Unterwegs im Südwesten Portugals: Campen an der sandverblasenen Küste, Wandern über Felsbarrieren, die sich dem Atlantik entgegenstemmen, Baden in aufgewühlten Fluten. Überraschend, wie viel Leben sich an der Wasserkante regt, wie wechselhaft der Ozean sich gibt.

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Wir, mein Kumpel Jo und ich, sind mit zwei Bussen unterwegs. Einem selbst ausgebauten VW-T6 4-Motion und einem betagten VW-T3 California. Unsere Wanderetappen beginnen stets an Standplätzen in Meeresnähe und enden dann am zweiten Bus, den wir vorausschauend so stationieren, dass wir bequem zurückkommen. Wo es geht, kochen wir abends nah am Wasser und verbringen die Nacht ganz legal auf Campingplätzen oder an stillen Dorfstraßen. So vermeiden wir Bußgelder, die hier im Nationalpark für Wildcamper fällig werden, und brauchen uns um teure Schlafplätze in Hotels oder Pensionen nicht bemühen.

Porto Covo – Vila Nova de Milfontes

Unsere ausgefeilte Erkundung der bizarren Küstenlinie beginnt am Piraten-Restaurant La Ilha: ein Holzhäuschen mit genialer Terrasse vor der Pessegueiro-Insel. Bereitwillig lassen wir uns vom Sonnenuntergangs-Szenario bei Sagres-Bier in sentimentale Stimmung bringen – und von der schönen und gesprächigen Besitzerin Claudia über die Geschichte dieses Ortes erzählen. Sie schwärmt von ihrem nah gelegenen Pferdehof und empfiehlt ein schönes Bacalao-Gericht. Das Essen ist prima, die Nacht auf dem offiziellen Parkplatz hinter der Düne allerdings wenig romantisch.

Am nächsten Morgen dann geht es mit beiden Bussen an den Endpunkt unserer ersten Tagesetappe, 25 Kilometer herüber nach Vila Nova de Milfontes. Ein Fahrzeug lassen wir vor der Weinbar auf dem Parkplatz an der Praia do Porto das Barcas stehen. Mit dem zweiten geht es zügig zurück zum Ausgangspunkt unserer Wanderung.

Wanderweg Rota de Vicentina

Jetzt wird es ernst und der Fußmarsch beginnt: Unsere erste Etappe auf der Rota de Vicentina. Im Rucksack viel Proviant für Pausen auf der achtstündigen Tour, noch mehr Wasser, Fotoapparate, ein Fernglas, je eine Badehose. In Sachen Orientierung fällt uns gleich ein Stein von Herzen: Der Pfad ist bestens ausgeschildert, überall Pfosten und gemalte Markierungen auf den Felsen. Frohgemut stapfen wir über grasbewachsene Dünen, hundert Blumen wehen im Wind, wir trecken über die weite Praia (Strand) da Ilha do Pessegueiro.

Alles um uns herum ist in Bewegung: Die gewaltige Brandung dröhnt in den Ohren, Möwen schreien und durchschneiden den klaren Himmel, Störche hocken klappernd in ihren ausgesetzten Felsen-Nestern. Solange Ebbe ist, können wir auch mal unterhalb des Pfades laufen, auf der spiegelnden, riesig breiten Fläche des Strandes, ganz nahe am tobenden Wasser. Im Süden vor uns, scharf gegen die Sonne gezeichnet, die Kante der Küsten-Felsbarriere. Immer wieder wechselt der Untergrund, manchmal ganze Felder von rundgeschliffenen Kieseln, dann wieder nassglänzende, flache, schwarze Felsplatten, manche von sehr grünen Algen überzogen. Und überall regt sich Leben: Huschende kleine Krebse, Muschelgärten, ganze Schwärme kleiner und großer Vögel vor uns: Hier gibt es wohl Nahrung im Überfluss.

Auch manche Dorfbewohner sind auf der Jagd: Wir treffen ein älteres Paar, Plastiktüten in der Hand. Sie zeigen gerne her, was sie sammeln: Muscheln und essbaren Seetang. Der Atlantik ist freigiebig heut morgen.

Dann trennen wir uns von der wassernahen Szenerie. Mal steil herauf, mal herunter, so geht es auf der Abbruchkante dahin. Kleine Sandbuchten unter uns, manche nur über steile Kletterpfade von oben erreichbar. Vereinzelt haben Wanderer ihr Zelt da unten aufgeschlagen – und genießen die Zeit in der Abgeschiedenheit.

