• Der Teamkollege ist in der Formel 1 immer der erste Gegner und manchmal auch der größte Feind.
  • Pierre Gasly und Esteban Ocon fahren 2023 zusammen bei Alpine.
  • Früher waren sie Freunde, heute ist Krawall-Potenzial vorhanden, denn die Freundschaft ist lange abgekühlt.


Filmfestspiele 2018 in Cannes. Der rote Teppich. Stars posieren, ein Lächeln hier, ein freundliches Winken dort. Blitzlichtgewitter. Und mittendrin die Formel-1-Piloten Esteban Ocon und Pierre Gasly. Inklusive feinem Zwist in den sozialen Medien. Denn erst postete Ocon ein Gruppenfoto, bei dem er Gasly herausschnitt. Kurze Zeit später folgte der Gasly-Post – ebenfalls mit besagtem Motiv, aber exklusive des diesmal entfernten Ocon.

Albern? Mag sein, doch es ist eine kleine Episode, die ziemlich gut veranschaulicht, wie es um das Verhältnis der beiden Rennfahrer bestellt war – und immer noch ist? Das ist die große Frage, denn 2023 sollen die beiden Franzosen als Hoffnungsträger der "Grande Nation" das französische Team Alpine zu Erfolgen führen. Zu Siegen, vielleicht sogar zu Titeln. Oder doch eher zu Daily Soaps? "Die beiden können sich nicht ausstehen, bringt sie bloß nicht zusammen!", hatte Ex-Weltmeister Jacques Villeneuve gewarnt. Doch Alpine hat Gasly von AlphaTauri losgeeist, der 26-Jährige wird Nachfolger von Fernando Alonso.

Freunde werden Rivalen

Dabei waren Gasly und Ocon einst sogar Jugendfreunde, wurden 1996 gerade einmal 50 Kilometer voneinander entfernt in der Normandie geboren. Die ersten Runden im Kart drehten sie als Kinder gemeinsam, träumten zusammen von der Formel 1, die so damals noch so weit weg schien.

Doch wie das oft so ist, verschlechterte sich das Verhältnis mit dem Ehrgeiz, mit den Erfolgen und Ambitionen, und aus den Freunden wurden mit der Zeit erbitterte Rivalen. Die direkten Duelle wurden härter und giftiger, ebenso wie die ersten Kollisionen, hinzu kamen versteckte, dann auch offene Fouls. Um 2009 herum entfernten sich beide immer mehr voneinander, was mit den Jahren nur noch schlimmer wurde, während beide weiterhin ihren Traum verfolgten. Mit Erfolg, muss man sagen.

Im Gleichschritt nach oben

2012 traten beide im Formel Renault 2.0 Eurocup an, 2013 dann in der Alpine Formel Renault, 2014 in der Formel Renault 3.5. Im Gleichschritt, immer gegeneinander, leider nicht mehr miteinander. Ocon holte sich die Titel in der europäischen Formel 3 und der GP3, Gasly gewann wiederum die GP2-Serie. Zur Mitte der Saison 2016 schaffte zunächst Ocon den Sprung in die Formel 1, eine Saison später dann auch Gasly.

"Unsere Beziehung war ein Auf und Ab, das ist ja für niemanden etwas Neues", sagte Gasly. "Aber seit wir in der Formel 1 sind, wurde sie besser: Weil wir damit beide einen unserer Träume erreicht haben und auch einfach erwachsener geworden sind, mehr Verantwortung tragen." Außerdem habe man jetzt ein gemeinsames Ziel, um mit Alpine an die Spitze zu kommen, so Gasly, der seit seinem Einstieg für die Red-Bull-Teams fährt, vornehmlich für AlphaTauri: "Wenn wir das erreichen wollen, müssen wir zusammenarbeiten."

Auch Ocon gibt sich inzwischen versöhnlicher. Er hält die Zusammenführung der einstigen Kart-Kumpel für eine "großartige Geschichte. Wir haben einst gemeinsam im Kartsport angefangen. Dann haben wir uns ein bisschen auseinandergelebt. Dass wir künftig zusammenarbeiten, ist großartig." Man habe Respekt füreinander, und das sei seiner Meinung nach das Wichtigste, erklärte Ocon, der seit 2020 für Renault beziehungsweise Alpine fährt.

Lesen Sie auch:

"Formel 1 ist ein Teamsport"

Teamchef Otmar Szafnauer macht unmissverständlich klar, was er von seinem neuen Duo erwartet: Persönliche Eitelkeiten müssen zurückgestellt werden, das Team steht an erster Stelle. "Die Formel 1 ist ein Teamsport, deshalb müssen wir in der Lage sein, zusammenzuarbeiten und alles zu optimieren. Sie sind Profis und haben kein Problem damit, gemeinsam zu arbeiten", sagte Szafnauer.

Das muss sich in der Praxis erst noch zeigen. Eine Team-Chemie entwickelt sich dynamisch, die Frage nach dem Team-Leader, der Nummer eins wird erst im Laufe der Zeit beantwortet und die weitere Richtung und Stimmung bestimmen. Das Knall-Potenzial ist aufgrund der Vorgeschichte aber riesig.

Ocon glaubt trotzdem, dass das funktionieren kann. Klar – was soll er auch anderes sagen? "Wir haben die Chance, gemeinsam etwas Großes zu erschaffen. Dass wir einen perfekten Job für das Team machen und gut zusammenarbeiten, das muss das Mindeste sein. Ich glaube, alles wird gut", sagte er. Jetzt gebe es die Chance, dass man die Differenzen aus der Welt schaffe, sagte Gasly: "Ich mache mir keine Sorgen. Wir sind erwachsen und intelligent genug, um zu wissen, was das Beste für uns ist und vor allem, was das Beste für das Team ist." Ein (Twitter)-Zoff gehört sicher nicht dazu.

Verwendete Quellen:

  • TV-Übertragung
  • Pressekonferenzen
Interessiert Sie, wie unsere Redaktion arbeitet? In unserer Rubrik "So arbeitet die Redaktion" finden Sie unter anderem Informationen dazu, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte kommen. Unsere Berichterstattung findet in Übereinstimmung mit der Journalism Trust Initiative statt.

Nach Regel-Chaos: Verstappen nach Sieg in Japan erneut Formel-1-Weltmeister

Erst Regen-Chaos, dann Regel-Chaos: Max Verstappen kann nach einem verrückten Grand Prix von Suzuka seinen zweiten WM-Titel feiern. Der alte und neue Weltmeister gewann nach 28 von 53 geplanten Runden das Rennen, das zwischenzeitlich mehr als zwei Stunden lang unterbrochen war.
JTI zertifiziert JTI zertifiziert

"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.