Laut Verfassungsschutz ist Björn Höcke (AfD) ein Rechtsextremist. Fünf Monate vor der Landtagswahl lässt sich der Thüringer CDU-Spitzenkandidat Mario Voigt auf ein Duell mit ihm ein. Eine gute Idee?
Thüringens CDU-Spitzenkandidat
Mario Voigt erhoffe sich vielleicht, dass er zu größerer Bekanntheit gelange. "Schwer abzuschätzen, wie sehr ihm das hilft, das hängt sicher auch von seiner Performance ab und der Bewertung des Gesprächs im Anschluss." Rothmund ist Direktor am Zentrum für Rechtsextremismusforschung, Demokratiebildung und gesellschaftliche Integration und Professor für Kommunikations- und Medienpsychologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Das Duell ist für den 11. April geplant. In Thüringen wird am 1. September ein neuer Landtag gewählt. Die AfD, die im Freistaat vom Landesverfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird, lag in jüngeren Umfragen meist über der 30-Prozent-Marke und damit auf Platz eins. Dahinter folgte die CDU. Die Linke von Ministerpräsident Bodo Ramelow will noch aufholen, schwächelt aber auch wegen der Gründung des Bündnis' Sahra Wagenknecht, das ebenfalls zur Landtagswahl antreten will.
Die politische Situation in Thüringen ist seit Jahren extrem kompliziert - in Umfragen zeichnen sich keine politisch machbaren Mehrheiten ab.
Erfolgschancen des TV-Duells
Voigt hatte immer wieder betont, Höcke in dem TV-Duell inhaltlich stellen zu wollen und herauszuarbeiten, welche Auswirkungen dessen europapolitische Vorstellungen für Handwerker und Unternehmen hätten. Rothmund sieht aber große Risiken - vor allem auf CDU-Seite. "Ich sehe die Gefahr, dass in einem solchen Gespräch ein Dilemma entsteht: Auf der einen Seite will Voigt die Menschen, die die AfD anspricht, für sich gewinnen - auch mit den entsprechenden Themen. Auf der anderen Seite will er sich von der AfD abgrenzen."
Höcke könnte dieses Dilemma offenlegen. "Er könnte Voigt in eine Situation bringen, wo dieser entweder zugeben muss, dass die AfD die einzige Partei ist, die eine bestimmte Position glaubhaft vertritt, oder er sich mit der AfD gemein machen muss. Beide Varianten wären eher nachteilig für die CDU", sagte der Experte.
Die Idee für das TV-Duell zwischen Voigt und Höcke wurde aus einer Auseinandersetzung der beiden bei X entwickelt. Voigt hatte in einem Interview gesagt, Höcke wolle Europa sterben lassen, woraufhin dieser mit einer Unterlassungsklage drohte. Später schlug Höcke statt einer Unterlassungsklage eine Diskussion zum Europa-Begriff vor - Voigt willigte ein.
TV-Duell statt Triell
Kommunikationsexperte Rothmund sagte, es sei auffällig, dass der amtierende Ministerpräsident bei der Diskussion nicht dabei ist. "Das ist verwunderlich. Es hätte ja auch ein Triell sein können." Schließlich trete Bodo Ramelow wieder an und sei mit seiner Linken zumindest in Schlagdistanz der anderen Parteien. "Ich halte es für einen unklugen Schachzug der CDU. Ihre Position wäre in solch einer Dreier-Konstellation viel stärker", sagte Rothmund. Die CDU hätte sich dann deutlicher als Partei der Mitte und in Abgrenzung zu den beiden anderen sichtbarer machen können.
Ziel von Höcke bei dem Gespräch könnte es laut Rothmund sein, sich staatsmännisch zu geben. "Dass er den Eindruck vermittelt, dass er das Ministerpräsidentenamt haben kann, dass er geeignet dafür ist. Das ist es auch, was seine Wählerschaft sehen will." Er glaube nicht, dass Höcke eine inhaltliche Argumentation führen wolle. "Wahrscheinlich geht es ihm nur darum, einen Eindruck zu vermitteln - dass er auf der Ebene von Voigt steht und ebenbürtig in der Lage ist, das Land zu führen."
Strategie gegen rechts
Auch wenn die AfD in Thüringen in Umfragen teils schon auf 36 Prozent kam, gilt es als unwahrscheinlich, dass sie in Regierungsverantwortung kommt. Keine der weiteren im Landtag vertretenen Parteien will mit der AfD koalieren und bis zu einer absoluten Mehrheit wäre der Weg noch weit. Gegen Höcke laufen juristische Verfahren wegen des Verdachts der Volksverhetzung und des Verdachts, Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verwendet zu haben - in beiden Fällen wurde Anklage erhoben.
Rothmund hält es für ein "ein gewagtes Ziel", Höcke inhaltlich stellen zu wollen. Rechtspopulisten würden in ihren Positionen geschickt so hin und her springen, dass es schwer sei, sie argumentativ zu stellen. "Es kann sein, dass eine Lüge dabei ist, dass man auf ein anderes Thema wechselt oder dass irgendwelche Einzelheiten generalisiert werden", so Rothmund. Er sei gespannt, ob Voigt besondere Strategien habe, um Höcke zu entlarven. "Ich habe das noch nicht oft gesehen, dass Journalisten oder Politiker in der Lage waren, Rechtspopulisten argumentativ zu stellen."
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) kritisierte das TV-Duell in einem Gespräch mit der "Welt" (Montag, Online): "Höcke wird damit in eine Normalität gestellt, die er selbst stets ablehnt. Mit dem bürgerlichen Journalismus will er doch gar nichts zu tun haben, er verachtet Demokratie und Rechtsstaatlichkeit", sagte er.
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