Auch wir machen auf halber Strecke Pause, hocken auf einer Felskante hoch überm rauschenden Atlantik, schauen den Kormoranen und Möwen zu, die unter uns auf Felsnadeln und -bändern nisten. Und haben jetzt Muße, das glänzende Meer nach dem Blas der Wale abzusuchen. Não, hoje não! Nein, heute kommt leider kein Großfisch in Sicht.

Dann geht es weiter, wir müssen einen Zahn zulegen, um die letzten zehn Kilometer zu schaffen. Das wird zuweilen mühsam, immer wenn sich der Pfad durch tiefen Sand schlängelt. Endlich kommt die letzte Bucht vor Vila Nova in Sicht, die Praia do Porto das Barcas. Und, oh Freude, ein Stück Zivilisation, die Bar, hoch überm Strand. Zum Abschluss ein gutes Sagres-Bier in der Hand, der treue Bus in Sicht. Um ótimo dia!

Carvalhal – Azenha

Ausgangspunkt der zweiten Etappe ist die Praia Do Carvalhal am Campingplatz Monte Carvalhal da Rocha. Hier verbringen wir einen gemütlichen Tag, schwimmen im eiskalten Atlantik, sitzen zitternd an der Bar und zelebrieren abends gemütlich Vanlife unter Eukalyptusbäumen. Nur schade, dass die jetzt – wohl jahreszeitlich bedingt – ein bisschen zu viel Schatten spenden. Nur die Stimme des Meeres erfüllt den Campingplatz – und Jo hat nun wohl auch Ruhe nötig: Nachmittags versuchte er, die Bucht im erprobten und angeblich hochseetauglichen Kajak zu erkunden – und vielleicht ein bisschen zu angeln da draußen. Doch der launische Atlantik zeigt ihm die rote Karte: Zu hohe Wellen, zu viel Wind, zu starke Strömung, Abbruch.

Am nächsten Tag, zuerst das Busmanöver. Dann Aufbruch zur nächsten, etwas kürzeren Etappe, etwa acht Kilometer liegen vor uns. Der Atlantik wirkt friedlich heute. Es geht vorbei an der abgelegenen und unzugänglichen Praia dos Machados. Hier ist sichtbar, wovor die Schilder warnen: Teile der hohen Küstenfelsen stürzen ab, lange Risse bilden sich an der Kante. Der Ozean kann wütend sein: Bei Sturm entreißt er dem Land immer größere Stücke. Für uns kein Problem, noch hat der Pfad stets genug Abstand zum Abgrund.

Es gibt auch Hindernisse ganz anderer Art: Vor der Anlage der Herdade Amália Rodrigues weicht der Weg von der Küste ab. Da hat wieder ein Großgrundbesitzer ein Stück Natur für sich in Beschlag genommen, Zutritt verboten, maldito! Eigentlich muss man den edlen Besitz umrunden, bis zur Landstraße laufen, um zum wunderbaren nächsten Küstenfischerort zu kommen. Wir aber haben den Bus an der Landstraße CM 1185 geparkt – und können bequem nach Azenha do Mar herunterrollen.

Der bizarre kleine Hafen spricht Bände davon, was Stürme hier anrichten. Pechschwarze, von der Brandung geformte Felsen ragen in den Himmel. Dazwischen Rampen, über die man die Boote mit Seilwinden aus dem Wasser zieht, damit sie nicht den Wellen zum Opfer fallen. Der Atlantikkann zornig sein und macht den Fischern zuweilen das Fischen schwer.

Oben auf der Kante herrscht bessere Stimmung: Wir besuchen das einzige Fischrestaurant am Ort (A Azenha do Mar). Und genial: Hier kommt das Meeresgetier direkt vom Hafen auf den Teller.

Carrapateira – Praia Amado

Und wieder das Manöver: Vom Dorf aus geht es mit zwei Bussen die CMM 1134 (Piste, Womo-Fahrverbot) herunter, nach Süden, etwa drei Kilometer bis zum Parkplatz an der Praia da Amado. Von dort mit einem Auto zurück auf den Parkplatz an der Praia da Bordeira, einem wunderschönen Dünenstrand.

Wir haben jetzt keine Zeit zum Baden, schultern die Rucksäcke, laufen über die Piste herauf zum Pontal, so heißt der weit in den Atlantik ragende Vorsprung. Man kann auch einen Pfad nehmen, näher am Wasser entlang.

