Der Kanzler bremst die Freigabe von weiteren drei Milliarden Euro Rüstungshilfe für die Ukraine. Ein Wahlkampfmanöver? Nicht nur der Koalitionspartner ist verärgert, selbst in der SPD stellt sich mancher öffentlich gegen Scholz' Kurs.
Die Ukraine soll zusätzlich drei Milliarden Rüstungshilfe aus Deutschland bekommen. Und zwar noch vor der Bundestagswahl am 23. Februar. Da sind sich SPD, Grüne, FDP und Union einig – eigentlich. Denn wieder einmal gibt es Streit um die Finanzierung. Wieder einmal geht es um die Schuldenbremse. Erschwerend hinzu kommt: Es ist Wahlkampf. Aber von vorne.
Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) wollen die im Haushaltsentwurf für das laufende Jahr vorgesehene Unterstützung für das von Russlands Angriffskrieg gebeutelte Land von vier auf sieben Milliarden aufstocken. Und zwar schnell. Dafür werben sie seit Monaten. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz war immer dafür, die zusätzliche Rüstungshilfe bereitzustellen.
FDP wirft Scholz Erpressung vor
Jedoch besteht Scholz zur Finanzierung auf ein Aussetzen der Schuldenbremse wegen einer besonderen Notlage. "Ich würde auch jetzt das noch beschließen, wenn alle mitmachen bei einem Beschluss: Wir finanzieren das extra über Kredite", sagte er am Mittwoch in einem RTL-Interview. Aber dann müssten "einige über ihren Schatten springen", so der Kanzler. "Ich fordere die anderen Fraktionen auf, sich jetzt rasch zu diesem rechtlich zulässigen und notwendigen Schritt zu verhalten", hieß es unterstützend von SPD-Fraktionschef
Dass da weder Union noch FDP mitspielen werden, muss dem Kanzler klar sein. Beide Parteien sind gegen zusätzliche Schulden. Die Ampel-Koalition war maßgelblich an diesem Dissens zerbrochen. FDP-Generalsekretär Marco Buschmann warf Scholz prompt Erpressung des Bundestags vor. "
Die FDP will die zusätzlichen Ukraine-Hilfen nicht über neue Schulden, sondern über eine "außerplanmäßige Ausgabe" finanzieren. Dies ist nach Artikel 112 des Grundgesetzes "im Falle eines unvorhergesehenen und unabweisbaren Bedürfnisses" möglich. Ein Beispiel für eine solche Ausgabe waren 2013 Soforthilfen für Flutopfer nach schweren Überflutungen in Teilen Deutschlands. Die Grünen sind ebenfalls für dieses Vorgehen und auch die Union hat Zustimmung signalisiert.
Schwarz (SPD): "Kriege richten sich nicht nach Wahlen"
Auf diesem Weg könnte die Ukraine das Geld also zügig bekommen. Aber will Olaf Scholz das womöglich gar nicht? Böse Zungen sagen, Scholz wolle sich im Wahlkampf als Hüter des Sozialstaats präsentieren und habe Angst, mit einem weiteren Hilfspaket für die Ukraine Wähler zu verprellen. Bei einem Wahlkampfauftritt in Bielefeld sagte er Anfang der Woche: "Ich bin dagegen, dass wir es [das Geld für die Ukraine-Hilfen; Anm. d. Red.] von den Renten holen. Ich bin dagegen, dass wir das mit Kürzungen bei den Gemeinden machen. Ich bin dagegen, dass wir weniger Geld in Straßen investieren." Eine Aufstockung der Hilfen vor der Wahl sei nicht nötig, heißt es aus dem Bundeskanzleramt. Es verweist auf die bereits vorgesehenen Gelder und darauf, dass die G7-Staaten der Ukraine einen Kredit von 50 Milliarden Dollar gewähren wollen.
Scholz' Haltung provoziert Widerworte aus der eigenen Partei. "Meine Haltung ist: Kriege richten sich nicht nach Wahlen", sagte der SPD-Verteidigungspolitiker Andreas Schwarz dem "Spiegel". Auch SPD-Außenpolitiker Michael Roth fordert, die Hilfen jetzt zu gewähren. "Wenn diejenige, die für den Frieden eintreten, wirklich einen Frieden haben wollen, braucht die Ukraine ein Momentum für Verhandlungen, und dafür muss sie stärker werden", so der scheidende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Interview mit "Politico".
Verärgert sind auch die Grünen. Es sei möglich, gleichzeitig die Ukraine mit dem Nötigen zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass Deutschland und Europa verteidigungsfähig seien "und Renten, Kitaplätze, was auch immer zu finanzieren", so Parteichef Felix Banaszak.
Der deutsche Wahlkampf – er strahlt bis nach Kiew.
Verwendete Quellen:
- dpa
- "Spiegel" vom 15.1.25: "Scholz blockiert zusätzliche Milliarden für Kyjiw – SPD-Politiker stellen sich gegen Kanzlerkurs"
- "Politico" von 14.1.25: "Wie Scholz Rente und Ukraine gegeneinander ausspielt"
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