- Die Stimmung zwischen Führung und Teilen der Mitglieder des FC Bayern ist nach der Jahreshauptversammlung angespannt, denn das Thema "Katar-Sponsoring" verursachte mächtig Wirbel.
- Ein Konfliktmanager erklärt im Interview, was es zur Lösung des Zoffs braucht und welchen Fehler Bayerns Bosse gemacht haben.
Herr Brömmekamp, wie bewerten Sie als Krisenmanager das Vorgehen der FC-Bayern-Führung beim Thema "Katar" auf der Jahreshauptversammlung?
Utz Brömmekamp: Ich kann nicht beurteilen, ob satzungsgemäß alles richtig gemacht wurde, gehe aber davon aus. Das Gericht hatte zuvor zumindest keine Dringlichkeit festgestellt. Aber solche Situationen kenne ich aus anderen Hauptversammlungen von Fußball-Klubs. Es kommt immer mal wieder vor, dass man nicht wirklich über die Sache streitet, sondern mehr um Formalien und Regularien. Doch solche Auseinandersetzungen werfen nie ein gutes Licht auf das Klubleben. Denn im Fußball ist es das Schlimmste, wenn sich Gremien entzweien und man den Kontakt zur Fan-Basis verliert.
Warum?
Dort ist es noch viel sensibler als in den anderen Bereichen der Wirtschaft. Natürlich ist der FC Bayern ein großes mittelständisches Unternehmen, aber er ist nicht vergleichbar mit Unternehmen der "normalen" Wirtschaft. Denn Fußball-Klubs wie der FC Bayern werden vor allem von den Emotionen getrieben und hier natürlich von der enorm hohen Anzahl von Mitgliedern und Fans. Aber dieser konkrete Konflikt entspricht auch dem Zeitgeist.
Wie meinen Sie das?
Der FC Bayern ist mit Abstand der erfolgreichste Klub in Deutschland und wird seit Jahrzehnten professionell geführt. Dabei gab es nahezu keine Proteste der Mitglieder, schließlich ist der FC Bayern eine einzige Erfolgsgeschichte. Aber inzwischen gibt es in unserer Gesellschaft eine Sensibilisierung für global wichtige Themen, wie beispielsweise Nachhaltigkeit oder faire Arbeitsbedingungen. Sprichwörtlich geht der Blick über den Tellerrand hinaus. Durch die Vergabe der WM 2022 ist auch Katar zu einem solchen Thema geworden. Dies zeigt auch die Tatsache, dass ein Mitglied öffentlich auftritt und eine breite Fanschar hinter sich weiß. Das hat man beim FC Bayern wohl etwas unterschätzt und konnte es nicht einfach übergehen.
Brömmekamp: "Darf nicht passieren, dass die Führung die Verbindung zur Basis verliert"
Was hätte der FC Bayern vielleicht anders machen können?
Natürlich muss die Versammlung irgendwann beendet werden, da sie sonst verlängert oder neu angesetzt werden muss. Aber man hätte im Vorfeld, sofern es die Satzung zulässt, einen neutralen Versammlungsleiter ernennen können. Denn bei einem Abbruch der Diskussion stünde dieser im Fokus und nicht der Präsident oder Aufsichtsratsvorsitzende, wie es jetzt beim FC Bayern passiert ist.
Was soll der FC Bayern jetzt unternehmen, um die Situation wieder zu beruhigen?
Es wurde bereits erkannt, dass das Thema nicht richtig eingeschätzt wurde, und Präsident Herbert Hainer hat persönliche Treffen mit den kritischen Fans angekündigt. Es ist jetzt ganz wichtig, den Fans das Gefühl zu geben, dass sie gehört werden und nicht ausgegrenzt sind. Es darf nicht passieren, dass die Führung die Verbindung zur Basis verliert, das ist ganz schädlich. Der FC Bayern täte gut daran, das Thema auf vernünftige Art und Weise schnell zu regeln. Fans fühlen sich abgeholt, wenn man sie mit ihrem Anliegen ernst nimmt. Natürlich kostet ein solches Gespräch Zeit und ist mühsam, aber den Fans hilft es, ihr Thema loszuwerden. Am Ende muss man nicht einmal einer Meinung sein. Denn es lässt sich darüber streiten, ob die Fans entscheiden sollen, welche Sponsoring-Verträge abgeschlossen werden sollen. Am Ende ist das nämlich Vorstandssache, wie in jedem Unternehmen. Der angekündigte Dialog ist genau der richtige Weg.
"Braucht sicherlich keinen kompletten Rückzieher"
Ab wann sollte man sich in so einer Situation entschuldigen und einfach einen Rückzieher machen? Oder muss man standhaft bleiben?
Wenn die Vereinsführung meine Einschätzung teilen sollte, dass das Thema etwas unterschätzt worden ist, sollte keinem "ein Zacken aus der Krone brechen" bei einer Entschuldigung gegenüber den Fans. So etwas sollte tunlich am Beginn eines Gespräches stehen, aber es braucht sicherlich keinen kompletten Rückzieher. Ich glaube, die gesamte Brisanz des Themas hat die Vereinsführung überrumpelt. Die Frage ist auch: Wie viel Basisdemokratie lässt man zu? Aber Diskussionen sollten immer geführt werden, denn möglicherweise entstehen daraus auch neue Erkenntnisse. Doch die letzte Entscheidung bleibt bei den Entscheidungsträgern – das muss so sein, andernfalls kann jede getroffene Entscheidung angezweifelt werden.
Was raten Sie als Krisenmanager in einer solchen Situation Ihren Kunden?
Zunächst kommt es darauf an, wie zerrüttet das Verhältnis ist. Ist die Basis für eine gemeinsame Diskussion noch gegeben, sollte man auch vernünftig aufeinander zugehen und ein Gespräch suchen. Ist dies nicht mehr möglich und allein schon der Gesprächseinstieg schwierig, halte ich sehr viel von einer Mediation. Dort wird ein Mittler eingeschaltet, der von beiden Seiten akzeptiert und anerkannt wird. Es ist verblüffend, welche Erfolge dadurch erzielt werden können. Keine Option ist das Aussitzen, das kommt bei der Fan-Basis nicht gut an, und man bekommt es bei der nächsten kleinen Krise vorgehalten.
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