Bald stehen wir an der wilden, sturmzerfressenen Abbruchkante. Ein interessanter, sagenumwobener Spot. Dort unten wartet "La Condesa" ungeduldig auf Schatzsucher, ein mit Gold beladenes Wrack aus der Zeit, als Portugals Herrscher noch ein Weltreich regierten. Und, kaum zu glauben, der Streifen knapp über dem tosenden Wasser ist auch Arbeitsplatz von Sammlern lebendiger Schätze. Hier macht man Jagd auf Entenmuscheln. Davon bekommen wir leider wenig zu sehen: Ein paar Männer sortieren hier oben Neoprenanzüge und Fangmaterial. Sie wirken mürrisch, lassen sich offenbar nicht gern beobachten, fotografieren geht gar nicht.

Nur einer ist freundlich, kann Englisch und erzählt: Da drüben liegt Pedra da Galé, der bevorzugte Ort der Leute von Carrapateira; "nur hier", "só aqui", auf diesem stets nassen Felsen verstecken sich die besten Entenmuscheln (Perceves). Der mutige Jäger erzählt: Sie müssen sich angeseilt bis zu den tobenden Wellen herunterlassen, um die begehrte Ware mit Brecheisen vom Fels zu kratzen. Die Tierchen bringen hohe Preise, sie schmecken hervorragend, jeder will sie ernten, aber nur wenige haben eine Lizenz. Ob wir ein Stück mit runter dürfen, zuschauen? "Não, muito perigoso", zu gefährlich. Na gut, diese Freunde des Atlantiks muss man wohl in Ruhe lassen. Aber erst, nachdem sie verraten haben, wo wir die seltenen und seltsamen Früchte des Meeres kaufen können.

Dann geht es an weiteren spektakulären Spots vorbei. Wir nehmen uns Zeit, immer wieder zum Wasser herunterzuklettern. An der unzugänglichen Praia da Zimbreirinha, wo sich die verlassenen Häuschen von Fischern an die Felsen klammern. Dann weiter zur riesigen Praia de Amado, einem Platz, an dem sich alle Surfer der Welt zu versammeln scheinen.

Sagres und der Sardinenhafen

Nach ein paar Tagen Ausruhen auf dem Campingplatz Orbitur in Sagres, einem erfolgreichen Entenmuschel-Testessen und Ausflügen zur nahen, bildschönen Praia de Castelejo mal ein Abenteuer ohne Fußmarsch: Morgens, noch im Dunkeln, brechen wir auf zum großen Sardinenhafen von Sagres. Wie praktisch: Man kann mit dem Bus ganz unbehelligt durch die Pforte fahren, bis nahe an die Kais – und unten erstmal selbstgemachten Kaffee trinken.

Nach Sonnenaufgang tuckern langsam die kleinen Trawler herein, riesige Schwärme von Möwen stehen über den Schiffen. Denn die Fischer sind immer noch dabei, Netze aufzuklaren, und spenden den Vögeln die erste Tagesmahlzeit. Am Kai herrscht helle Aufregung: Geschrei, Kommandos, viele Männer in Ölzeug. Sie schieben blanke Stahltische in Position, stapeln leere Kisten an den Anlegeplätzen. Kaum hat der erste Trawler festgemacht, schnurrt ein waghalsiger Hubstapler-Pilot heran, greift sich die schweren, vollen Sardinen-Kisten und lädt sie vor den Tischen ab. Dort packen dutzende Hände an, holen die glänzenden Fische mit Käschern heraus und werfen sie auf die Stahlflächen. Dann sortieren, endlos, immer die gleichen Handgriffe: Groß von klein scheiden. Ab und zu ein paar kaputte Fische für die Möwen.

Hektisches Getriebe, doch wieder hat einer Zeit, uns alles zu erklären. Fabio spricht Englisch, freut sich über den guten, heute riesigen Fang. "Das Meer war freigiebig", dank der staatlich verordneten Quoten haben sich die einst bedrohten Sardinenschwärme vor der Portugiesischen Küste erholt. "Nein", meint er, "der Atlantik vor Portugal ist noch lange nicht leer gefischt, felizmente!"

Und er hat einen Tipp für uns parat: Da vorn, über der Fisch-Auktionshalle, wo gleich das Feilschen beginnt, bewirtet ein Restaurant seine Gäste: Am frühen Morgen gibt’s Bier für die Arbeiter an der Bar, und wenig später kommen Sardinengerichte und Meerestiere aller Art auf den Tisch. "Bom apetite!"

