mehr – sondern ein ziemlicher Reinfall.
Das lag allerdings nicht an den Schiedsrichtern oder ihren Kollegen, die an den Bildschirmen in der Kölner Zentrale die Spiele überwachten. Sondern vielmehr daran, dass die Technik nirgendwo reibungslos funktionierte.
In keinem einzigen der Spiele, die am Samstag um 15.30 Uhr begannen, standen kalibrierte Abseitslinien zur Verfügung. Bei drei Begegnungen war zudem die Funkverbindung zwischen dem Unparteiischen und dem Video-Assistenten ganz oder teilweise ausgefallen.
DFL wegen Pannen sauer: "Nicht hinnehmbar"
Nachdem schon das Debüt für den Videobeweis beim Supercup-Finale vor zwei Wochen nicht einwandfrei verlaufen war, sah sich die Deutsche Fußball-Liga (DFL) angesichts der neuerlichen Pannen zu einer unzweideutigen Pressemitteilung veranlasst.
Die Situation sei "nicht hinnehmbar", hieß es darin. Es werde deshalb ein Gespräch mit dem Dienstleister Hawkeye geben. Dabei sollen "die Hintergründe der technischen Schwierigkeiten schonungslos offen gelegt und die Konsequenzen für das weitere Vorgehen besprochen werden".
Hawkeye hatte nach dem Supercup versprochen, bis zum Bundesligastart alle Probleme zu beheben. Warum es nun erneut zu massiven Störungen kam, war nicht zu erfahren. Viele Fans reagierten mit Unverständnis auf die Ausfälle.
Viele Fans fragen sich: Wettbewerbsverzerrung?
Vor allem in den sozialen Netzwerken machte das Wort "Wettbewerbsverzerrung" die Runde. Tatsächlich wäre es ein Problem gewesen, wenn die unterschiedliche Zuverlässigkeit der Technik einigen Mannschaften Vor- und anderen Nachteile gebracht hätte.
Das International Football Association Board (Ifab) hat in seinen Richtlinien zum Video-Assistenten allerdings festgelegt, dass kein Spiel für ungültig erklärt werden darf, weil die Technik versagt hat, der Videobeweis unsachgemäß eingesetzt worden ist oder Entscheidungen des Referees zu Unrecht geändert wurden.
Am Ende wirkten sich die technischen Störungen aber auch nicht auf die Entscheidungen der Unparteiischen aus. Da, wo die Technik hakte oder ganz ausfiel, kam es gar nicht erst zu klaren Fehlern, die der Korrektur bedurft hätten. Und dort, wo sie funktionierte, konnte sie bei Bedarf genutzt werden wie geplant.
Gelungene Premiere in München
So zum Beispiel im Eröffnungsspiel zwischen dem FC Bayern München und Bayer 04 Leverkusen (3:1): Als Charles Aranguiz nach 51 Minuten den in vollem Lauf befindlichen
Kurz darauf ging der Ball ins Seitenaus. Nun gab es eine Kontaktaufnahme zum Video-Assistenten Jochen Drees in Köln. Dieser gab Stieler die entscheidenden Informationen: Es war ein klarer Fehler, weiterspielen zu lassen. Vielmehr muss es einen Elfmeter geben und außerdem eine Gelbe Karte für Aranguiz.
Stieler tat, wie ihm empfohlen wurde, und sorgte so für eine Premiere: Es war die erste Entscheidung in der Geschichte der Bundesliga, die aufgrund des Videobeweises geändert wurde.
Hummels gegen Volland: Keine Korrektur nötig
"Ich bin froh, dass es so gut geklappt hat", sagte Stieler nach dem Schlusspfiff. Ohne den Video-Assistenten "wäre ich in die Kabine gekommen und hätte gesagt, ich habe einen klaren Elfmeter übersehen". Das sei genau die Situation, in der "ein Video-Assistent helfen kann, den Fußball gerechter zu machen".
Manche waren der Ansicht, dass der Videobeweis schon nach 21 Minuten zum Einsatz hätte kommen sollen. Da nämlich kam der Leverkusener Angreifer
Stieler ließ jedoch weiterspielen, Drees sah sich die Szene im Kölner Studio währenddessen noch einmal an. Danach kam er zu dem nachvollziehbaren Schluss, dass es – anders als beim Einsatz von Aranguiz gegen Lewandowski – nicht klar falsch war, keinen Elfmeter zu geben. Deshalb riet er dem Referee auch nicht zu einer Korrektur.
Freiburg: Video-Assistent erkennt Abseitstor
In Freiburg kam es beim Spiel gegen Eintracht Frankfurt (0:0) mithilfe des Video-Assistenten zur zweiten Änderung einer Entscheidung mit Auswirkung auf den Spielausgang.
Nach 18 Minuten trafen die Gastgeber ins gegnerische Tor, doch der Passgeber Florian Niederlechner hatte sich im Abseits befunden. Dem Assistenten an der Seitenlinie war das zwar entgangen, doch dem Video-Assistenten Wolfgang Stark fiel es auf. Deshalb riet er Schiedsrichter Manuel Gräfe, den Treffer zu annullieren.
In den anderen Spielen untermauerten die Prüfungen durch die Video-Assistenten spielrelevante Entscheidungen der Unparteiischen. So zum Beispiel in Wolfsburg und Mönchengladbach, wo es bei Toren jeweils einen Abseitsverdacht gab, der sich jedoch nicht bestätigte. Oder in Schalke, wo die Hausherren einen Strafstoß zugesprochen bekamen, der jedenfalls nicht auf einer klaren Fehlentscheidung beruhte.
Nervenstarke Schiedsrichter
Insgesamt gesehen war die Umsetzung des Videobeweises dort, wo er funktionierte, den Richtlinien entsprechend und erfolgreich. Dass es dort, wo er den Dienst versagte, nicht zu gravierenden Fehlern kam, war das Verdienst der Schiedsrichter. So entstand zumindest nirgendwo ein irreparabler Schaden.
Man kann sich aber vorstellen, wie belastend es für einen Unparteiischen sein muss, wenn er auf die Zuverlässigkeit einer derart gravierenden, für ihn ungewohnten, mit riesigen Erwartungen verbundenen Neuerung nicht bauen kann.
Umso bemerkenswerter ist es, wie gut die Referees dieses mit unvorhergesehenen Hürden bestückte Debüt hinter sich gebracht haben.
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