Künstliche Intelligenz (KI), Digitalisierung und automatische Prozesse haben starke Auswirkungen auf Berufsfelder und Branchen. 14 Prozent aller Jobs könnten von Maschinen erledigt werden, so eine OECD-Studie. Aber welche Berufe sind besonders betroffen? Und welche Chancen bietet KI möglicherweise für uns?

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Wareneingänge, Steuererklärungen und Versicherungsanträge automatisch prüfen, aus einer Vielzahl von Bewerbern die geeigneten Kandidaten herausfiltern und relevante Gerichtsurteile recherchieren: Das sind Tätigkeiten, die selbstlernende Computerprogramme heute schon problemlos schneller und effizienter als Menschen erledigen können.

"Wer heute als Steuerberater anfängt und sich nicht spezialisiert, wird in Zukunft ein Problem bekommen", sagt Sven J. Körner. Der Informatiker und Gründer des Start-ups Thingsthinking gilt als einer der führenden deutschen KI-Experten.

"Eine Maschine kann 1.000 Belege pro Sekunde prüfen. Wenn Sie als Mensch nichts anderes als das tun, haben Sie in Zukunft potentiell nicht mehr den Mehrwert, den Sie heute noch leisten."

OECD-Studie: 14 Prozent aller Jobs könnten wegfallen

73 Prozent der Deutschen fürchten, dass in Zukunft Arbeitskräfte durch KI ersetzt werden könnten, so eine Umfrage der Marktforscher von MScience von Ende 2018.

In welchem Ausmaß das passieren wird, darüber sind sich Wissenschaftler nicht einig. Das liegt auch daran, dass niemand weiß, in welchem Tempo sich die künstliche Intelligenz entwickelt.

14 Prozent aller Jobs könnten in Zukunft wegfallen, weil sie von Maschinen erledigt werden, prognostiziert die aktuelle Studie "Automation, skills use and training" der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Weitere 32 Prozent der Berufsbilder in den OECD-Mitgliedsstaaten würden sich radikal verändern.

25 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland verrichten eine Tätigkeit, die irgendwann Roboter oder Algorithmen übernehmen könnten. 2015 waren es noch 15 Prozent. Das ist das Ergebnis einer 2018 erschienenen Studie des Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB).

Noch erschreckender sind Zahlen, die zwei Wissenschaftler an der Universität Oxford 2013 prognostizierten: Sie kamen zu dem Schluss, dass 47 Prozent aller Jobs in den USA automatisierbar sein könnten. KI-Experte Körner meint: "Letztlich ist es wie ein Blick in die Glaskugel. Aus wissenschaftlicher Sicht müssen wir sagen: Wir wissen nicht, wie viele Jobs wegfallen oder entstehen."

Welche Berufe besonders betroffen sein könnten

Aber auf welche Berufe und Berufsbilder haben KI und Automatisierung in Zukunft einen Einfluss? Körner glaubt, dass es wahrscheinlich "fast alle betrifft, bis auf vielleicht den Landschaftsgärtner und den Koch. Denn es gibt viele Dinge, die wir täglich in unserer Arbeit tun, die eine Maschine vielleicht nicht autonom übernehmen, aber deutlich unterstützen kann."

Die OECD-Studie stellt die produzierende Industrie und die Landwirtschaft, aber auch einige Dienstleistungsberufe in den Fokus. Dort seien vor allem Jobs mit Routineaufgaben, geringer Qualifikation und oft niedriger Bezahlung von der Automatisierung bedroht. Als Beispiele werden Arbeiter im Bergbau, in der Logistik sowie Reinigungskräfte genannt.

Einige Berufe können jetzt schon durch Maschinen ersetzt werden

Katharina Dengler vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) hat zusammen mit ihrer Kollegin Britta Matthes untersucht, in welchem Ausmaß Computer oder computergesteuerte Maschinen bereits heute Berufe oder berufliche Tätigkeiten ersetzen könnten.

"Am wenigsten betroffen sind die sozialen und kulturellen Dienstleistungsberufe. Dazu gehören zum Beispiel Lehrer oder Kindererzieher", erklärt die Expertin. Es sei schwer vorstellbar, dass Maschinen oder Computer ihre Aufgaben übernehmen könnten.

Vor allem bei Fertigungs- und fertigungstechnischen Berufen gebe es dagegen viele Tätigkeiten, die jetzt schon von Maschinen ausgeführt werden könnten, erklärt Dengler. Das gelte ebenso für Finanz- und Versicherungsdienstleistungen und den Bergbau.

Zu 100 Prozent könnten Maschinen heute bereits die Aufgaben von Aufbereitungsmechanikern, Buchhaltern, Bäckern, Steuerfachangestellten oder Kassierern erledigen.

