Man kann in dieser Saison die Uhr danach stellen: Bayer Leverkusen trifft in schöner Regelmäßigkeit in der Nachspielzeit. So auch im Halbfinal-Rückspiel der Europa League gegen die AS Rom. Es ist eine Qualität, die den deutschen Meister zum Triple tragen kann. Denn die späten Treffer sind nicht nur Glück, sondern haben Methode.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Andreas Reiners sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Es war nur ein Wort, doch Xabi Alonso wusste sofort, was gemeint war. Ein Wort, bei dem auch allen anderen klar war, worum es ging. "Wie?", wurde der Trainer von Bayer Leverkusen nach dem 2:2 gegen die AS Rom gefragt. 0:2 lag der deutsche Meister im Halbfinal-Rückspiel der Europa League gegen die Italiener zurück. Wankte, wackelte. Und zog durch ein 2:2 dann nicht nur in das Finale ein, sondern blieb auch im 49. Pflichtspiel in Folge ungeschlagen. Durch ein Tor in der Nachspielzeit. Mal wieder.

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Denn es war das bereits 15. Mal in dieser Saison, dass Bayer so spät zuschlug. Es war der 23. Treffer in der Schlussphase, also ab der 86. Minute und das 38. Tor nach der 80. Minute. Deshalb ist die Frage nach dem "Wie?" vollkommen berechtigt. Doch Alonso zuckte mit den Schultern. Es gibt Dinge im Fußball, die man nicht immer bis in das letzte Detail analysieren kann.

Alonso hatte keine Zweifel am Comeback seiner Mannschaft

"Es ist schwer zu erklären", sagte Alonso deshalb auf der Pressekonferenz. Immer wieder sei er aufgrund der Comeback-Qualitäten "sprachlos", es sei "großartig, das Finale auf diese Art und Weise zu erreichen". Er habe es "in den Augen der Jungs" gesehen, "dass sie daran geglaubt haben".

Er selbst habe auch nicht daran gezweifelt, dass seine Mannschaft noch einmal zurückkommen kann, sagte er. Doch natürlich weiß er, dass so etwas auf ganz hohem Niveau auch schon mal schiefgehen kann. Wie gegen die Roma, als Bayer Chance um Chance herausspielte, aber nur der Gegner zweimal vom Punkt traf. Es gibt sie, die Spiele, die man dominiert, dann aber trotzdem verliert.

Doch eine beeindruckende Mentalität und Moral, ein unbändiger Wille haben in dieser Saison bei Bayer Methode. Die Attribute gehören zur DNA dieser Mannschaft. Das ist alles kein Zufall oder nur Glück, sondern inzwischen ein Markenzeichen. Eine Qualität, mit der das Team durch eine Saison pflügt, die schon längst historisch ist, aber noch mehr bereithält.

Die Mannschaft hat ein tief verankertes Selbstverständnis entwickelt, ein offenbar unerschütterliches Selbstvertrauen, gepaart mit Geduld und Souveränität. Und Seriosität, wie Alonso so oft betont. "Die Spieler haben einen großen Glauben daran, was wir machen. Und sie bleiben immer bei der Idee", sagte Alonso. Das sorgt für eine beeindruckende Stabilität auf dem Platz, auf dem die Mannschaft weder den Kopf noch den Faden verliert. All das bedingt sich gegenseitig und wird dann ein Stück weit auch zu einem positiven Selbstläufer.

Bayer Leverkusen wollte das 2:2

Bemerkenswert: Ein 1:2 hätte auch zum Einzug in das Endspiel gereicht, doch Niederlagen sind in Leverkusen in dieser Saison verpönt. Sie sind schlicht keine Option. Bayer drängte mit aller Macht auf das 2:2, auf den Erhalt der Serie, und ging damit durchaus auch ein Risiko ein. "Ich konnte sie in dem Moment nicht kontrollieren, die Spieler wollten mehr. Sie hatten ein gutes Gefühl", sagte Alonso.

Mit dem 49. Pflichtspiel in Folge ohne Niederlage hat Bayer nun Benfica Lissabon als europäischen Rekordhalter abgelöst. Die Portugiesen waren zwischen 1963 und 1965 in 48 aufeinanderfolgenden Partien ungeschlagen geblieben. Den Rekord für einen Klub aus den fünf europäischen Top-Ligen hatte die Werkself bereits mit dem 44. Spiel geknackt.

Alonso will nicht aufhören

Was zeichnet diese Mannschaft aus, was ist das Besondere an ihr? Auch das vermochte Alonso nicht im Detail zu erklären. Doch auch das sei „unglaublich. Normalerweise gibt es auf dem Weg eine Niederlage. Aber wir haben jetzt noch vier Spiele, wir wollen nicht damit aufhören. Vielleicht hören wir nach Berlin auf und gehen dann in Urlaub“, sagte er.

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Das Remis gegen Rom ist in der Hinsicht ein weiteres Ausrufezeichen an die Konkurrenz. Es unterstreicht, dass das Triple aus Meisterschaft, DFB-Pokal und Europa League nicht nur verdient wäre, sondern auch immer greifbarer wird, auch dank der Comeback-Qualitäten.

Diese Mannschaft ist auf dem Weg dorthin offenbar nicht aufzuhalten und findet immer eine Lösung. Und glaubt dabei so sehr an sich, an die eigenen Stärken und an die Vorgaben des Trainers, dass man nicht mehr nur damit rechnen, sondern sogar davon ausgehen muss, dass von Bayer noch eine Antwort kommt.

Die Antwort gegen Rom durch Josip Stanisic ist wie ein kitschiges Gemälde dieses unglaublichen Leverkusener Wegs in dieser Saison. Dass ausgerechnet er als Joker das 2:2 in der siebten Minute der Nachspielzeit erzielte, steht für richtige Entscheidungen, Willen, Stärke, Moral und die nötige Portion Glück. Es steht für die Comeback-Qualitäten, die vielleicht nicht immer erklärbar sind, aber Bayer zum Triple tragen können.

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