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Praktische Infos für einen Campingtrip in Portugals Südwesten

Unsere hier beschriebene Frühlingsreise (Mai/Juni) beginnt bei Porto Covo, südlich der Hafenstadt Sines, und führt entlang der Küste bis Sagres, dem Ende Europas am südwestlichen Cabo de Sao Vicente. Man kann diese Tour aber auch, statt die Küste zu Fuß abzumessen, mit schönen Radtouren kombinieren: auf manchmal aussichtsreichen, wundervollen Wegen entlang der Wasserlinie. Oder einfach mit dem Bus die herrlichen Ufer entlangbummeln, Spaziergänge am Atlantik machen, die hier beschriebenen Spots erkunden und am Abend vor einem der tollen Küstenrestaurants den Sonnenuntergang genießen.

  • Anfahrt: Portugal-Traveller brauchen ein bisschen Zeit: Zwischen München und Lissabon liegen immerhin 2.400 Kilometer. Also nichts für einen Kurzurlaub. Wer aber mit Campervan oder Wohnmobil in den Südwesten Europas unterwegs ist, lässt diesen Teil der Küste sicher nicht aus. Zu spektakulär, zu einzigartig, um nur vorbeizufahren.
  • Autobahngebühren: Vorsicht, in Portugal ist man darauf angewiesen, Strecken oder Brücken zu nutzen, die nur mit elektronischer Maut befahrbar sind. Es gibt unterschiedliche Betreiber und kein einheitliches System, das schafft Verwirrung. Wer vorausschaut und mit der ADAC-Mautbox fährt, muss sich um nichts mehr kümmern. Man kann auch vor Ort an einer Via-Verde-Station das Kästchen für die Windschutzscheibe kaufen – oder nur für eine bestimmte Strecke im Voraus bezahlen. Online gibt es auch Infos zur Höhe der Gebühren. Sie sind die höchsten in Europa. Für Camper oder Wohnmobil zahlt man von Lissabon bis Faro etwa 45€ (277 Kilometer).
  • Reisezeit: Die beste Chance auf sonnige, aber nicht zu heiße Tage haben Traveller von April bis Juni und von September bis Ende Oktober. Im Juli und August kann es sehr heiß werden und man muss sich Campingplätze und Nightspots mit viel zu vielen Gleichgesinnten teilen.
  • Dokumente: Personalausweis, Führerschein und Autopapiere genügen. Ein Reisepass kann für alle nützlich sein, die eine Rückfahrt durchs Mittelmeer per Fähre erwägen: Die Schiffe starten in Tanger, an Marokkos Nordküste.
  • Sicherheit: Die gleiche Lage wie überall in Europa. Vorsicht beim Parken im Umkreis großer Städte und an belebten Stränden. Keine Wertsachen im Fahrzeug lassen.
  • Ausrüstung: Für Küstenwanderungen empfehlen sich Stöcke, Verbandszeug, Regenzeug, Mütze und viel Sonnencreme.
  • Freies Stehen: Vorsicht, das gesamte Gebiet südlich von Sines wurde zum Nationalpark erklärt. Klar, die tagsüber sehr lockenden Standplätze mit Meerblick sind verführerisch. Man sollte nachts auf legale Plätze ausweichen. Innerhalb aller Ortschaften ist es gestattet, einmal zu übernachten, wo kein Parkverbot ausgewiesen ist. Die Polizei macht Fotos und kontrolliert, ob man sich länger dort aufhält. Tische und Stühle dort auszupacken, ist verboten. Aber: Es gibt zahllose herrliche Plätze am Meer, die man tagsüber zum Picknicken nutzen kann. Die meisten sind in park4night beschrieben. Wer sich nicht an die Verbote hält, riskiert hohe Strafen. 300 Euro sind mindestens fällig. Für alle, die es dennoch versuchen und die Bedürfnisse der Anwohner ignorieren: Je mehr das tun, desto radikaler wird die Polizei reagieren. Und das ist dann auch kein Wunder.

Camping-Tipps für Südportugal

Diese Campingplätze und Stellplätze eignen sich perfekt für die oben beschreibene Tour.

Camping Monte Carvalhal da Rocha

Wohnmobilstellplatz EN 120

Camping Orbitur  © Promobil