Red Bull hat mal wieder gezeigt, dass man nicht lange fackelt, wenn die Leistung in der Formel 1 nicht stimmt. Nach dem Rauswurf von Nyck de Vries feiert Daniel Ricciardo bei AlphaTauri sein Comeback – und könnte jetzt bei Red Bull Racing eine ernsthafte Gefahr für Sergio Perez werden.

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Es hat einen unschätzbaren Vorteil, wenn man 13 Jahre in der Formel 1 ist: Man wird nicht mehr groß überrascht. Deshalb kann Sergio Perez auch nichts mehr aus der Ruhe bringen. Dass Nyck de Vries nach nur zehn Rennen bei AlphaTauri aussortiert und jetzt durch Red-Bull-Reservefahrer Daniel Ricciardo ersetzt wurde, daher auch nicht. Und dass im knallharten Red-Bull-Kosmos nun spekuliert wird, er selbst könnte der nächste sein, der gehen muss?

"Wenn ich ehrlich bin, könnte es mich nicht weniger interessieren", sagte der 33-Jährige zu den Spekulationen um seinen möglichen Rauswurf. "Ich bin seit 13 Jahren in der Formel 1 und habe schon alles gesehen. Darüber mache ich mir keine Sorgen." Er habe zwar ein paar schlechte Wochenenden gehabt, "aber am Ende des Tages zählt nur, wo wir in Abu Dhabi ins Ziel kommen. Es ist also noch eine lange Saison, und ich glaube fest daran, dass ich meine Saison wieder in den Griff bekommen kann."

Er weiß, dass diese Spekulationen aufkommen, wenn man seine Saison nicht im Griff hat. Und bei Red Bull Racing passiert das noch ein bisschen schneller.

Helmut Marko ist für seine harte Hand bekannt

Red Bulls Motorsportberater Helmut Marko ist für seine harte Hand bekannt. Die Red-Bull-Schule ist gefürchtet, denn Piloten werden gefordert und gefördert, aber eben auch schmucklos abserviert, wenn sie die nötige Leistung nicht mehr bringen oder das Potenzial schlicht nicht ausreicht. Das ist zwar nicht immer die feine englische Art, dafür aber ehrlich. "Wir mussten etwas tun", begründete der Österreicher beim "Telegraaf" den Rauswurf von de Vries. "Warum sollten wir warten? Was bringen denn zwei weitere Rennen, wenn du keine Verbesserungen siehst? Nyck ist ein sehr netter Kerl, aber der Speed war einfach nicht da. Er war sogar immer drei Zehntelsekunden langsamer als Yuki."

AlphaTauri hat in diesem Jahr kein konkurrenzfähiges Auto, das Team ist WM-Letzter, doch auch gegen die erste Messlatte, den Teamkollegen Yuki Tsunoda, hatte de Vries keine Chance. In den Qualifyings (Sprint und Rennen) unterlag der Niederländer 2:10, in den Rennen kam er nur zweimal vor dem Japaner ins Ziel. Zu wenig, um das Cockpit zu halten. Dass Ricciardo bei Reifentests in dieser Woche auftrumpfte, war dann die finale Bestätigung für den Wechsel. Und so reiht sich de Vries in die berühmt-berüchtigte Riege der Red-Bull-Geschassten ein.

Ex-Pilot Alguersuari musste zum Psychologen

Zu denen gehört zum Beispiel Jaime Alguersuari, der zweieinhalb Jahre lang für Toro Rosso (heute AlphaTauri) fuhr und 2011 entlassen wurde. "Ich träume immer noch davon", gestand Alguersuari im vergangenen Jahr bei "El Confidencial". "Manchmal wache ich weinend auf. Ich träume, dass ich eine gute Runde abgeliefert habe, aber Herr Marko war trotzdem verärgert", sagte Alguersuari, der zum Psychologen musste und seine Motorsport-Karriere 2015 beendete. Diese knallharte Trennung ist kein Einzelfall.

Daniil Kvyat, Pierre Gasly und Alex Albon wurden in der jüngeren Vergangenheit nach guten Leistungen zunächst befördert und dann aber wieder degradiert. Kvyat musste 2016 Platz für Verstappen machen, die anderen beiden konnten später mit dem Niederländer nicht mithalten. 2020 rechnete Gasly in einem emotionalen Beitrag für die "Players Tribune" mit den Verantwortlichen ab. Schrieb von fehlender Unterstützung, dass sich niemand für ihn eingesetzt habe. "Ich habe mir jeden Tag den Arsch aufgerissen", versicherte er, "aber bekam nicht das Werkzeug, um erfolgreich zu sein. Es war die bei weitem schwierigste Zeit, die ich als Fahrer je erleben musste".

99 Punkte hinter Verstappen

Der Franzose ging zurück zu AlphaTauri und fährt inzwischen für Alpine, Albon blieb nach seinem Aus noch als Ersatzfahrer und wechselte 2022 zu Williams. Ironie des Schicksals: Albon gilt trotz eines bis 2025 laufenden Vertrags bei Williams als ein möglicher Ersatzkandidat für Perez, der sein Cockpit im Moment noch sicher hat, sein Vertrag läuft bis 2024.

Allerdings sprechen die Leistungen aktuell gegen eine Zukunft bei Red Bull Racing. Nach zehn Saisonrennen in einem identischen Auto 99 Punkte hinter seinem Teamkollegen Verstappen zu liegen, ist angesichts der gleichen Voraussetzungen ein Armutszeugnis. Weder reicht die Qualität noch die Konstanz, um es mit dem zweimaligen Weltmeister dauerhaft aufzunehmen, geschweige denn eine ganze Saison, im Kampf um den Titel.

Die große Schwäche des Mexikaners ist das Qualifying. Verstappen fuhr in den letzten fünf Qualifyings auf die Pole Position, Perez landete parallel im Schnitt auf Startplatz 14,8, er schaffte es dabei nie in Q3. "Er hat den Bonus, dass er immer recht gute Rennen abliefert", verteidigte Marko die Entscheidung, bei Perez aktuell nichts zu unternehmen. Momentan, betonte Marko, sei kein Handlungsbedarf. Denn, was hinzukommt: "Es bietet sich niemand an, der ihn ersetzen könnte."

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Ricciardos wohl letzte Chance

Das kann sich allerdings schnell ändern. Vor allem Ricciardo hat jetzt die Chance, jede Menge Druck auf Perez auszuüben. Ricciardo weiß, dass es mit nunmehr 34 Jahren wohl seine letzte Möglichkeit ist, noch einmal ein siegfähiges Cockpit zu bekommen. Dass Verstappen mit dem Australier deutlich besser auskommt als mit Perez, wird möglicherweise auch eine Rolle spielen. Sky-Experte Ralf Schumacher glaubt: "Wenn Ricciardo performt, dann wird er nächstes Jahr an der Seite von Max Verstappen sitzen." Denn klar ist laut Schumacher: "Unmöglich ist in der Formel 1 fast nichts."

Verwendete Quellen:

  • De Telegraaf: Helmut Marko verklaart wegsturen Nyck de Vries: "Waarom nog wachten?"
  • Spy Sport: Schumacher: ''Wenn Ricciardo performt, sitzt er 2024 an der Seite von Verstappen''
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