In Ballungsräumen gibt es kaum noch bezahlbare Wohnungen. Viele Städte bauen daher neue Stadtviertel und weisen zusätzliche Baugebiete aus. Doch auch Mieter können selbst für bezahlbaren und kündigungssicheren Wohnraum sorgen.
In Deutschland fehlen rund eine Million Wohnungen. Besonders groß ist die Wohnungsnot in Ballungsgebieten und Großstädten, wo die Mietpreise stetig steigen. "Etwa 40 Prozent der Mieterhaushalte müssen mehr als ein Drittel ihres Nettoeinkommens für die Miete zahlen, jeder fünfte Mieterhaushalt sogar über 40 Prozent", erklärt Lukas Siebenkotten, Bundesdirektor des Deutschen Mieterbundes. "Darauf muss die Politik jetzt reagieren." Denn 2016 hatten rund 860.000 Menschen weder feste Bleibe noch Mietvertrag.
Boomender Wohnungsbau reicht nicht aus
Prof. Dr. Martin Voigtländer vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln will nicht direkt von Wohnungsnot sprechen. "Nach dem Zweiten Weltkrieg fehlten in Deutschland 4,5 Millionen Wohnungen, heute gibt es bis zu zwei Millionen leerstehende Wohnungen", erklärt der Leiter des Kompetenzfeldes Immobilienmärkte. "Das Problem ist jedoch, dass die Wohnungen nicht an der richtigen Stelle stehen. Gerade in den Ballungsräumen ist der Bedarf größer als das Angebot."
In den Großstädten hat der Bau von Mehrfamilienhäusern in den vergangenen Jahren zugelegt. "Der boomende Wohnungsbau reicht dort aber noch nicht aus, um der großen Zahl der Wohnungssuchenden gerecht zu werden und den Mietanstieg zu bremsen", erklärt Matthias Waltersbacher, Wohnungsmarktexperte beim Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR).
Rund 400.000 neue Wohnungen müssten jährlich gebaut werden. Die Hälfte davon Mietwohnungen und davon 80.000 Sozialmietwohnungen. Die Realität hängt den Zielen noch hinterher.
Wohnungsnot langfristig verhindern
Laut einer Studie des IW Köln reichen die bisherigen Konzepte der Politik wie Mietpreisbremse und soziale Wohnraumförderung nicht aus, um die Wohnungsnot und teure Mieten zu stoppen.
So stiegen die Neuvertragsmieten deutschlandweit im Jahr 2017 im Vergleich zum Vorjahr um 4,5 Prozent auf durchschnittlich 7,99 Euro pro Quadratmeter. In mehr als 50 Städten und Landkreisen zogen die Mieten um mehr als sechs Prozent an.
Um langfristig und dauerhaft mehr Wohnraum in Städten zu schaffen, müssen Nachverdichtungspotenziale erschlossen und neue Stadtviertel gebaut werden. Notwendig ist die Ausweisung von mehr Bauland, denn angesichts steigender Preise und niedriger Zinsen gibt es zahlreiche Investoren. "Wir tun uns aber sehr schwer damit, neue Stadtviertel zu gründen, weil die interkommunale Zusammenarbeit schwierig ist und die Städte die notwendige Infrastruktur nicht vorfinanzieren können", erklärt Prof. Voigtländer vom IW.
Als Vorreiter sieht der Experte Frankfurt und Hamburg. Beide Städte nutzen derzeit vorhanden Potenziale und gründen neue Stadtviertel.
Bauen im Kollektiv
Der Wohnungsnot kann auch durch Ausbaumaßnahmen von Gebäuden begegnet werden. Das IW Köln hat berechnet, dass allein über den Ausbau von Dachgeschossen und die Aufstockung von Mehrfamilienhäusern eine Million zusätzliche Wohnungen geschaffen werden können.
Immer mehr Menschen ergreifen hierbei selbst die Initiative und kümmern sich mit Freunden oder Fremden um bezahlbaren und kündigungssicheren Wohnraum. Mieter kaufen beispielsweise das von ihnen gemeinsam bewohnte Haus und können so als Gemeinschaft die Kosten niedrig halten.
Wer gemeinsam neu baut, profitiert von geringeren Baukosten und individuellen Gestaltungsmöglichkeiten.
Ein Vorzeigeprojekt ist "BIGyard" im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg. Hier wurden 45 Wohneinheiten unterschiedlicher Typen realisiert. Im Mittelpunkt steht der grüne Hofgarten, der von allen Bewohnern genutzt wird.
Auch in anderen Großstädten ist die Liste der Baugemeinschaften lang. Viele suchen noch Mitglieder. So möchte die "KunstWerft Hafencity" in Hamburg Wohnen, kreatives Arbeiten und gemeinschaftliches Leben in einem Haus zusammenbringen. Die Gemeinschaft "Lee vor Luv" will den Inklusionsgedanken in Altona leben.
Minihäuser und Wohnungstausch
Von der Wohnungsnot in Großstädten sind Familien besonders betroffen. Sie finden kaum passende und bezahlbare Wohnungen. Auf der anderen Seite gibt es immer mehr Senioren, die mit ihrer zu groß gewordenen Wohnung überfordert sind.
Die LEG Immobilien AG hat dazu die Initiative "Wohnen für Generationen" gestartet. Sie ermöglicht den Wohnungstausch von Senioren und Familien innerhalb eines Wohnquartiers.
Die LEG unterstützt den Wohnungswechsel mit finanziellen Anreizen. So können die Mieter, die sich verkleinern, den günstigeren Quadratmeterpreis aus ihrer bisherigen Wohnung in ihre neue Bleibe mitnehmen. Und die Familie, die sich vergrößern möchte, findet Wohnraum im eigenen Quartier.
Wo die Wohnungsnot besonders groß und das Platzangebot sehr klein ist, wird mit sogenannten Tiny Houses experimentiert. Diese Minihäuser auf Rädern können dort platziert werden, wo sonst keiner baut. Zum Beispiel auf Hausdächern oder in Baulücken. Auf oftmals weniger als zehn Quadratmetern befinden sich Kochnische, Bett und Bad, dafür liegt die Miete nur bei 100 bis 150 Euro.
Weiterer Wohnraum kann durch Untervermietung nicht genutzter Räume oder die Bildung von Wohngemeinschaften entstehen. Das ist besonders in Uni-Städten wie Köln oder Münster gefragt. Im Rahmen von "Wohnen für Hilfe" leben Studierende zumeist kostenfrei bei Senioren oder Familien und helfen dafür im Haushalt oder bei der Kinderbetreuung.
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