Berufe verändern sich, sie verschwinden nicht

Trotzdem geht das IAB nicht davon aus, dass "diese Berufe verschwinden, sondern eher, dass sie sich verändern werden", erklärt Dengler. "Auch wenn eine Tätigkeit ersetzbar wäre, heißt das ja nicht, dass das auch wirklich passiert." Hierbei spielten auch andere Faktoren eine Rolle: Wenn die menschliche Arbeit produktiver, flexibler oder von besserer Qualität sei, würde sie eher nicht automatisiert.

"Schätzen Kunden ein handgebackenes Brot mehr wert als ein industriell gefertigtes, gibt es den Bäcker auch weiterhin", sagt die Expertin. Hinzu kämen finanzielle, rechtliche sowie ethische Faktoren: Soll zum Beispiel im Altenheim wirklich ein Pflegeroboter eingesetzt werden?

Dengler weist darauf hin, dass sich Berufsfelder seit jeher wandeln. Ersetzbare Tätigkeiten würden vielleicht künftig von Computern ausgeführt, aber dann würden womöglich andere Aufgaben hinzukommen. "Bisher ist uns beim technologischen Wandel die Arbeit nicht ausgegangen, sie hat sich nur verändert."

Die IAB-Expertin sieht die größte Herausforderung in der Digitalisierung darin, "dass sich Berufe und Branchen sehr stark wandeln. Das Wissen veraltet immer schneller, Arbeitnehmer müssen mehr am Ball bleiben. Lebenslanges Lernen und Weiterbildung müssen zur Normalität werden."

Künstliche Intelligenz als Chance für den Arbeitsmarkt

KI-Experte Körner sieht in der Weiterentwicklung der Künstlichen Intelligenz weitaus eher eine Chance als ein Risiko: "Es werden wohl mehr Jobs entstehen als wegfallen." Er verweist darauf, dass Maschinen immer eine Hilfestellung für den Menschen seien.

Im 19. Jahrhundert etwa hätten sehr viel mehr Menschen in Deutschland in der Landwirtschaft gearbeitet als heute. Trotzdem sei die Produktivität deutlich gewachsen - vor allem beschleunigt durch Maschinen wie den Mähdrescher.

"Wir haben heute keine Angst vor dem Mähdrescher, er nimmt uns ja Arbeit ab", erklärt Körner. "So ähnlich ist es mit der KI in vielen Berufen: Sie kann zum Beispiel helfen, schnell Informationen zu sammeln. Das, was heute 50 Berater erledigen, kann in fünf Jahren wahrscheinlich eine Maschine machen."

Experte warnt Unternehmen davor, blauäugig zu sein

Körner warnt Unternehmen und Politiker in Deutschland davor, das Thema Künstliche Intelligenz zu unterschätzen. Es gehe dabei nicht nur um Veränderungen in der Arbeitswelt, weitere wichtige Fragen müssten bedacht werden. Körner nennt ein Beispiel: "Maschinen zahlen keine Lohnsteuern, außerdem konsumieren sie nichts und zahlen deshalb keine Mehrwertsteuer." Der Staat habe dadurch wahrscheinlich massive Einnahmeverluste.

Viele deutsche Firmen glaubten, dass künstliche Intelligenz ihnen nicht weiterhelfe. "Vielleicht haben sie recht, aber es ist sehr unwahrscheinlich", sagt der Experte. 85 Prozent der chinesischen Unternehmen würden dagegen bereits mit KI arbeiten. "Niemand weiß, wie hoch die Marktgrößen für KI sein könnten. Aber überhaupt nicht darüber nachzudenken halte ich für einen großen Fehler. Es ist blauäugig zu sagen: Wir warten mal ab."

Ist Ihr Beruf durch Digitalisierung und KI gefährdet?

Inwieweit wird sich Ihr Beruf in Zukunft wandeln oder gar ganz überflüssig sein? Eine Online-Analyse der OECD gibt darüber Auskunft. Das englischsprachige Tool basiert auf den Ergebnissen der Studie "Automation, skills use and training". Es berechnet anhand der Antworten auf verschiedene Fragen die Wahrscheinlichkeit, mit der sich Ihr Job durch KI und Maschinen verändern wird.

Verwendete Quellen:

  • Gespräch mit Sven J. Körner, Geschäftsführer Thingsthinking
  • Gespräch mit Katharina Dengler, wissenschaftliche Mitarbeiterin am IAB
  • Studie von Ljubica Nedelkoska and Glenda Quintini für die OECD: "Automation, skills use and training”
  • Zusammenfassung der OECD-Studie: "Putting faces tot the jobs at risk of automation”
  • Online-Tool der OECD: "What does the future hold for your job?
  • Studie von Katharina Dengler und Britta Matthes am IAB: "Substituierbarkeitspotenziale von Berufen: Wenige Berufsbilder halten mit der Digitalisierung Schritt"
  • Studie von Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne an der Universität Oxford: "The future Of employment: How susceptible are jobs to computerization?”
  • Umfrage von MScience: "Spotlight: Künstliche Intelligenz"
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